GUTE-NACHT/3243: Der kleine Nachtwächter und der schlafende Baum (SB)

Gute Nacht Geschichten

Der kleine Nachtwächter legt sich den Mantel enger um seine Schultern, denn es fröstelt ihn. In den vergangenen Tagen scheint die Sommersonne den Herbststrahlen gewichen zu sein. Blätter werden vom Wind über die Straßen der Stadt gefegt und Regen setzt ein. Jeder Tag wird seit geraumer Zeit kürzer und kürzer. Bald bricht die Nacht herein.

Hinweg über die Mauer blickt der kleine Nachtwächter und sucht nach den ersten Anzeichen des herannahenden Herbstes in den Baumkronen. Doch bunt sind die Wälder noch nicht. Da erinnert sich der kleine Nachtwächter an eine Geschichte.

*

Der Wald in seinem grünen Kleide ächzt und stöhnt. Die Last seiner vielen Blätter und Früchte kann er bald nicht mehr tragen. "Warum wirfst du die Früchte nicht ab?", fragt ihn das Eichhörnchen, dem es gerade recht käme, wenn alle Eicheln, Nüsse und Kastanien auf den Boden fielen. Diese würde es sich schnappen und als Wintervorrat in der Erde verstecken. Auch wenn es später nicht jede Nuß wiederfindet. Auf diese Weise trägt es zur Verbreitung der Pflanzen bei.

Eine Spinne kriecht über eines der Blätter und beginnt ein Netz zwischen zwei Ästen zu spannen. Schon längst haben einige der Vögel eine Urlaubsreise angetreten.

Wieder fährt der Wind durch die Baumwipfel und entreißt dem Wald einige seiner Früchte. Jetzt denkt der Wald darüber nach, ob er sich nicht wirklich seiner Last entledigen soll? Doch er will sich noch nicht von seinen Früchten trennen.

Dem Eichhörnchen aber kommt eine Idee. Es ruft alle anderen Eichhörnchen zusammen. Sie necken den Wind, so daß er stärker durch die Bäume des Waldes fährt und dabei alle Früchte abreißt. Das freut die Eichhörnchen. Sie klettern von den Bäumen und sammeln alle Eicheln, Nüsse und Kastanien ein und verstecken sie.

Der Wald ist über seinen Verlust so traurig, daß er all seine Blätter hängen läßt. Das finden die Eichhörnchen aber nicht lustig. Sie können sich gar nicht mehr so schön darunter verstecken.

"Vielleicht sollten wir dem Wald eine Freude bereiten!", überlegt eines der Eichhörnchen. Ein anderes hat dazu einen Vorschlag. "Wir malen den Wald einfach bunt an. Dann freut er sich bestimmt." So wird es gemacht. Mit ihren Schwänzen, die sie wie Pinsel in feuchte Erde und den Saft roter Beeren tauchen, färben sie die Blätter des Waldes bunt. Das gefällt dem Wald wirklich. Doch leider können die Blätter durch die Farben darauf nicht mehr atmen und fallen ab.

Das stimmt den Wald erneut traurig und er fällt in einen tiefen Schlaf. Wann er wohl wieder erwacht?

18. August 2010