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GUTE-NACHT/3423: Der kleine Nachtwächter und der Schlangenkönig (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Der kleine Nachtwächter, die Laterne in der Hand, die Taschenlampe in der Hosentasche, zieht mit Rebell durch die Felder. Überall auf den Wiesen und Feldern wachsen die Pflanzen üppig. Und auch die Tiere vermehren sich und pflegen ihren Nachwuchs. Sogar Tiere, die der kleine Nachtwächter selten zu Gesicht bekommt, sind jetzt unterwegs. Da ist es nicht verwunderlich, daß der kleine Nachtwächter plötzlich meint: "Rebell! Vorsicht! Ich glaube, da ist gerade eine Schlange ins Gebüsch gekrochen!" Aber beim Nachsehen, war es doch nur ein Stock, der da lag. Doch der Schreck erinnert den kleinen Nachtwächter an eine Schlangengeschichte.


*


Grauchen saß am Fluß unter ihrem Lieblingsbaum und kühlte sich die Füße im Gras. Etwas entfernt unter einem alten Baum lagen zwei anderen Mädchen und schliefen. Grauchen hatte wie üblich die Aufsicht über die Gänse aller drei Mädchen übernommen. Alle Gänse waren in ihrer Nähe. Ab und zu schnatterte eine etwas lauter wie die anderen. Dann wurde es wieder ruhig.

Grauchen blickte auf ihre Schürze. Sie war sauber, aber trotzdem nicht so weiß wie die Schürzen der anderen beiden Mädchen, und geflickt war sie obendrein. `Ach, wenn ich doch auch so eine schöne weiße Schürze hätte, dann würden sie mich bestimmt nicht immer ärgern', dachte Grauchen bei sich. Ganz versunken saß sie da. Ein Wanderer hätte glauben können, sie schliefe. Aber sie war hellwach, auch wenn sie sich nicht bewegte.

Plötzlich war ein aufgeregtes Schnattern der Gänse zu hören. Grauchen drehte sich zu ihnen um, konnte aber nichts erkennen. Das dunkelhaarige Mädchen stand auf und ging ein paar Schritte zum Flußufer hin. Ganz dicht an den Fluß, traute es sich allerdings nicht. Grauchen hatte Angst vor dem Schlangenkönig, von dem die Dorfbewohner erzählten, er hole alle in sein tiefes kaltes Naß hinunter, die er am Flußufer schlafend fände. Grauchen sah, daß sich etwas im Schilf bewegte. Es schien ein ausgelegtes Netz eines Fischers zu sein, in dem etwas zappelte. Dann vernahm Grauchen die Stimme: "Hilfe! Hilf mir!" Und noch einmal hörte sie den Hilferuf. Sie wand sich um, doch der Ruf mußte aus diesem Fischernetz gekommen sein. Irgendwie weckte der Ruf ihre Neugier und ihr Mitleid. Wer immer in Gefahr war, dem wollte sie zu Hilfe kommen. Am Flußufer lag Grauchens Stock, mit dem sie die Gänse immer antrieb. Nach diesem Stock griff sie nun, langte damit nach dem Netz im Wasser und zog daran. Es war schwer, doch sie schaffte es, das Netz an Land zu ziehen.

Wie erschrak sie da, als sie ein weißes langes Etwas darin erblickte. Sie wußte sofort, das war kein Fisch. Schnell floh sie und versteckte sich hinter dem Baum, unter dem sie zuvor gesessen hatte. "Hilf mir doch!" zischte die Stimme jetzt schon wieder. Grauchen lugte hinter dem Baum hervor. Dort in dem Netz lag der Schlangenkönig gefangen. Sie erkannte ihn an seiner schlangenförmigen Gestalt, an seiner weißen Farbe und an der kleinen blitzenden Krone auf seinem Kopf.

"Ich verspreche, ich werde dir nichts tun, wenn du mir hilfst!" Grauchen fragte: "Wie kann ich dir denn helfen?" - "Befreie mich aus diesem Netz! Ich muß zurück zu meinen Untertanen, zu meiner Frau und den Kindern. Ich werde dir für deine Hilfe immer dankbar sein und dir nichts tun." - "Wie bist du denn in das Netz hineingeraten?" fragte Grauchen und trat hinter dem Baum hervor. "Ein unbeschreiblicher Duft hat mich gelockt." Grauchen nahm einen scharfkantigen Stein und trennte damit das Fischernetz an einigen Stellen durch. Sogleich konnte sich der Schlangenkönig befreien. Er kroch auf Grauchen zu, blieb dann liegen und sagte: "Du hast mir das Leben gerettet. Dafür danke ich dir. Wenn es irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann, so rufe nur dreimal meinen Namen. Weißkönig werde ich genannt." Grauchen überlegte nicht lange: "Es gibt etwas, um das ich dich bitten möchte." - "Sag es nur." - "Ich wünsche mir eine Schürze, die strahlend weiß ist, daß sie nicht weißer sein kann und die nie kaputt geht!"

"Diese Schürze sollst du haben! Lege dich nur unter den Baum und schlafe. Wenn du erwachst hast du die weißeste Schürze, die es nur gibt." Grauchen zögerte. "Hab keine Angst, vertrau mir, so wie ich dir vertraut habe, ich werde dich nicht in die Tiefe des Flusses hinabziehen." Mit diesen Worten verschwand der Schlangenkönig. Grauchen legte sich unter den Baum und schloß die Augen. "Danke Schlangenkönig. Danke Weißkönig!" flüsterte das Mädchen und schlief ein.

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zum 8. Juli 2011