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GUTE-NACHT/3519: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil 14 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Auch dieser Tag neigt sich seinem Ende zu. Die beiden kleinen Turnschuhe haben sich heute endlich wiedergefunden und liegen mit ihren Schnürsenkeln umschlungen eng beieinander vor Tonis Bett.

Die Sonne ist schon untergegangen. Im Flur brennt keine Lampe mehr und es ist schon dunkel. Nur ein spärliches Licht scheint durch die Haustür von der Straße herein. Im Haus ist es recht ruhig. Vater und Mutter sind auf den Elternabend der beiden Schwestern gegangen. Diese hören noch oben in ihrem Zimmer Musik, während ihr Bruder Toni schon im Bett liegt und einen neuen spannenden Fall von Kommissar Kugelblitz zu lösen versucht. Vor dem Bett stehen der rechte und der linke kleine Turnschuh. Toni ist froh, sie endlich wieder zu haben. Von dieser Freude wissen die Schuhe und Stiefel im Schuhregal nichts. Sie vermissen das kleine Turnschuhpaar schon seit Tagen.

"Es ist so still im Haus!" stellt der rechte Wanderschuh fest. "Ja!" bestätigt der linke Wanderschuh, "nur von oben höre ich leise Musik. Aus dem Wohnzimmer kommt kein Laut." - "Kein Wunder!" mischt sich der eine hochhackige Damenschuh ein, der seit dem letzten Treffen auf dem Teppich im Eingangsflur nicht mehr im Stiefel wohnen darf, "unsere Leute sind auf einem Elternabend."

"Woher weißt du das?", fragt eine der beiden mit ihren Riemchen verschlungenen Sandalen. "Ja, man hat ja so seine Schnallen am Leder. Will damit sagen, ich habe eben aufgepaßt, was da so um mich geschieht!" - "Du brauchst nicht immer gleich pampig werden!" verteidigt die andere Sandale ihren Kollegen. Doch dem hochhackigen Damenschuh ist es egal, ob er pampig ist oder was auch immer. Er ist sauer und enttäuscht. Dachte er doch, er würde heute abend ausgehen, und wenn es nur zum Elternabend gewesen wäre. Was ist das langweilig, hier seit Wochen nur im Schuhschrank herumzustehen.

Er ist doch fast noch nicht getragen und schon ist ein neues Paar eleganter Damenschuhe per Post eingetroffen. Die wurden dann auch prompt heute abend ausgeführt. So ein Mist.

Jetzt meldet sich der flotte Sportschuh zu Wort: "Was ist eigentlich aus unserer Versammlung geworden. Wir wollten doch gegen unsere ungerechte Behandlung protestieren!" - "Ja! Und wo sind die beiden kleinen Turnschuhe geblieben?" fragt einer der beiden Wanderschuhe. "Aus den Schnallen, aus der Sohle!" gibt einer der beiden Stiefel nun zum Besten. Das soll wohl soviel heißen wie "aus den Augen, aus dem Sinn".

Die Schuhe sind ratlos und auch ein bißchen faul. Das ist wohl so, wenn man lange herumliegt, daß man dann gar nicht wieder aufstehen mag. Zum Glück sind die Schuhe nicht aus Metall, dann wären sie ja vielleicht schon eingerostet. So sind sie nur ein bißchen eingestaubt und im Stiefel, den der hochhackige Damenschuh nicht mehr bewohnen darf, hat sich eine Spinne ihr Netz gewebt. Es ist nicht das einzige Tier, das es sich hier im Schuhschrank gemütlich gemacht hat. In der hintersten Ecke links im mittleren Schuhregal ist ein Nachtfalter eingezogen, und im untersten Fach des Schuhregals haust eine Maus. Da es draußen nachts langsam immer kälter wird, hat sie sich einen Weg ins Innere des Hauses gesucht und findet es hier im Schuhschrank ganz gemütlich. Bisher wurde sie noch von keinem der Bewohner des Hauses entdeckt. Nur Tessa hockt sich manchmal vor den Schuhschrank und will die Maus fangen. Doch bisher hat keiner der Bewohner Tessas Absichten erkannt. Sie finden es eher lästig, daß Tessa die ganze Zeit mitten im Weg vor dem Schuhschrank liegt, nur weil sie anscheinend einen Spaziergang machen will. "Was machen wir denn nun mit unserer Versammlung?" fragt der Stiefel, der schon das letzte Mal bei dem Treffen im Eingangsflur das Wort geführt hatte. "Laßt uns doch zuerst einmal gemeinsam die kleinen Turnschuhe suchen?" schlägt einer der Wanderschuhe vor, der sich immer wieder mit Sorgen um die kleinen Turnschuhe plagt. "Ja!" - "Nein!" - "Aber klar doch!" - "Was geht mich das an!" Und so weiter und so weiter geht es durcheinander im Schuhschrank her - bis der Stiefel mal wieder fest auftritt und für Ordnung sorgt.

"Jetzt ist es sowieso zu spät. Inzwischen ist unsere geliebte Geisterstunde - will sagen Schuhstunde - fast vorbei. Betrachten wir es eben als unsere wichtigste Aufgabe für die morgige Nacht, die kleinen Turnschuhe zu suchen und zu finden", schlägt der Stiefel vor. Damit scheinen alle einverstanden. Nur diejenigen, die sowieso nicht mitsuchen wollen, ziehen es lieber vor, zu schweigen. Morgen ist auch noch Zeit für Diskussionen.

Gute Nacht

zum 24. Januar 2012