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GUTE-NACHT/3035: Aus der Kitteltasche in die Waschmaschine (SB)


Gute Nacht Geschichten


Als Marie von der Arbeit in der Schule nach Hause kommt, ist es bereits spät. "Heute hat das Putzen aber wirklich wieder viel zu lange gedauert", stellt sie fest, "was wird das erst geben, wenn die nassen Herbsttage und die verschneiten Wintertage kommen. Dann haben Elsbeth und ich noch mehr in den Klassenräumen und den langen Fluren zu wischen und den Müll wegzuräumen."

Marie gönnt sich heute keine Tasse Tee, sondern legt gleich los, auch zuhause alles in Ordnung zu bringen. Die Wäsche schreit bereits in gedämpften Ton aus der Waschmaschine: "Zieh uns raus, zieh uns raus. Wir wollen mit dem Wind an der frischen Luft spielen." Doch da protestiert die noch feuchte Wäsche im Wäschekorb: "Zuerst sind wir an der Reihe. Wir wollen auch auf die Leine." Das zuoberst liegende Handtuch schreit dem eingesperrten Kopfkissenbezug und dem Bettlaken, die durch das Bullauge der Waschmaschine starren, folgendes zu: "Auch ihr könnt einen ganzen Tag im Korb warten und hoffen keine Stockflecken zu bekommen."

Am liebsten würde Marie die Augen vor der vielen Arbeit verschließen, sich Ohropax in die Ohren stecken, um das Wäschegeschnatter nicht zu hören und sich eine Wäscheklammer auf die Nase setzen. Denn aus der Küche dringt ein starker Geruch nach Abfall auf den Flur. Die Kinder haben mal wieder vergessen, den Mülleimer mit nach unten zu nehmen.

Marie streift sich den Kittel von der Arbeit noch einmal über und legt los. Auf der Waschmaschine liegen noch drei einzelne Wäscheklammern. Diese steckt sie in die bereits gefüllten Kitteltaschen. Dann klemmt sie sich den Wäschekorb unter den einen Arm und nimmt den Mülleimer in die andere Hand. Der Weg in den Garten führt an der Mülltonne vorbei. Dort stellt sie den Mülleimer ab. Jetzt kann sie mit beiden Händen den Wäschekorb tragen. Im Garten will sie gerade den Korb absetzen, da fällt ihr auf, daß dieser noch immer nur drei Beine zur Verfügung hat. Maries Kinder wollten ihrer Mutter eine Freude bereiten. Mutter sollte sich beim Wäscheaufhängen nicht mehr so doll bücken müssen. Darum kauften sie ihr einen blauen Wäschekorb, bei dem sich, wenn man ihn hochnimmt, vier Beine nach unten strecken. Doch leider ist inzwischen eines der Beine abgebrochen und keiner da, der es repariert.

Auf dem Rückweg ins Haus schreit der Mülleimer gleich als er Marie um die Hausecke kommen sieht. Hier draußen will er einfach nicht stehen gelassen werden, wenn die Nacht bald hereinbricht.

Nach dem Wäscheaufhängen ist nun der Abwasch in der Küche an der Reihe. "Den ganzen Tag haben wir auf dich gewartet", ruft das Geschirr. "Die Essensreste sind schon völlig an uns angetrocknet", meckern die Teller und das Sieb auf der Teekanne schimpft: "Du hättest mich wirklich noch ausschütten können bevor du gingst. Die Teeblätter beginnen schon zu schimmeln." Marie denkt: "So schnell geht das auch nicht." Nun meldet sich noch der Tisch zu Wort. Er wartet bereits darauf, gedeckt zu werden. "Ach, halt!", denkt Marie, "das ist ja gar nicht nötig. Heute ist Conny auf einem Geburtstag. Da gibt es Grillwürstchen. Und Franz übernachtet bei seinem Freund. Da hätte ich auch eher dran denken können." So wäscht sie ab, stellt das Geschirr zum Trocknen in den Ständer auf die Spüle und trocknet sich am Ende die Hände an ihrem Kittel ab. Dabei erinnert sie sich wieder daran, daß sie den Kittel noch bis morgen waschen und trocknen will.

Marie geht ins Badezimmer, zieht den Kittel aus und steckt ihn mit anderen bunten Kleidungsstücken in die jetzt freie Waschmaschine. Sodann überlegt sie, ob sie noch irgendein Kleidungsstück vergessen hat. Sie schließt das Bullauge und kippt Waschpulver und Weichspüler in die dafür vorgesehenen Fächer. Das Waschprogramm eingeschaltet, wandert der Finger weiter und zielt auf den Einschaltknopf.

Plötzlich ein Geräusch, als wenn ein Knopf gegen das Bullauge der Waschmaschine kratzt. Marie hält inne und wird aus den Gedanken an die nächste Tätigkeit herausgerissen. Das vermeindliche Kratzen an dem Bullauge hat einen Gedanken bei Marie ausgelöst: "Habe ich denn überhaupt die vollen Kitteltaschen geleert und in die Hosentaschen geschaut? Da versteckt sich doch immer irgendeine metallene Haarspange, ein dreckiges Papiertaschentuch, eine Wäscheklammer oder sonst etwas, das der Maschine überhaupt nicht gut tut."

Zum Glück hat Maries Finger noch nicht den Einschaltknopf gedrückt. Schnell öffnet sie das Bullauge und zerrt die Kleidungsstücke wieder heraus. In den Taschen der Hosen und des Kittels befindet sich wirklich allerhand Krimskrams. Darunter auch zwei kleine Figuren, eines davon mit nur einem Ohr, das andere mit nur einem Schuh. "Euch habe ich ja glatt vergessen. Ich glaube nicht, daß ihr so eine Fahrt in der Waschmaschine unbeschadet überstanden hättet."

"Wir auch nicht!"

23. September 2009

Gute Nacht