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GUTE-NACHT/3662: Im Advent - Den Augenblick verschlafen (SB)



Oma war gestern mit Molly, dem Stoffschaf, in der Reinigung gewesen. Nach längerem Warten kam die Chefin endlich zurück und verhandelte mit Oma Mollys Säuberung. Oma ließ sich erklären, wie denn das Schaf sauber werden könnte, ohne es zu beschädigen. "Wir sind da ganz vorsichtig. Wir haben so ein neues Verfahren und es ist auch ganz ohne chemische Zusätze. Wir wollen unsere Möglichkeiten nämlich ausweiten und auch Kissen und Kuscheltiere reinigen." Das hörte sich für Oma gut an und sie vertraute Molly der Reinigungschefin an, nicht aber, ohne sich leise von Molly zu verabschieden und ihr zu versprechen, sie bald wieder abzuholen. "Könnten sie denn noch vor Weihnachten damit fertig werden?", fragte Oma. "Das ist ein bißchen knapp, aber wir haben ja an Heilig Abend morgens noch offen, da sollte das klappen. Aber lassen sie mir doch ihre Adresse oder Telefonnummer da. Sollte es nicht klappen, daß sie nicht unnötig vorbeikommen müssen." Das tat Oma.

Heute war Sonntag. Da mußte Molly wohl noch ausharren. Morgen früh, wenn Oma zum Bäcker gehen würde, wollte sie Molly wieder abholen.

Indess hockte Molly in der Reinigung. Noch am gleichen Tag hatte sich die Chefin das Schaf vorgenommen und ihre neuen Möglichkeiten an Molly ausprobiert. Sie war nicht ganz so sicher gewesen, ob denn alles auch funktionieren würde. Doch es hatte geklappt, bis auf das eine Wort, das in das linke Ohr geschrieben war, davon war nur noch der erste Buchstabe M übrig geblieben. Und so war Molly noch am gleichen Abend wieder sauber. Aber in eine Tüte sollte das Schaf noch nicht gesteckt werden. Molly war noch recht feucht.

Der beste Platz zum Trocknen, fand die Chefin, würde das Schaufenster sein. Dort zog es nämlich leicht. Außerdem konnte sie gleich noch ein Schild neben das Schaf stellen: "Wir bringen auch ihre Lieblinge wieder ins Reine". Das war eine gute Gelegenheit gleich für den neuen Geschäftszweig Werbung zu machen.

So fand sich Molly gleich schon am Samstag Abend im Schaufenster der Reinigung wieder und starrte auch noch den ganzen lieben langen Sonntag von dort auf die Straße. Leute gingen vorbei. Manchmal konnte Molly sogar ein paar Wortfetzen vernehmen. Die Kinder wurden angehalten nicht zu trödeln, obwohl es doch Sonntag war. Aber ihre Eltern wollten mit ihnen zum Weihnachtsmarkt und auch noch zum Schulbazar.

"Weihnachtsmarkt?", Molly wäre gern mit einem der Passanten mitgegangen. Dann hätte er das Schaf vielleicht auch wieder auf den Postkasten gesetzt und Olga hätte Molly endlich gefunden. Eine kleine imaginäre Träne floß Molly aus dem Auge.

Dieses ganze auf und ab vor dem Schaufenster machte Molly recht müde und so schlief sie ein, als es zu Dämmern begann, trotz der vielen Lichter im Fenster. Sie nahm keine Leute mehr wahr, die vorbeikamen. Auch nicht eine Frau mit ihrem Mädchen an der Hand, die ebenfalls auf ihrem Nachhauseweg an der Reinigung vorbei kamen. Dem Mädchen war kalt. Es mummelte sich noch tiefer in ihre Jacke mit der großen Kapuze ein. Nur die Mutter nahm die neue Reklametafel "... ihre Lieblinge wieder ins Reine" wahr. Sie erschrak, als sie das Stofftier daneben erblickte und zog ihre Tochter noch schneller an dem Schaufenster vorbei ...

Gute Nacht!

zum 23. Dezember 2018


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