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GUTE-NACHT/2916: Beschützt, aber eingesperrt (SB)


Gute Nacht Geschichten


Ungeduldig hockt Sokrates hinter seinen Gitterstäben und schaut hindurch. Sein Käfig steht auf der Fensterbank. Hoffentlich stellt ihn Gunnar auch heute wieder in den Garten hinaus. Dort unter dem Baum hat Sokrates herrlich frische Luft. Bislang verbrachte er seine Tage eigentlich in einem dunklen schwarzen Schrank. Darin war Stroh, Wasser und Futter zur genüge. Da der Schrank sehr groß war und teilweise mit großen Stücken von Poresta gefüllt, konnte sich Sokrates darin jede Menge Gänge anlegen. Dann aber ist Georg, sein Mensch, fortgefahren und so kam Sokrates zu dessen Freund Gunnar. Dieser hatte noch einen alten Hamsterkäfig und setzte seinen neuen Mitbewohner dort hinein.

In diesem Käfig gibt es ein Laufrad. Wenn Sokrates Langeweile hat oder in Trimm-Dich-Laune ist, stellt er sich in das Laufrad und dreht seine Runden. Heute ist er aber nicht in Laufstimmung. Denn ihm geht das Mäusemädchen von gestern nicht aus dem Sinn. "Ich möchte sie so gerne wiedersehen. Am liebsten ohne Käfig", denkt er. Der Käfig stört Sokrates nicht grundsätzlich und er findet: "In einem Käfig bin ich nicht nur eingesperrt, sondern habe auch Schutz." Das weiß Sokrates genau, denn beinahe hätte ihn einmal eine Katze geholt, wären da nicht die Gitterstäbe des Käfigs gewesen. Seitdem hat Sokrates gegen Gitterstäbe zwischen sich und der freien Welt nichts einzuwenden, wenn auch sonst alles mit dem Heu, dem Futter und dem Wasser stimmt.

Die Sonne brennt jetzt stärker durch die Scheiben. Es muß also gegen Mittag sein. Sokrates wird es langsam zu heiß und er will sich in sein kleines Häuschen verkriechen. Gerade begibt er sich auf den Weg, da nimmt er aus dem Augenwinkel draußen im Garten eine Bewegung wahr. Noch einmal blickt er genauer hin, aber jetzt ist nichts mehr zu erkennen.

"Bestimmt war das gerade das Mäusemädchen", stöhnt Sokrates. Gern hätte er jetzt im kühlen Laub ein Pläuschchen mit ihr gehalten. Die Mäuse im Garten hatten es doch eigentlich gar nicht so schlecht. Sie waren zusammen und nie allein. Sie konnten gehen wohin und auch wie weit sie wollten und zu fressen suchten sie sich einfach selbst etwas. Ob er nicht irgendwann einmal mit ihnen zusammen kommen könnte? Mit diesen Gedanken verschlief Sokrates die Mittagszeit.

24. April 2009

Gute Nacht