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GUTE-NACHT/3517: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil 12 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Nach einer Weile erwacht der kleine Turnschuh wieder. Er schaut sich in dem Wäschekorb um, in dem er gerade liegt. Viel ist hier nicht zu entdecken. Doch was ist das? Der kleine Turnschuh stellt fest, daß er gar nicht so ganz von der Welt da draußen abgeschlossen ist, wie er zuerst dachte.

"Hey, Schaukelstuhl! Kannst du mich hören?" ruft der kleine Turnschuh durch die Ritzen des Wäschekorbs aus Weidengeflecht. "Wer ruft mich denn da?" fragt der Schaukelstuhl neugierig. "Ich bin es, der Turnschuh von Toni!" - "Und wo steckst du?" will der Schaukelstuhl wissen. "Hier im Wäschekorb!" antwortet etwas leiser der kleine Turnschuh. "Na, hab ich doch gleich gesagt, daß du im Wäschekorb steckst. Dein kleiner Bruder war hier und hat dich gesucht!" verkündet der Schaukelstuhl. "Aber ich bin es doch! Ich bin es selbst!" entgegnet der Kleine. "Ja, ich weiß!" meint der Schaukelstuhl, "dachte eigentlich, du würdest in der Waschküche bleiben. Hat die Chefin dich nicht entdeckt?" Den kleinen Turnschuh macht diese Verwechslung ganz nervös, wird er doch gerade für seinen linken Bruder gehalten, dabei ist er doch der rechte. Aber der Schaukelstuhl kann ihn ja schließlich auch nicht sehen. Wie soll er die beiden Schuhe dann auseinander halten können, wo sie doch wie Zwillinge fast gleich klingen. Der kleine Turnschuh versucht das Mißverständnis aufzuklären und berichtet, was bisher alles geschehen ist, wie er in den Keller wanderte, wie dunkel es dort war, wie er die Maus getroffen hat, hinter der die Katze her war und wie ihn schließlich Mutter, noch bevor er in die Waschküche gelangen konnte, wieder mit nach oben nahm und ihn dummerweise in den Wäschekorb gesteckt hatte. Zuerst hatte der kleine Turnschuh ja geglaubt, jetzt endlich seinem Bruder zu begegnen. Aber der war gar nicht im Wäschekorb drin.

"Ja, wo steckt er denn dann, dein linker Bruder?" fragt der Schaukelstuhl, das Bett und all die anderen Sachen in Tonis Zimmer, die alle bei der Suche nach dem Turnschuh-Bruder vergangene Nacht mitgeholfen hatten. "Das weiß ich auch nicht!" entgegnet der kleine Turnschuh traurig, "wenn ich das nur wüßte."

Alle Möbel und auch die anderen Dinge sind ratlos. Was können sie tun, um dem kleinen Turnschuh zu helfen? Sie hören aufmerksam zu, als der kleine Turnschuh von seiner letzten Hoffnung spricht: "Mutter hat vorhin mit sich selbst geredet. Puh! Zuerst dachte ich, sie redet mit mir und weiß, daß ich lebendig bin." - "Dann wäre sie ja eine Hexe!" kommt es da aus der hinteren Zimmerecke aus dem unheimlichen Mund des Riesenkürbis aus Plastik, der seit dem Halloweenfest im letzten Jahr dort liegt. "Vielleicht ist es deshalb hier immer so unordentlich!" führt der Spiegel aus der Innenseite des Kleiderschranks, der mal wieder offen steht, den Gedanken fort. "Pst! Laßt den Turnschuh weitererzählen!" geht der Schaukelstuhl dazwischen, "was hat Mutter denn gesagt?" "Sie sagte, wenn Toni nach Hause kommt, soll er meinen Bruder suchen!" - "Na, ob er das macht? Da müssen wir wohl mal ein bißchen nachhelfen. Toni räumt nämlich nicht sehr gerne auf und Suchen ist schon gar nicht sein Fall", gibt der Schaukelstuhl von sich. "Der läßt sowieso nur seinen Hund suchen!" weiß sogleich die Holzeisenbahn Bescheid. Es ist ihr anzusehen, daß auch sie schon einmal von Tessa gesucht und gefunden wurde. Kleine weiße Löcher im bunten Lack weisen auf einen gefährlichen Gebißabdruck hin.

Während in Tonis Zimmer heiß überlegt und diskutiert wird, klingelt es unten an der Haustür. Tessa wedelt mit dem Schwanz und Mutter weiß, daß Toni mal wieder seinen Haustürschlüssel vergessen hat. Glücklicherweise ist sie ja zuhause und nicht wie sonst beim Einkaufen. Gleich an der Tür überfällt Mutter Toni mit der Suche nach seinen Turnschuhen. Jetzt kann sie diesen Gedanken endlich aus ihrem Kopf streichen und sich was anderes merken. Toni mag es gar nicht, wenn seine Mutter ihn gleich mit irgendwelchen Aufgaben an der Tür empfängt. Deshalb verschwindet er schnell in sein Zimmer.

Dort schmeißt er sich erst einmal auf das Bett. Keine Angst! Diesmal hat er die Schuhe gleich unten ausgezogen. Das gäbe großen Ärger, wenn er mit seinen Gummistiefeln durchs Haus rennen würde. Dafür liegen sie jetzt kreuz und quer im Eingangsflur.

Toni spricht vor sich hin: "Meine Turnschuhe suchen! Klar, ich täte nichts lieber als beide wieder anziehen! Aber wo sind sie? Den einen hab ich ja vor einigen Tagen aus dem Wäschekorb geholt, aber wo ist der andere?" Toni erinnert sich an den Tag, an dem seine Mutter ihm die Turnschuhe durchs Zimmer geworfen hatte, weil er sie auf dem Bett anhatte.

"Gleich nachdem Mutter die Turnschuhe durch mein Zimmer gepfeffert hat, hab ich den einen aus dem Wäschekorb herausgefischt und ihn in meinen Sportbeutel gesteckt. Den anderen hab ich aber nicht wiedergefunden!" - "Wo ist der Sportbeutel jetzt?" fragt Mutter, die Tonis letzte Worte vernommen hat und Toni zum Essen rufen will. Toni überlegt kurz und sagt dann: "Der Turnbeutel liegt höchstwahrscheinlich noch im Auto." Bei diesen Worten erinnert sich Toni daran, daß er in der letzten Sportstunde barfuß turnen mußte, weil er nur einen Turnschuh dabei hatte. "Wie kommt denn dein Turnbeutel ins Auto?" will Mutter wissen. - "Du hast mich doch vor ein paar Tagen abgeholt", antwortet Toni. "Was und so lange fährt dein Beutel schon im Auto spazieren?" Toni zuckt mit den Schultern. "Nun komm essen, sonst wird alles kalt." Dem Wortwechsel der beiden haben alle in Tonis Zimmer sehr gespannt gelauscht - besonders der kleine Turnschuh. "Da kann ich ja lange suchen, ohne was zu finden," stöhnt der kleine Turnschuh und denkt daran wie es wohl seinem Bruder die ganze Zeit im Sportbeutel, der im Auto spazierenfuhr, ergangen ist.

Zwar kann der kleine Turnschuh jetzt, wo er noch immer im Wäschekorb steckt, nichts unternehmen, was ihn seinem Bruder näher bringt. Doch er weiß wenigstens schon einmal, wo sein Bruder steckt. Da macht das Warten ihm schon gleich viel weniger aus. So ruht er sich ein bißchen aus, bevor seine Reise weitergeht.

Gute Nacht

zum 22. Januar 2012