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GUTE-NACHT/3436: Knopf und Knöpfchen knurrt der Magen (SB)




K N O P F   &   K N Ö P F C H E N

knurrt der Magen


Heute versprühte Knöpfchen richtig gute Laune. Gleich nachdem die ersten Lichtblitze ihren Weg in die Kiste gefunden hatten und noch bevor der kleine Knopf, den alle nur "Diamant" riefen, sein morgendliches Dankeslied sang, war Knöpfchen aufgestanden.

Genauer gesagt war er aufgesprungen und drehte sich gleich eine Runde im Kreis. Knöpfchen hatte von seinem ersten großen Ball geträumt und ihm schien, alles sei Wirklichkeit gewesen. "Sind Träume nicht genauso wie Erinnerungen?", fragte er seinen Freund Knopf, nachdem dieser endlich aufgewacht war.

Knopf überlegte eine Weile und antwortete: "Ja, wenn du dich an deine Träume am nächsten Morgen noch erinnerst und dir alle Einzelheiten ins Gedächtnis rufen kannst, ist ein Traum wie eine Erinnerung. Beide, der Traum sowie die Erinnerung, wenn sie vorbei sind, spielen sich nur noch in deinen Gedanken ab."

Dazu meinte Knöpfchen: "Ich finde, es ist manchmal ganz schön schwer, Erinnerung und Traum auseinander zu halten. Beides scheint wirklich und unwirklich zugleich." Knöpfchen berichtete nun von dem großen Ball der letzten Nacht. "Schade nur, daß du nicht mitgekommen bist", setzte Knöpfchen etwas entschuldigend am Schluß hinzu. "Ist schon gut", tröstete Knopf seinen Freund.

Knöpfchen dachte noch lange über das Gespräch nach und kam zu dem Schluß, daß es eigentlich großartig sei, daß es nicht so einfach ist, Erinnerungen und Träume auseinander zu halten. Auf diese Weise konnte Knöpfchen nämlich ein paar seiner schönsten Träume einfach in die Schublade seiner Erinnerungen packen, und schon hatte er noch mehr erlebt.

Etwas später versuchte er sogar Knopf einige seiner schlechten Erinnerungen als Traum und einige seiner tollsten Träume als gute Erinnerungen zu "verkaufen". Doch Knopf kannte sein Knöpfchen nur zu gut und hatte schon alle Geschichten aus Knöpfchens Leben mindestens sieben Mal gehört. Er ließ sich also keinen Knopf für eine Münze vormachen. "Komm Knöpfchen, es macht doch nichts, daß du noch nicht so viel erlebt hast. Wichtig ist doch nicht, was vorbei ist und auch nicht das, was vor uns liegen könnte, sondern allein das was wir jeden Moment erleben, was wir denken, wie wir handeln und wofür wir uns jeden Moment entscheiden, denn das bestimmt unseren nächsten Schritt."

"Und was ist mit meinen Träumen?", fragte Knöpfchen, bei seinen Verdrehungen der Wirklichkeit ertappt.

"Deine Träume kannst du ruhig weiterträumen. Und wenn du es schaffst, kannst du sie sogar beeinflussen. Doch vergiß nicht, träumst du nur die ganze Zeit, kannst du nicht handeln. Aber gerade das Handeln, also unser Tun, ist wichtig für den nächsten Moment, ja für den nächsten Schritt in unserem Leben."

Da fragte Knöpfchen: "Träumst du denn nicht gern?" Doch ohne eine Antwort abzuwarten, fügte er eine weitere Frage hinzu: "Träumst du viel?" Knopf dachte einen Moment nach und antwortete dann: "Ich habe früher gerne und viel geträumt, aber nicht bloß bei Nacht, sondern auch bei Tage. Ich wollte meine Welt so wie ich sie mir erträumte. Dabei vergaß ich leider, wenn ich Hunger hatte und von einer großen Schüssel Spaghetti aus Seidenfäden in meinem Bauch träumte, daß diese durch meinen Traum nicht in meine Knopflöcher kommen. Naja, bald habe ich aufgehört zu träumen und angefangen zu handeln. Da bekam ich dann Seidenfädenspaghetti genug."

Bei dem Gedanken an Spaghetti knurrte Knöpfchen der Magen. Doch es dauerte nicht lange und Knöpfchen schimpfte: "Jetzt hast du mich aber ganz schön reingelegt. Wir Knöpfe essen doch gar nichts! Und doch habe ich jetzt richtig Hunger bekommen."

"Ja", erklärte Knopf, "Träume können eben doch irgendwie wahr werden." Dann erfuhr Knöpfchen eine Geschichte aus Knopfs Leben: "Früher war es mein größter Wunschtraum, einmal wie die Kinder, an deren Jacke ich angenäht war, Spaghettis zu essen. Da ich mir dieses schmierige Zeug mit der blutroten Soße nicht vorstellen konnte, lecker zu finden, dachte ich, Spaghettis aus Seidenfäden sei genau das Richtige für einen Knopf. Auf die Soße konnte ich allerdings einfach verzichten."

Knöpfchen wollte nun gern verstehen, wie sein Hungergefühl möglich war und meinte: "Wieso werde ich hungrig, wenn ich gar nichts zu essen brauche?" - "Da siehst du", gab Knopf zu bedenken, "was Träume alles anrichten können. Und nicht nur Träume, sondern auch Wünsche können einen ganz schön das Leben schwer machen."

So philosophierten Knopf und Knöpfchen noch den ganzen Tag weiter und bemerkten gar nicht, wie sich langsam die Sonnenblitze wieder aus der Kiste zurückzogen. Erst während einer langen Gedankenpause wurde Knopf und Knöpfchen klar, daß es Zeit zum Schlafengehen war. Und so wünschten sich beide eine gute Nacht. Knöpfchen fügte noch insgeheim hinzu: "Und bitte lieber Knopfgott schenke meinem Freund einen schönen Traum, an den er sich morgen früh erinnert."

Knopf und Knöpfchen - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 24. Juli 2011