Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2833: Ein Eimer Wasser für den Geretteten (SB)


Gute Nacht Geschichten


Im Keller steht der abgeschmückte Weihnachtsbaum, der den Abtransport zum Schreddern verpaßt hat. Mit seinen zwei Spitzen sieht er eigentlich gar nicht wie ein Weihnachtsbaum aus. Aber darum hatte Laura ihn sich ja gerade ausgesucht, weil er anders war wie all die anderen Weihnachtsbäume. "Schade, daß sie dich abgesägt und nicht in einen Kübel gepflanzt haben. Dann hätten wir dich schön in unseren Garten pflanzen können. Das wäre zwar eine Nacht- und Nebelaktion geworden, weil der Hausmeister es, wäre er gefragt worden, sicher nicht erlaubt hätte. Aber wie sagt Oma immer so schön: 'Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß'."

Die Kellertreppe knarrt und dann wird auch schon das Schloß geöffnet. Laura schaut sich noch einmal um, ob sie auch niemand gesehen hat. Sie hat einen Eimer mit Wasser dabei. Da hinein stellt sie den Weihnachtsbaum. Dann setzt sie sich auf den alten Stuhl aus der Küche - den einzigen der von Omas alten Stühlen noch ganz geblieben und nicht auf den Sperrmüll geworfen wurde. Das lag allerdings auch daran, daß Laura bei dem Stuhl wie beim Weihnachtsbaum selbst Hand angelegt hat, um die beiden vor der Zerstörung zu retten.

"Ich weiß nicht, ob dir das Wasser viel nutzt, deine Nadeln zu behalten. Aber wir werden es auf jeden Fall probieren", sagt Laura zu dem Baum. "Vielleicht wachsen dir ja dann sogar wieder Wurzeln wie bei meinen Pflanzen auf dem Fensterbrett. Aber ich habe nicht viel Hoffnung. Bei Bäumen ist das sicher anders." Laura steht auf und öffnet für eine kurze Zeit das Kellerfenster: "So hast du ein bißchen frische Luft."

Nun schaut Laura sich um: "Besonders hübsch ist es hier unten ja nicht gerade. Aber weißt du was, wenn ich morgen wiederkomme, bringe ich einen Besen und eine Schaufel mit. Dann räume ich hier um dich herum schön auf. Was hälst du davon?"

Laura weiß, daß der Baum nicht sprechen kann. Aber ein bißchen scheint es ihr, als habe er die Zweige bewegt. Das soll bestimmt ein "Ja" bedeuten. "Also bis morgen", verabschiedet sich Laura und geht hinaus, nachdem sie sich vergewissert hat, daß keiner vor der Kellertür steht und mitbekommt, daß sie hier unten war. Es macht zwar nichts, wenn sie in den Keller geht, aber wenn jemand sie beobachtet und mitbekommt, daß sie jetzt täglich hier unten ist, dann könnte das doch Folgen haben und Neugierde wecken. Also hält es Laura lieber mit Omas Spruch: "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!"



15. Januar 2009

Gute Nacht