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GUTE-NACHT/2622: Ein Pfennig auf Reisen - Die Wochentage (SB)


Ein Pfennig auf Reisen

Den ganzen Tag wartet der kleine Pfennig darauf, daß sich der Geldbeutel endlich einmal öffnet. Doch nichts dergleichen geschieht. Zwar werden die Geldstücke in der Geldbörse ganz schön herumgeschüttelt - was meist einem Öffnen derselben vorausgeht -, aber an diesem Tag wird wohl überhaupt kein Geld benötigt, nicht einmal die Euros oder die Cents.

Es gibt eben manche Tage, an denen es im Zuhause des kleinen Pfennigs den ganzen Tag über kein Licht gibt. Diese Tage scheinen sich in einem bestimmten Rhythmus zu wiederholen. Mehrere Tage folgen einer auf den anderen, an denen zwei- oder dreimal die Geldbörse geöffnet wird. Dieser Reihe von Tagen folgt jeweils ein Tag, an dem der Geldbeutel scheinbar die ganze Zeit offen steht und gar nicht wieder zugehen mag. Diesem Tag wiederum folgt eine Zeit der Dunkelheit.

Ein überaus schlauer Groschen hat dem Glückspfennig einmal erzählt, daß die Tage Namen haben. Er sagte: "Sie heißen Montag und Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Das sind die Tage, an denen sich unser Geldbeutel nur wenige Male öffnet. Am nächstfolgenden Tag, dem Samstag, haben die Menschen viel Zeit, um uns Groschen, Pfennige und Markstücker in Umlauf zu bringen. Die meisten Menschen haben an diesen Tagen frei und können viel einkaufen. Das bedeutet, sie geben ihre Münzen weg und bekommen dafür etwas anderes - Waren, Nahrung oder Bilder, die sich bewegen."

Der Groschen erzählte weiter, daß sich nach der Hektik dieser Samstage, die Menschen erst einmal ausruhen und deshalb jedesmal am Tag danach, an den sogenannten Sonntagen, keine Münzen bräuchten. Heute scheint so ein Sonntag zu sein. "Doch ist es gestern überhaupt hektisch zugegangen?" fragt sich der kleine Pfennig. Er kann sich nicht mehr daran erinnern.

Was haben die Tagesnamen der Menschen auch schon für eine Bedeutung? Der kleine Pfennig will nur endlich hinaus aus diesem dunklen Geldbeutel, wo ihn die anderen Geldstücke meiden. Die Euros und Cents sind eben nicht so freundlich wie alle seine früheren Pfennigfreunde oder die Groschen, und selbst die etwas hochnäsigen Markstücke waren immer noch angenehmer zu ertragen als die heute gültige Währung. Selbst der leichte blaue Kreis, der nicht einmal ein Geldstück ist, bildet sich etwas darauf ein, daß er derjenige ist, der am häufigsten aus dem Geldbeutel geholt wird. Dabei kehrt er jedesmal wieder hierher zurück. Das scheint aber keinen der anderen Euros und Cents zu interessieren. Nur der kleine Pfennig fragt sich, wieso der blaue Plastiktaler immer wieder zurückkehrt? Will ihn vielleicht auch keiner haben?

Hätte der Glückspfennig jetzt nicht schon geplant, sein Zuhause für immer zu verlassen, würde er Detektiv spielen und dem blauen Taler mal gehörig auf den Zahn fühlen. Doch der kleine Pfennig besinnt sich und stellt fest: "Ich sollte aufpassen und mich nicht um die Dinge der anderen kümmern, sonst verpasse ich noch meinen Absprung." Also paßt der kleine Pfennig von nun an einfach besser auf. Doch Aufpassen kann einen ganz schön müde werden lassen, und so wird der kleine Pfennig ganz schläfrig. Als er sich nicht mehr aufrecht in seiner Falte halten kann, fällt er um und schläft ein.


Erstveröffentlichung am 27. August 2003

6. Mai 2008

Gute Nacht