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GUTE-NACHT/2905: Geänderte Pläne (SB)


Gute Nacht Geschichten


Auf dem Schreibtisch vor Egon liegt ein geöffneter Brief. Schriftlich teilt ihm darin der Verleger mit, daß die mündlich getroffene Vereinbarung, ein Kinderbuch zu schreiben, hiermit nicht bestätigt wird. Eine neue Autorin habe sich vorgestellt und kenne sich mit Kinderbüchern aus. Seit Jahren schreibe sie bereits Geschichten und male auch dazu.

Egon ist verzweifelt und erbost. Jemand hatte ihm jetzt seine derzeitige Einnahmequelle streitig gemacht. Was jetzt? Nach kurzer Überlegung greift Egon zum Hörer und wählt die Nummer seines Verlegers. Dort ist das Telefon besetzt. Nach einer Weile versucht er es noch einmal und hat Erfolg.

"Ich habe ihnen ja gesagt, es wird uns nicht schwerfallen, eine Autorin für die Sparte Kinder zu finden." - "Und was soll ich jetzt anfangen?", hätte Egon am liebsten in den Hörer gerufen. Doch da kommt schon ein Hoffnungsschimmer vom anderen Ende der Leitung herüber. "Egon, sie kennen sich doch mit Detektiven und deren Denkweisen aus." Eine kleine Pause entsteht, in die Egon ein "Ja" hineinwirft. "Das ist gut so", hört Egon nun den Verleger sagen, "wir benötigen nämlich jemanden mit Scharfsinn, der eine Figur entdecken kann." In Egons Kopf entsteht bereits ein neuer Krimi, in dem ein Detektiv die Hauptrolle spielt.

Nun spricht der Verleger weiter: "Was wir suchen, ist eine auf lange Sicht angelegte Hauptfigur, die bestimmt die nächsten 50 Jahre überdauern wird." Egons Augen strahlen. 50 Jahre - da hätte er ja für den Rest seines Lebens ausgesorgt.

Doch nun rückt der Verleger erst mit seinem wahren Anliegen heraus. "Wir brauchen so eine Art Maskottchen, ein zeitloses Idol, das jeden Abend seine Geschichte erzählt." - "Eine tägliche Detektivgeschichte", ergänzt Egon. Der Verleger am anderen Ende der Leitung sagt ernst: "Es kann auch mal eine Detektivgeschichte sein. Sie sollte dann zwar spannend, aber nicht zu aufregend für unser dafür vorgesehenes Publikum sein. Lieber wäre es uns, daß die neue Figur lustige Geschichten, aber nicht zu alberne erzählt. Spannung ist ebenfalls wichtig und dennoch sollten sie lehrreich sein - kurzum wir brauchen eine Art aus Sandmännchen und Maus, aus Tiger und Ente und was es da noch so alles für Kinder gibt!"

Das vorletzte Wort des Verlegers hat Egons Zukunftspläne gerade den Bach hinunter schwimmen lassen. "Ein Maskottchen für Kinder?", entfährt es Egon. "Ja, genau", der Enthusiasmus in der Stimme des Verlegers ist nicht zu überhören, "wir brauchen eine Figur, die den Kindern täglich eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt."

Auch das noch. Egon faßt sich an die Stirn. War es nicht genug damit, ein Maskottchen zu entwickeln, mußte es auch ausgerechnet für die Kleinsten der Bevölkerung sein? Aus dem Hörer nimmt Egon wahr, wie der Verleger seine Einwilligung zu dem Projekt erwartet und diese auch aus Egons Mund erhält. Dabei scheint Egon selbst, Lichtjahre von hier entfernt, auf einem Planeten, wo es zwar Ganoven und Gangster gibt, Böse und Hinterhältige, die den netten Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, aber keine Kinder. Die kamen in seinen Büchern eher nur am Rande vor.

"Also, ich erwarte ihre Vorschläge in einer Woche. Wir sehen uns in meinem Büro." Damit verschwindet der Sprecher am anderen Ende der Leitung. Auch Egon legt auf. Er sieht eine Woche Ratlosigkeit auf sich zurollen und endlos viele angefangene Blätter Papier, die alle in seinem Müllkorb landen werden. Auf den heutigen Schreck war Egon nicht gefaßt. Das ist eigentlich nicht gerade ein Grund ins Bett zu gehen, sondern eher sofort das Problem beim Kragen zu fassen. Doch Egon zieht es vor, sich hinzulegen. Vielleicht kommt ihm ja im Schlaf eine gute Idee.

9. April 2009

Gute Nacht