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GUTE-NACHT/3156: Einer Stimme gefolgt (SB)


Gute Nacht Geschichten

"Edgar, was liest du uns heute abend vor?", möchte Benjamina, die Leseratte wissen. "Hast du einen besonderen Wunsch?", erkundigt sich Edgar. "Vielleicht etwas von Geistern? Du bleibst doch wieder bis morgen früh?" - "Ich denke schon", antwortet Edgar und möchte nun wissen, ob auch der Bücherwurm mit einer Geistergeschichte einverstanden ist.

"Hat mich jemand gerufen?", fragt der kleine Wurm, der kaum von der Zeitung, aus der er jetzt herausschaut, zu unterscheiden ist. "Wo hast du denn deinen Hut gelassen?", interessiert sich Edgar. Denn jedesmal, wenn der Bücherwurm aus einem anderen Buch herausschaut, trägt er einen neuen zum Buch passenden Hut. Diesen tauscht er im nächsten Buch gegen einen dort erhältlichen ein. So trägt er mal eine Sportkappe, dann wieder eine Kochmütze, wenn er gerade einem Kochbuch entstiegen ist.

"In den Zeitungen kann ich ständig einen Hut gegen einen anderen tauschen, so viele Schauplätze finde ich dort vor. Bei dieser stetigen Wechselei komme ich gar nicht zum Essen. Doch ohne Kopfbedeckung ist es mir hier draußen leider ein bißchen zu kalt. Deshalb werde ich jetzt wieder verschwinden. Geistergeschichten brauche ich keine mehr. Von bösen Geistern ist die Zeitung voll genug", mit diesen Worten ist der Bücherwurm schon wieder verschwunden.

"Ich glaube, bald hat er alle Buchstaben in dem Zeitungsstapel aufgefressen. Bringst du ihm morgen wieder etwas Neues mit, sonst knabbert er doch wieder die Bücher an", bittet Benjamina. Edgar sieht das genauso. "Gut, daß es jede Menge Altpapier mit Buchstaben drauf gibt", scherzt er. Dann beginnt Edgar die folgende Geschichte:

Jeden Abend, wenn es dunkel wird, darf Rebell noch einmal vor die Tür. Er läuft dann um das ganze Haus herum, schnuppert auf dem Hof und hinterläßt sein Geschäft im Garten. Zwar ist Rebell nicht sonderlich ängstlich, und auch am Tag macht ihm ein Besuch im Garten nichts aus. Denn dort leben die Kaninchen und nach denen schaut er gern. So auch in der Dunkelheit. Doch wenn er in den dunklen Garten läuft, scheint ihn jedesmal irgendjemand zu verfolgen. Zuerst glaubte Rebell, Herrchen würde versteckt hinter ihm herkommen. Doch dem ist nicht so.

Manchmal hört Rebell sogar eine Stimme. Aber niemand ist zu sehen. Als er einmal genauer hinhörte, verstummte die Stimme. Von da an achtete Rebell jedesmal sogleich auf Stimmen, wenn er vor die Tür trat. Dabei stellte er fest, daß die Stimme nur im Garten auftaucht und auch nur an einer bestimmten Stelle.

Rebell ist neugierig geworden. Wenn die Stimme heute wieder ruft, will er genau an der Stelle buddeln und graben, woher die Stimme zu kommen scheint. Also geht Rebell los, schnuppert auf dem Hof und läuft anschließend in den Garten. Hier bleibt er stehen und horcht. Ist das Stimmchen zu hören? Ja, ganz leise. Rebell läuft weiter, die Stimme wird lauter. Aber noch immer versteht Rebell nicht, was sie sagt. Da beginnt Rebell mit seinen Pfoten zu buddeln. Doch nichts kommt zum Vorschein, nur die Stimme wird deutlicher. Was aber sagt sie? Das kann Rebell nicht verstehen. Denn gerade als er genauer hinhört, ruft Herrchen seinen Namen. Da kann Rebell natürlich nur folgen und zwar der Stimme seines Herzens.

"Was meinst du, Benjamina, buddelt Rebell weiter oder läuft er zu seinem Herrchen?", fragt Edgar. "Das ist wirklich nicht so einfach zu beantworten", grübelt Benjamina. Doch dann hat sie eine Idee: "Wenn der Hund Angst vor dem Geist hat, wird er schnell zu seinem Herrchen laufen. Aber wenn er neugierig ist, wird er weiterbuddeln."

"Du hast Recht. Rebell buddelt weiter. Plötzlich kommen Knochen zum Vorschein. Doch nicht nur das. Denn inzwischen hat sich Herrchen Sorgen um seinen Hund gemacht. Sein Fortbleiben hat den Mann in den Garten getrieben. Da entdeckt er seinen Hund buddelnd an einer Stelle im Garten, die ihn gar nicht interessieren soll. `Was treibst du da', schimpft Herrchen und zerrt den Hund mit sich fort ins Haus zurück.

In dunkler Nacht geht ein Mann mit einer Schaufel in den Garten und schüttet wieder zu, was ein Stimmchen und ein neugieriger Hund zutage befördert haben."


10. März 2010

Gute Nacht