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GUTE-NACHT/3526: Eine außergewöhnliche Bande - Teil  1 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Eine außergewöhnliche Bande



Es ist nicht einfach, gedrängt in einem Sack zu stecken. Auch nicht, wenn es sich nur um Schuhe handelt. So ein Schuh hat schließlich auch seine Vorstellungen, Wünsche und Vorlieben. Hier im Sack auf der Kellertreppe hat es deshalb trotz der dunklen Nacht noch immer keine Ruhe gegeben.

Eben beschwert sich der feine goldene Schuh, daß ihn die Schnalle des Wanderschuhs mächtig in die Seite drückt. Doch nicht nur die zartbeseidenen Schuhe stöhnen. Auch die festen Stiefel, die doch so einiges aushalten, finden ihren Platz ganz unten im Sack äußerst unbequem. Da ist es nicht verwunderlich, daß hier der eine Schuh und dort der andere ein wenig in die Seite gepufft wird. An Schlaf ist da gar nicht zu denken. Auch wenn alle Schuhe davon ein wenig nötig hätten. Schließlich steht ihnen eine große, noch unbekannte Reise bevor.

So langsam wird es auch dem letzte Schuh im Sack zu bunt. Alle geraten in Bewegung. Jeder versucht in dem Sack einen etwas gemütlicheren Platz zu ergattern. Ob das wohl gut geht? Der Sack scheint ein Eigenleben zu führen. Das ist sogar dem Kater des Hauses nicht geheuer. Darum steigt er heute lieber nicht die Kellertreppe hinab, um nach der kleinen Maus zu suchen, sondern er versucht sein Glück auf dem Dachboden. Dort lungern diese kleinen pelzigen Wesen ja auch des öfteren herum.

Gerade schreit einer der schwarzen Herrenschuhe entsetzt auf, hat sich doch so ein spitzer Pfennigabsatz eines Damenschuhs in sein weiches Leder gebohrt. Auweiha, der Sack scheint nicht mehr lange an seinem Platz zu bleiben. Es sieht bedrohlich danach aus, daß er gleich den Halt verliert und umfällt. Es fehlt nur noch ein kleiner Anstoß und der Sack stürzt hinab in die Tiefe.

Gerade ist einer der beiden kleinen Turnschuhe von einem alten Herrenschuh an die Seite gedrängt worden. Der Alte meinte, er kriege keine Luft mehr und müsse dringend durch das Loch im Sack hinaus. Da wird es auch dem Sack zuviel und er verliert das Gleichgewicht, überschlägt sich und stürzt die Kellertreppe hinunter. Das Plastik, aus dem der Sack besteht, ist nicht das Stärkste. Das dünne Material hält nicht viel aus. So reißt der Sack auf der Mitte der Treppe auf und die meisten Schuhe purzeln heraus.

"Auha", schreit es hier und "Verdammt" schreit es dort. Bald sind alle Schuhe irgendwo gelandet und schauen sich ihre Blessuren an. Es sind die kleinen Turnschuhe, die sich zuerst von dem Schreck erholt haben. Der kleine Rechte schaut sich um. Er kennt sich ja hier unten schon ein wenig aus. Hatte er doch seinen Bruder, den linken Turnschuh, hier unten gesucht. Diesmal ist der kleine Turnschuh ganz verwundert. Die Türen hier unten im Keller stehen ja auf. Das war das letzte Mal nicht der Fall. Neugierig schreitet er in einen der Räume hinein. Hier brennt sogar noch Licht. Sicher wurde es vergessen auszuschalten. Das kommt ja öfter mal vor.

Der kleine Turnschuh besieht sich den Raum, der die Waschküche ist, ganz genau. Da entdeckt er eine Klappe. Diese Klappe ist für die Katze bestimmt. Durch sie kann die Katze von der Waschküche aus in den vom Garten und auch wieder zurück ins Haus gelangen. Da hat der kleine Turnschuh eine tolle Idee und er posaunt sie sogleich in die Runde: "Hört mal zu, hört mal alle zu." Das Gestöhne der verletzten Schuhe läßt nach.

Der kleine Turnschuh blickt zu seinem linken Bruder und sagt: "Wir wollen doch hinaus in die Freiheit. Da brauchen wir gar nicht erst bis morgen zu warten. Kommt einfach alle mit. Wir brauchen ja zum Glück keinen großen Ausgang, um aus diesem Haus heraus zu kommen. Uns reicht die Katzenklappe."

"Woher willst du wissen, ob sie in die Freiheit führt?", fragt da einer der schwarzen Herrenschuhe, der noch niemals hier unten gewesen ist. "Wenn man einem kleinen Jungen gehört, kommt man eben viel herum. Toni hat so oft mit mir bei der Hintertreppe gespielt, die in den Keller führt, daß ich keinen Zweifel habe, daß wir jetzt an der Innenseite der Katzenklappe stehen. Dahinter ist die Freiheit."

Nach einem ersten Zögern kommen die Schuhe neugierig näher. Doch keiner traut sich so recht, den ersten Schritt aus dem Keller hinaus zu wagen. Da machen die kleinen Turnschuhe mutig den Anfang. "Kommt rufen sie dann durch die Klappe wieder in den Keller, "es geht hier wirklich in den Garten hinaus."

Jetzt wollen auch alle anderen Schuhe durch die Klappe hinaus in den Garten. Es kann nun allen nicht schnell genug gehen. Jeder will der erste im Garten sein. Und weil jetzt gleich drei Schuhe auf einmal durch die Klappe drängen, bleiben sie prompt stecken. Da braucht es wieder einmal die kleinen Turnschuhe, um von außen gegen zu drücken und den Durchgang wieder frei zu bekommen.

"Stellt euch doch alle in einer Reihe auf. Dann kann jeder ohne Probleme in den Garten wandern", schlägt der kleine Turnschuh vor, der das Schlangestehen schon von der Schule her kennt. Als dann aber die Stiefel an der Reihe sind, gibt es doch ein Problem. Sie sind einfach zu groß für diesen Ausgang. Doch auch für die Stiefel weiß der rechte kleine Turnschuh einen Rat: "Legt euch einfach der Länge nach hin. Die Wanderschuhe können euch dann ein wenig anschieben und so kommt auch ihr hindurch."

Gesagt getan. Bald haben alle Schuhe den Weg in die Freiheit gefunden. Alle freuen sich und sie entdecken wie schön es nachts draußen im Garten sein kann, wenn das Wetter mild ist und die Sterne den Nachthimmel überziehen. "Was ist das für ein Leuchten dort oben?", fragt ein Hausschuh den kleinen Turnschuh. Denn er hatte sich noch nie nachts in den Garten gewagt. "All das sind Schuhe, die verloren gegangen sind und die von da oben herunterwinken, damit sie einer findet."

Diese Tatsache beeindruckt den Hausschuh sehr. "Woher weißt du das?", fragt er den Turnschuh. "Ich habe das einmal so gehört", antwortet er. Dann aber hat er keine Zeit weitere Fragen zu beantworten. Denn jetzt übernehmen die Stiefel wieder das Kommando und haben für jeden der Schuhpaare etwas zu tun. Schließlich müssen sie alle schnell ein Versteck finden. Hier im Garten sind sie schließlich noch nicht aus der Reichweite ihrer vorherigen Besitzer. Alle sollen sich wirklich gut verstecken. Morgen Nacht wollen sie dann wieder zusammentreffen, um hinaus in die Welt zu wandern. Bis dahin:

"Gute Nacht."




zum 8. Februar 2012