Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3429: Der kleine Nachtwächter verläßt den Ort (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Es klingelt Sturm an der Wohnungstür. Der kleine Nachtwächter zuckt zusammen. Aber dann erinnert er sich, daß Anton vorbeikommen wollte, um ihm beim Packen zu helfen und vor allem, um ihm beim Telefonat mit dem Zooverantwortlichen zur Seite zu stehen.

Noch einmal klingelt es Sturm. Anton kann es nie schnell genug gehen. "Ich komme ja schon!", ruft der kleine Nachtwächter und eilt zur Tür. Rebell steht bereits dort. Er will Anton gebührend empfangen. Im Maul trägt er seinen kleinen Korb. Es könnte ja sein, daß Anton für ihn wieder etwas Leckeres mitgebracht hat.

Aber diesmal rennt Anton Rebell fast über den Haufen. "Du hast doch nicht etwa ohne mich angerufen!", fragt er den kleinen Nachtwächter aufgeregt. "Keine Bange", soll das Abwinken mit der Hand bedeuten. "Na, dann los! Worauf wartest du? Eine Arbeit als Nachtwächter im Zoo ist doch wirklich eine perfekte Arbeit für dich. Die Telefonnummer habe ich auch mitgebracht", sagt Anton. Er hatte sich nämlich überlegt, daß der kleine Nachtwächter kneifen könnte. Im Zoo gibt es schließlich auch sehr große Tiere, und die können einem schon ganz schön Angst einflößen.

Anton dreht an der alten Wählscheibe. Heutzutage haben die Telefone ja Tasten. Aber auch dieses Stück ist eine Eroberung vom Sperrmüll. Und wie sich gezeigt hat, war es wirklich nicht nötig, das alte Telefon fortzuwerfen.

Am Zootelefon meldet sich eine Dame: "Ja, bitte." - "Bin ich mit dem Zoo verbunden?" - "Ja, das sind Sie. Mit wem habe ich das Vergnügen?" - "Nun, hier spricht der kleine Nachtwächter und ich wüßte gern, ob sie eine Arbeit für mich haben ..." Anton schneidet Grimassen und zeigt immer wieder auf Rebell. "... ach so ja, und ich wollte fragen, ob ich Rebell, also meinen Hund, mitbringen kann?"

Eine Pause entsteht. Der kleine Nachtwächter glaubt schon, die Dame hätte eingehängt. Doch dann antwortet sie: "Nun, das sind ja eine Menge Fragen auf einmal. Leider kann ich dazu keine Auskunft geben. Ich könnte erklären, was der Eintritt kostet oder wie lange wir geöffnet haben. Aber für derlei Auskünfte, die nun erwartet werden, habe ich nicht die Befugnis."

Anton hat mit einem Ohr, das er an den Hörer hielt, mitgehört und nimmt dem kleinen Nachtwächter diesen nun aus der Hand. "Werte Dame", beginnt er, "können sie uns denn mit jemandem verbinden, der auf unsere Fragen eine Antwort weiß?"

"Leider nicht, unser Chef ist zur Zeit auf Geschäftsreise, um neue Tiere für unseren Zoo zu besorgen", sagt sie stolz, "in zwei Wochen ist er wieder hier. Wenn sie dann noch einmal vorsprechen wollen? Sie können auch gerne persönlich vorbeikommen. Für wen darf ich einen Termin vermerken?" - "Für den kleinen Nachtwächter", sagt Anton in die Sprechmuschel hinein und fügt noch an, "und für Rebell, seinen Wachhund!"

Der kleine Nachtwächter und Anton schauen sich an, und Rebell blickt von einem zum anderen. Dann klickt es im Telefon. Die Dame vom Zoo hat aufgelegt.

Jetzt ergreift Anton das Wort: "Na, das ist doch prima. Da kannst du ja noch zwei Wochen hierbleiben." Doch der kleine Nachtwächter weist mit seiner Hand auf den Fußboden. Dort steht ein prall gefüllter Rucksack. Rebell folgt der Hand und schnuppert den Rucksack ab. "Was Herrchen darin wohl versteckt hat?"

Nun ergreift der kleine Nachtwächter das Wort: "So oder so werde ich mich heute von dir verabschieden und meine Wanderung antreten. Aber vielen Dank Anton, dafür, daß du mein Freund bist." Anton ist zu Tränen gerührt. Aber das will er sich nicht anmerken lassen und sagt schroff: "Ein schöner Freund bist du mir, verläßt mich viel zu früh!"

Der kleine Nachtwächter zieht seine Jacke über und nimmt den Rucksack huckepack. Den Hut auf den Kopf gesetzt, die Laterne und die Taschenlampe in den Händen, ist er bereit, die Stadt zu verlassen.

Jetzt blinkt doch eine Träne in Antons linkem Auge. "Verflixt", sagt er, warum hat dieser Sommer nur so viele Mücken? Die fliegen einem bloß ins Auge hinein." Der kleine Nachtwächter lächelt verschmitzt. "Ich werde dir Ansichtskarten schicken, ganz oft", verspricht er. Dann zieht er los, in den Abend hinein. Rebell folgt schwanzwedelnd. Anton bleibt zurück und winkt. Doch etwas von ihm geht mit auf Reisen - eine kleine Träne.

Copyright 2011 by Schattenblick Nachtwächter Hund Landstrasse

zum 16. Juli 2011