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GUTE-NACHT/2995: Hinter der Mauer - Festessen (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Kommt Kinder, wir decken den Abendbrottisch", ruft Oma ihre beiden Enkel herein, "zuerst Hände waschen. Dann kann einer die Schüssel mit den letzten Erdbeeren, die ich noch gefunden habe, und der andere die Brettchen hinaustragen. Ich nehme das Tablett. Wir essen wieder im Gartenhaus." Damit geht Oma schon einmal vor.

Nachdem Anselm und Solveig sich die Hände gewaschen haben, greifen beide gleichzeitig nach der Schüssel mit den Erdbeeren. Jeder möchte lieber die Erdbeerschüssel als die Brettchen tragen. Es kommt zum Streit. "Ich will nicht immer die Brettchen tragen!", schimpft Solveig. Doch Anselm läßt nicht los, sondern zieht noch ein bißchen stärker an der Schüssel. Auch Solveig läßt nicht locker. Da geschieht es. Plötzlich fällt die Schüssel zu Boden und die Erdbeeren kullern über die Küchenfliesen.

Den Streit der Kinder hörend, kommt Oma schnell ins Haus zurück. "Was ist denn hier los?" Doch sie braucht nicht lange zu fragen. Die Erdbeeren auf dem Boden sagen, was geschehen ist. Oma sammelt die Erdbeeren auf. "Wenn ihr keine Erdbeeren mögt, braucht ihr sie nicht hinaus zu tragen", sagt Oma ruhig und wäscht die Früchte noch einmal gründlich ab. "Wir wollen ja Erdbeeren", sagt Solveig und Anselm ergänzt, "wir wollten sie aber beide tragen." - "Soso und warum?", fragt Oma und gibt sich die Antwort gleich selber, "weil ihr bestimmt schon einmal naschen wolltet, so lecker wie die schmecken. Aber das ist doch ganz einfach."

Oma teilt die Erdbeeren jetzt gleich in drei Schüsselchen auf und gibt jedem Kind ein Brettchen und ein Nachtischschüsselchen in die Hand. Sie selbst trägt das dritte Gedeck zu Tisch: "Nun kommt, und nicht mehr streiten. Zum Glück ist ja nichts passiert. Die Erdbeeren haben zwar jetzt kleine Beulen und Matschstellen, aber die Plastikschüssel ist noch heil."

Beim Essen streiten sich die Kinder nicht mehr, doch sie blicken sich auch nicht an. Solveig ist noch so verärgert, daß sie ihren Bruder unter dem Tisch gegen das Schienbein tritt. Anselm sagt nichts. Er ist der große Bruder und hat versprochen auf Solveig aufzupassen. Oma ist der Tritt nicht entgangen und sie blickt ihre Enkelin ernst an.

Später am Abend ist der Streit wieder vergessen und Oma erzählt erneut vom Waldhaus.


*


Aus der Stadt ist Leckermäulchen zurückgekehrt. Er hat eine dicke Wurst und Käse mitgebracht, auch Körner für das Frühstück und noch so einiges mehr. Unterwegs ist ihm ein Wanderer begegnet, der ihn in ein Gespräch verwickelte und ihn dann bat, mitkommen zu dürfen. Leckermäulchen ging vor, der Wanderer folgte.

Zwerg freut sich, daß Leckermäulchen zurück ist und auch noch so viele Dinge mitgebracht hat. Ob er sich allerdings über den neuen Gast freuen soll, das weiß er noch nicht. "Gäste bereiten irgendwie immer nur Ärger", denkt Zwerg. Dennoch gibt er dem Fremden genau wie all den anderen eine Chance. "Vielleicht ist es ja diesmal anders", tröstet sich Zwerg und freut sich gleich noch einmal über die neuen Vorräte. "Die haben wir jetzt auch dringend nötig, wo wir bereits fünf an der Zahl sind", überlegt Zwerg. Ja, fünf - da ist Zwerg, Leckermäulchen und der Fremde, Zittermann und Gärtner. Auch er ist inzwischen wieder zurückgekehrt. Er war verschwunden. Keiner wußte, wo er steckte. So dachten alle, er sei wieder auf und davon. Aber er war nicht fortgezogen, sondern nur tief in den Wald zu dem Waldteich mit der Wiese aufgebrochen, um von dort neue Pflanzen für den Garten hinter dem Waldhaus mitzubringen. Gleich heute noch hat er sie alle eingepflanzt. Einen ungebetenen Gast hat er außerdem mitgebracht. Doch von dem ist hier noch nicht die Rede. Denn der schläft bisher noch ruhig in einer der ungeöffneten Blüten.

Beim Abendbrot geht es spaßig zu. Ein Festessen steht auf dem Tisch: Wurst und Käse aus der Stadt und eine große Schüssel voller Heidelbeeren und Walderdbeeren. Sogar frische Haselnüsse liegen vereinzelt auf dem Tisch. Die Waldfrüchte hat Gärtner auf seinem Streifzug durch den Wald gefunden. So wird geschmaust und alle freuen sich über das gute Mahl. Nur einer freut sich nicht. Denn der fröhliche Lärm hat die verschlossene Blüte ganz neugierig gemacht. Sie wollte wissen, was da los ist, hat sich gereckt und gestreckt, um besser ins Fenster hinein schauen zu können. Dabei hat sich die Blüte geöffnet und der ungebetene Gast ist aus ihr heraus gefallen, direkt auf den Kiesweg. Ein Zedern und Schimpfen ist jetzt im Garten zu hören, nicht aber bei den fünf Waldbewohnern im Inneren des Häuschens. Die lassen sich das Mahl weiter schmecken. Erst als alles aufgegessen ist, ziehen sie sich in ihre Schlafecken zurück und träumen.

3. August 2009

Gute Nacht