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GUTE-NACHT/2795: Ein arbeitsreicher Tag im Herbst (SB)


Gute Nacht Geschichten - Wilhelm Wunderlich


Es ist kalt im Park und in dem verschlafen scheinenden Ort. Doch etwas regt sich schon. Die Vögel, die nicht fortgezogen sind gen Süden, suchen nach Futter. Über die hohen Bäume fliegt eine einsame Möwe. Wo mögen ihre Artgenossen stecken? Trotz der abgeernteten Felder und der schon längst umgegrabenen Gartenbeete ist noch immer einiges zu tun. Davon weiß Parkwächter Wilhelm Wunderlich zu berichten.

Heute streut er als erstes Futter in das Vogelhaus. Sonnenblumenkerne, Weizenkörner und andere Samen warten hier auf die Vögel. Auch ein Wassertopf steht für sie bereit. Nun holt Wilhelm die einrädrige Karre aus dem Schuppen. Bevor er mit seiner täglichen Arbeit beginnt, will er ersteinmal Stroh für seine Kaninchen holen gehen. Stroh bekommt er bundweise beim Bauern neben dem Park. Wilhelm fährt mit der Schubkarre hin.

Auf seinem Weg blickt sich Wilhelm um, ob die Papiertütenfratze, die er gestern hier in die Zweige gehängt hat, wieder aufgetaucht ist. Nein, die Fratze bleibt verschwunden. Wilhelm geht weiter. Was wird er sich heute alles vornehmen. Das Laub sollte er auf jeden Fall von den Wegen fegen. Auf den feuchten Blättern kann besonders ein älterer Mensch leicht ins Rutschen kommen und stürzen.

Der Weg zum Bauern ist nicht weit. Da kommt auch schon Elsa angelaufen. Ein toller Kerl ist Elsa, mit schwarzem Fell und weißem Bauch. Wenn Elsa nicht eine Hündin wäre, könnte sie glatt die große Schwester von Strolch sein, so ähnlich ist ihr Fell gezeichnet. Elsa bewacht den Bauernhof tagein, tagaus. Sie weiß genau, wie weit ihr Bereich geht. Deshalb bleibt sie jetzt auch am Eingang des Hofes stehen. Kein Tor und kein Gatter versperrt Elsa den Weg. Auf Elsa ist eben Verlaß. Je näher Wilhelm kommt, um so mehr zeigt Elsa, daß sie sich freut, den freundlichen Mann mit seiner Schubkarre mal wiederzusehen. Bestimmt weiß Elsa auch schon, was Wilhelm möchte. Denn wenn er kommt, holt er jedesmal ein Bund Stroh für ein Euro das Stück. Die Bäuerin ist durch Elsas Begrüßungsgebell aufmerksam geworden. Sie kommt aus dem Haus, und auch sie weiß genau, weswegen der Parkwächter erscheint. Ein "Guten Tag" und einige freundliche Worte werden gewechselt, schon tritt Wilhelm seinen Rückweg an und Elsa begleitet ihn bis zur Hofeinfahrt. Dann trennen sich ihre Wege.

Nur ein paar Minuten, dann ist Wilhelm schon wieder bei der Parkbank angelangt und schlägt den Weg zum Schuppen ein. Aus einiger Entfernung hört er das Gezwitscher der Vögel. Während er fort war, sind sie herangeflogen und haben sich über das Vogelfutter hergemacht. Wilhelm bleibt stehen. Er will die Vögel nicht erschrecken. Zu gerne möchte er wissen, welche Vogelarten sich hier herumtreiben. Doch die Vögel haben ihn schon entdeckt und fliegen auf. Nur ein ganz winziger Vogel hüpft in den Zweigen eines Busches herum. Es scheint ein Zaunkönig zu sein.

Die Schubkarre stehenlassend tritt Wilhelm einige Schritte vor und wartet. Die Vögel werden sich schon beruhigen und dann wieder zurückkommen. Der erste Vogel, der sich traut, ist eine Kohlmeise. Sie sieht wunderschön aus mit ihrem dunklen Gefieder und dem leuchtend gelben Bauch mit dem schwarzen Strich genau in der Mitte. "Na, Herr Meise, hast du heute deinen Schlips angelegt oder trägst du ihn immer", begrüßt Wilhelm den vorwitzigen Vogel. Wilhelm hat diesen schwarzen Strich auf dem Gefieder der Kohlmeise zum ersten Mal bemerkt. Der kleine Vogel hüpft von Ast zu Ast, traut sich aber doch nicht, in dem Vogelhaus Platz zu nehmen. Auch einige andere Vögel kommen herbei. Ihr Gefieder ist graubraun. Es fällt nicht weiter auf. "Wahrscheinlich seid ihr alle Spatzen", denkt Wilhelm. Doch er geht nicht weiter vor, um sie besser sehen zu können. Er will sie nicht erneut aufscheuchen. Die Vogelarten, die nicht in den Süden geflogen sind, sondern hier den kommenden Winter verbringen und täglich zu Wilhelms Vogelhaus kommen werden, wird er schon noch kennenlernen.

Jetzt wird es aber Zeit, den Kaninchen das frische Stroh hinein zu werfen und sie zu füttern. Charly wartet bereits am Tor.

Nun kann der eigentliche Arbeitstag beginnen. Aber bevor Parkwächter Wilhelm die Blätter von den Wegen fegt, harkt er ein Beet in der Nähe der Parkbank und des Holunderbusches mit einem Sauzahn durch. Das ist ein Gartengerät mit nur einer Zinke. Der Sauzahn lockert die Erde gleichmäßig auf, ohne die Erdschichten durcheinander zu bringen. Nun holt Wilhelm eine Kiste. Darin befinden sich jede Menge Kastanien. Wilhelm will sie einpflanzen. Im Park gibt es kaum Kastanienbäume. Das möchte Wilhelm ändern, deshalb hilft er nach. Mit einer Schüppe gräbt er Löcher in die Erde und legt einige Kastanien hinein. Danach bedeckt er sie mit Erde.

"Bin gespannt, wieviele von euch nächstes Jahr so neugierig sind, daß sie ihre Triebe aus der Erde hinausschicken", sagt Wilhelm. Dann wendet er sich den Blätterwegen zu.

28. November 2008

Gute Nacht