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KALENDERGESCHICHTEN/001: 01-2011   Broder Eisbär in Not (SB)

© 2011 by Schattenblick

Broder Eisbär in Not

Weit und breit nur Wasser und Eisberge. Kaltes Wasser, sehr kaltes Wasser und noch viel kältere Eisberge. Aber Broder fror nicht. Er hatte ein dichtes Fell, das ihn wärmte. Außerdem konnte er sich noch an seine Mutter schmiegen. Sie war warm und gab ihm das Gefühl in Sicherheit zu sein. Eigentlich musste Broder keine Angst haben, denn als Eisbär zählte er zu den größten und gefährlichsten Tieren in der Arktis - so heißt das Land, in dem er mit seiner Mutter und noch anderen Eisbären lebte.

Aber Broder mochte das Eis nicht. Als er, kurz nachdem er auf die Welt gekommen war, seiner Mutter nörgelnd bekannt gab, dass er die Eisberge langweilig findet und er sie nicht leiden kann, war sie sehr überrascht. Eigentlich war sie nicht nur überrascht, sondern auch etwas verstört. Ein Eisbär, der Eis nicht leiden kann? Niemals zuvor hatte sie von einem der anderen Bären gehört, dass er das Eis nicht mochte. Mama Eisbär machte sich Sorgen, dass mit ihrem Kleinen etwas nicht stimmen könnte.

"Ob das wohl eine Art Krankheit ist, unter der Broder leidet, vielleicht eine Eisberg-Allergie?", überlegte sie. Da Broder aber mit einem kräftigen Appetit gesegnet und auch sonst ganz fidel war, vergaß sie ihre Bedenken. Broder tollte im Schnee und maulte nur hin und wieder über die Eisberge. Seine Mutter meinte dann: "Kleiner Broder, sei froh, dass die Eisberge noch da sind. Eisberge gehören zu unserer Heimat. Ich kann mir ein Land ohne sie gar nicht vorstellen!"


Seit einiger Zeit nun war im Eisbärland etwas nicht mehr so wie früher. Mama Eisbär war sehr besorgt. Die Eisschollen, auf denen sich die Eisbären bisher ungehindert bewegten, waren nicht mehr sicher. Sie lösten sich voneinander. Ab und zu kam es vor, dass eine große Scholle zerbrach. Als es einmal ganz übel zugegangen war, stand die Mutter auf der einen Hälfte und ihr Sohn auf der anderen. Die Strömung des Wassers trennte die beiden Hälften schnell voneinander und somit auch Mutter und Sohn. Natürlich war Mama Eisbär ins Wasser gesprungen und hatte versucht, auf die andere Eisscholle zu gelangen. Aber das war auch für sie nicht ungefährlich. Die Schollen wackelten und schwankten, so dass es sehr schwierig war, dort hinauf zu klettern.

Mama Eisbär betrachtete ein gerade herunterbrechendes Eisstück, dass sich von einem riesigen Gletscher löste. Das Wasser schlug hohe Wellen und spritze bis zu den beiden. Broder wurde ganz nass, seine Mutter schüttelte sich.

"Also, so etwas. Ich weiß bald gar nicht mehr, wo wir noch längs laufen sollen. Immer mehr Eis verschwindet." Mama Eisbär stellte sich auf ihre Hinterbeine, um besser sehen zu können. Sie konnte sich all das nicht erklären. In den Geschichten der alten Eisbären, die stets den jüngeren weitererzählt werden, wurde bisher nie von Eisbergen berichtet, die so schnell schmelzen.

Ein paar dieser Geschichten kannte auch Broder schon. Während er dem alten Geschichtenerzähler zuhörte, malte er sich aus, wie es wohl früher gewesen sein mochte. Er stellte sich riesige Eisberge und ebenso nicht enden wollende Eisschollen vor. Auch wurde erzählt, dass nur wenige Tiere hier lebten und - das wurde stets von den Alten besonders betont - man damals glücklicherweise ganz selten auf Menschen traf.

Menschen, das waren Wesen, die auf zwei Beinen liefen. Sie liefen wirklich die ganze Zeit auf nur   z w e i   Beinen! Broder bemühte sich das zu verstehen. Er selbst konnte sich nur kurze Zeit auf seinen Hinterbeinen halten. Dann auch noch zu laufen, erschien ihm ziemlich schwierig. Aber er nahm sich vor, es irgendwann einmal auszuprobieren.

Broder hatte noch keinen Menschen mit eigenen Augen gesehen und die alten Bären meinten, falls ihm jemals so ein Mensch begegnen sollte, wäre es besser für ihn, so schnell wie möglich wegzurennen. Menschen sind sehr gefährlich. Sie tragen Waffen bei sich. Mit denen können sie einen Bären töten, ohne dass sie sich ihm nähern. Aus weiter Entfernung! Ohne diese Waffen wären Menschen für Eisbären allerdings eine leichte Beute. Sie sind recht schwach und hilflos. Weder Zähne noch Klauen helfen den Menschen sich zu wehren. Eigentlich sind sie bemitleidenswert. Sie haben nicht einmal ein eigenes Fell. Deshalb stehlen sie es von den Bären oder von Wölfen. Wenn Menschen etwas für sich haben wollen, kennen sie keine Gnade. Immer endeten die Berichte über die Menschen mit dem Satz: "Wenn du einen Menschen triffst, dann lauf sofort zurück zu Mama!"

Da Broder bisher nie so ein Lebewesen gesehen hatte, das auf zwei Beinen ging und kein eigenes Fell trug, wollte er davon auch nichts wissen. Die Geschichten über die Jagd fand er viel interessanter und darüber vergaß er die Menschen. Broder hatte ständig Hunger. Deshalb wollte er unbedingt lernen, wie er sich etwas zu essen beschaffen kann.

Er war viel allein. Außer seiner Mama hatte er niemanden, mit dem er spielen konnte. Wie gerne hätte er einen Spielkameraden gekannt. Broder beschloss, auf die Suche zu gehen. Vielleicht träfe er ein anderes Eisbärkind oder ein anderes Tier, das Lust hätte, mit ihm zu tollen. Noch fehlte ihm der Mut dazu, aber irgendwann würde er sich auf den Weg machen. So hatte er noch viel Zeit zum Grübeln.

Manchmal dachte Broder, er sei schuld daran, dass die Eisberge schmelzen. Schließlich mochte er sie nicht und hatte schon so oft geschimpft: "Oller, blöder Eisberg, warum stehst du da so herum? Mitten im Weg!"

Einmal erzählte Broder seiner Mutter davon.

"Nein, Broder, ich glaube nicht, dass die Eisberge deshalb schmelzen", versuchte seine Mutter ihn zu beruhigen.

"Aber vielleicht sind sie traurig und weinen, weil ich so gemein zu ihnen bin. Und wenn man weint, ich meine, wenn man ein Eisberg ist und weint, dann schmilzt man doch oder?", überlegte Broder weiter.

"Kleiner Broder, du machst dir zu viele Sorgen. Du bist noch so klein und solltest lieber spielen und Abenteuer erleben. Leider leben hier bei uns nicht mehr viele Eisbärenmütter mit Kindern. Wir sind nur noch wenige. Wenn ich dir nur helfen könnte ...", brummte seine Mutter ihm zärtlich ins Ohr.

Jetzt war Broder sich ganz sicher. Gleich morgen früh wollte er aufbrechen und einen Freund suchen. Am nächsten Morgen trank Broder sich noch einmal richtig satt bei seiner Mutter, schmiegte sich an sie und tat so, als würde er wieder einschlafen. Er wartete noch eine kleine Weile, bis seine Mutter auch wieder schlief, und dann verließ er die Schneehöhle.

Draußen blendete ihn das grelle Weiß. Er blinzelte und es dauerte ein wenig, bis er sich daran gewöhnt hatte. Weiß, rundherum war alles weiß und schien endlos zu sein.

"Wo soll ich denn nun hinlaufen? Es sieht überall gleich aus. Oh, ich habe eine Idee. Die Höhle sollte immer hinter mir sein. Wenn ich mich umdrehe, dann gehe ich geradewegs wieder nach Hause. Ja, so wird 's gehen", redete Broder mit sich selbst.

Dann stapfte er los. Das strengte ihn ganz schön an. Manchmal reichte ihm der Schnee bis zum Kinn. Dann musste er springen, um die nächsten Schritte zu gehen. Aber das funktionierte nicht so, wie Broder sich das gedacht hatte. Denn kaum war er hoch gesprungen, versank er bei seiner Landung auch schon wieder im Schnee. So hopste Broder eine ganze Weile, dann plötzlich wurde der Untergrund fester. War er vielleicht schon auf einer Eisscholle gelandet?

Und was war das? In der Ferne sah er zwei kleine schwarze Wesen, die in die Höhe ragten. Sie sahen überhaupt nicht aus, wie er. Überhaupt nicht. Ganz langsam und leise schlich Broder sich weiter. Dabei gab er acht, dass die beiden ihn nicht bemerkten. Ein kleiner Schneehügel kam ihm zu Hilfe. Hinter diesem konnte er sich verstecken und die schwarzen Wesen beobachten.

Broder erschrak. Jetzt konnte er es ganz genau erkennen. Sie standen auf zwei Füßen und sie liefen auch mit diesen zwei Füßen. Ja, und sie blieben dabei die ganze Zeit aufrecht stehen. Ganz deutlich konnte Broder jetzt sehen, dass sie kein Fell trugen. Waren das etwa die gefürchteten Menschen? Er verkroch sich weiter hinter dem Schneehügel und augenblicklich fiel ihm die Warnung der alten Eisbären wieder ein: "Wenn du einen Menschen triffst, dann lauf sofort zurück zu Mama!"

Jetzt wurde es für Broder wirklich schrecklich. Er hatte gar nicht bemerkt, wie lange er schon unterwegs war. Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt und die Umgebung sah nun irgendwie ganz anders aus. In welche Richtung sollte er laufen, um zurück zur Höhle zu gelangen?

Er wollte es gar nicht, aber er weinte. Erst ganz leise und dann immer lauter und verzweifelter. Jetzt war ihm alles egal. So laut er konnte rief er: "Mama, Mama, bitte hole mich von hier fort. Mama, bitte hilf mir, ich will nach Hause, Mamaaaa ...!"

© 2011 by Schattenblick

Ingo und Ingwer wollten sich gerade auf den Weg machen. Eigentlich waren sie auf der Suche nach einer geeigneten Stelle, die ihrer Familie Schutz bieten könnte. Doch diese Fläche war nicht gut genug, befanden sie. Plötzlich hörten sie dieses merkwürdige Geräusch.

"Hey, Ingwer, hörst du das auch?"

"Du meinst diese Mischung aus Weinen und Rufen?"

"Ja, sei mal still. Aus welcher Richtung ..."

"Da, dorthin sollten wir gehen", meinte Ingwer überzeugt.

Ingwer watschelte eilig vorweg, Ingo folgte ihm. Bald sahen sie den kleinen Bären weinend hinter einem Schneehügel.

"Sieh nur, ein Eisbärbaby", flüsterte Ingo.

"Oh ja, der ist wirklich noch ziemlich klein. Ohne seine Mutter dürfte er eigentlich gar nicht hier sein", überlegte Ingwer laut.

"Lass uns lieber vorsichtig sein, bestimmt ist sie ganz in der Nähe und sucht etwas Essbares. Sie kommt sicher gleich wieder und holt ihr Baby ab", behauptete Ingo. Ihm war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, gleich einer besorgten Eisbärmutter gegenüberzustehen. Er wusste nur zu gut, wie wütend Eisbärmütter werden konnten. Außerdem wollte er nicht von ihr gefressen werden.

Ingwer stimmte ihm zu. Doch er schlug vor, dass sie sich in der Nähe - aber in sicherer Entfernung - aufhalten sollten, um zu sehen, ob das Eisbärbaby tatsächlich abgeholt würde. Es war ihnen unmöglich, den kleinen Kerl allein zu lassen, ohne im Notfall zu helfen. So warteten sie eine geraume Zeit, aber die Eisbärenmutter kam und kam nicht. Ingwer und Ingo nickten sich zu und marschierten in Richtung des kleinen Eisbären.


Broder hatte all das gar nicht bemerkt. Er war in seinem Kummer gefangen und konnte vor lauter Tränen gar nicht mehr richtig sehen. Und er war müde, so unendlich müde. Doch er fürchtete sich davor einzuschlafen. Er legte seinen Kopf auf die Vorderpfoten und wusste nicht mehr weiter.

Da, was war das? Hörte er da nicht Geräusche auf dem Eis? Schwapps, schwapps, platsch, platsch ... Was mochte das sein? Er hob seinen Kopf und reckte die Nase weit vor. Er roch etwas, aber wusste noch nicht, wen oder was er da roch. Vielleicht war das der Geruch der Menschen? Broders Herz pochte wie wild. "Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben", bedauerte er nun seinen Entschluss, sich auf den Weg zu machen, um einen Freund zu finden. Er zitterte vor Angst.

"Ingwer, ich glaube der Kleine fürchtet sich vor uns", meinte Ingo, als er Broder erblickte.

"Hey, Kleiner, was machst du denn hier so ganz allein?", sprach Ingwer ganz sanft zu dem kleinen Bärenkind.

"Bi, bi, bist, bist du ein Mensch?", platzte es aus Broder heraus. Dabei drängte er sich noch ein wenig dichter an den Schneehügel.

"Nein, nein, ich bin ..., wir sind keine Menschen. Die sind viel, viel größer als wir", erklärte Ingwer mit ruhiger Stimme. "Wir sind Pinguine und wohnen hier in der Nähe.

"Oh, Pinguine ... Seid ihr gefährlich?"

"Nein, ganz sicher nicht. Wir sind hier, weil wir dein Weinen gehört haben und nachsehen wollten, ob wir dir helfen können", versicherte Ingwer.

"Ich, ich, ich habe gar nicht geweint ..., na ja, vielleicht ein klein wenig", grollte Broder leise.

"Und wenn schon, das macht doch nichts. Ich würde auch heulen, wenn ich ganz alleine wäre", versuchte nun Ingo den Kleinen zu trösten.

"Na dann ..., hallo, Pinguine. Ich heiße Broder und ihr ...?"

"Also, das ist Ingo und ich bin Ingwer! Aber sag' mal Broder, wie können wir dir denn jetzt helfen? Wir müssen nämlich auch schleunigst zurück zu unserer Familie. Das ist viel zu gefährlich für uns, zu zweit so weit fort zu gehen. Wir wollten nur ganz schnell mal nach einem guten neuen Platz für uns sehen. Leider fanden wir keinen. Nun sind wir spät dran", erklärte Ingwer die Situation.

"Ich weiß auch nicht genau. Also, ich bin losgelaufen und wollte darauf achten, dass meine Höhle immer direkt hinter mir ist, so dass ich nur umdrehen muß und geradeaus wieder nach Hause finde. Nun sieht aber alles ganz anders aus. Und ihr beide habt mich so erschreckt, weil ich doch dachte, ihr seid Menschen ... und da habe ich ganz vergessen aus welcher Richtung ich gekommen bin", schluchzte Broder leise.

"Das ist wirklich schlimm. Aber lass mich mal überlegen. Am besten wird es sein, wir nehmen dich mit zu uns. Dort können wir dich beschützen. Morgen, wenn es heller ist, machen wir uns auf die Suche nach deiner Mutter", schlug Ingwer vor.

"Ja, ich glaube, dass sie hier irgendwo ganz in der Nähe sein müsste. Du bist noch viel zu klein und hast sicher noch keine so weite Strecke hinter dir", unterstützte Ingo seinen Pinguin-Freund. "Ich bin sicher, dass wir sie finden!"

Einen kleinen Augenblick überlegte Broder, ob er mitgehen sollte. Ingwer schien das zu bemerken: "Broder, wenn du dich fürchtest, weil du uns ja noch nicht kennst, dann bleiben wir eben hier bei dir und passen auf dich auf."

Broder erinnerte sich, dass die beiden ja selbst lieber schnell zu den anderen Pinguinen gehen würden, weil sie sich fürchteten, und fand den Vorschlag, trotzdem bei ihm zu bleiben, ziemlich mutig von ihnen. Also sagte er: "Nein, nein, nicht nötig. Ihr braucht nicht hier zu bleiben. Ich komme mit euch."

Ingo und Ingwer watschelten im Pinguintempo los und Broder hielt sich dicht neben ihnen. Sie rutschten einen kleinen Eisberg hinunter auf eine Ebene zu. Dort standen viele, viele Pinguine - sie sahen alle so aus wie Ingo und Ingwer. Von der Menge ging ein erleichtertes Rufen aus: "Ingwer, Ingo, na endlich, wir haben uns schon Sorgen gemacht. Kommt jetzt, wir wollen den Kreis schließen für die Nacht."

"Wir kommen, wartet auf uns ...", riefen die beiden aus voller Kehle.

Sie erreichten die anderen Pinguine und die waren nicht wenig überrascht, als sie das Eisbärbaby entdeckten.

"Wer ist das denn?", wollte einer der älteren Pinguine wissen.

"Das ist Broder. Er kann seine Mutter nicht wiederfinden. Wir möchten gerne heute Nacht auf ihn aufpassen und ihm morgen beim Suchen helfen", erklärte Ingo und Ingwer nickte.

"Nun ja, dann kommt mal her und sucht euch in der Mitte ein Plätzchen zum Schlafen."

Gesagt, getan. Die großen Pinguine reihten sich um sie herum und bildeten so einen Schutzwall. In der Kreismitte war es wärmer, weil der Wind nicht mehr bis hier hin wehen konnte. Es dauerte gar nicht lange, und Broder war eingeschlafen. Zwar knurrte sein Magen ganz fürchterlich, aber die Müdigkeit war stärker als der Hunger.

Am nächsten Morgen löste sich der Kreis der großen Pinguine wieder auf und kalte Schneeflocken umtanzten Broders Nase. Er musste zweimal ganz laut niesen, stellte sich auf seine vier Pfoten und hielt nach Ingwer und Ingo Ausschau.

"Die sehen ja alle gleich aus. Wie soll ich denn da die beiden finden?", brummte er halblaut vor sich hin. Aber das brauchte er gar nicht. Sie kamen geradewegs auf ihn zu.

"Na, Broder, wie steht 's, wollen wir uns auf den Weg machen?", erkundigten sich beide Pinguine zugleich.

"Ja, schon, aber ich habe solchen Hunger", gab Broder etwas verlegen zu verstehen.

"Was essen denn Eisbärbabys", wollte Ingwer wissen.

"Ich trinke die leckere Milch von meiner Mama", erklärte Broder etwas verwundert darüber, dass das nicht jeder weiß.

"Hast du noch nie etwas anderes gegessen", fragte Ingo neugierig.

"Nein, noch nie, aber ich habe schon ganz viele Geschichten gehört, Geschichten von der Jagd. Wenn ich groß bin, will ich auch jagen ...", Broder sprach nicht weiter.

"Ist ja gut, kleiner Bär. Also, bei uns gibt 's nur ein wenig Fisch. Den kannst du gerne probieren. Ingo reichte ihm ein kleines Stückchen und Broder aß vorsichtig davon.

"Mmmh, das ist gut, kann ich noch mehr haben?"

Ingo langte hinter sich und hielt Broder noch ein Stückchen Fisch hin. Nachdem Broder und auch die beiden Pinguine sich gestärkt hatten, machten sie sich auf den Weg. Die alten Pinguine hatten ihnen den Rat gegeben, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Genau das taten sie. Nach einer ganzen Weile wurde der Untergrund wieder weicher. Broder sank immer tiefer in den Schnee. Ingwer und Ingo blieben irgendwann stehen.

"Wie wäre es, wenn du jetzt mal ganz, ganz laut rufst", schlug Ingwer vor. Vielleicht hört dich deine Mutter schon. Ich glaube nämlich, dass wir ganz in der Nähe deiner Höhle sind."

"Außerdem können wir dich nicht mehr weiter begleiten. Der Schnee ist zu tief und zu weich für uns", gab Ingo zu bedenken.

"Mama, Mama, hörst du mich, bitte komm doch, hier bin ich. Maaamaaa, komm bitte, ich will nach Hause ...", brüllte Broder, so laut er konnte. Nach einer kleinen Pause holte er tief Luft und brüllte noch einmal und noch einmal. Nichts war zu hören, keine Antwort. Broder legte sich in den Schnee und legte den Kopf auf die Pfoten. Er sah ganz traurig aus.

"Ruf noch einmal, ich bin sicher, sie hört dich. Nur Mut, kleiner Bär", bemühte sich Ingwer ihn aufzumuntern.

Plötzlich hörten sie ein Brüllen in einiger Entfernung. Wenig später konnten sie verstehen, was gerufen wurde: "Broder, wo bist du? Broder, wo bist du ...?", hörten die drei es nun ganz deutlich. Broder sprang auf, holte ganz tief Luft und rief: "Maaamaaa, hiiieerrr, hier bin ich!"

Einige Augenblicke später sah Broder seine Mutter, hüpfte in die Höhe und versank im Schnee, sprang wieder hoch - doch da hatte sie ihn schon erreicht.

"Hallo, mein Kleiner. Was ist denn in dich gefahren, einfach wegzulaufen ohne Bescheid zu sagen? Ein Glück, dass dir nichts passiert ist! Dir ist doch nichts passiert, oder?", wollte Mama Eisbär nun wissen.

"Nein, es ist alles gut. Ich habe zwei Freunde gefunden, die haben auf mich aufgepasst. Und sie haben mir geholfen, wieder nach Hause zu finden!"

"Ja, aber wo sind denn deine Freunde, ich kann niemanden sehen?"

Broder drehte sich um und ... wo waren die beiden? Gerade standen sie doch noch direkt hinter ihm.

"Wir müssen die beiden rufen, ich glaube sie haben Angst vor dir. Wir sagen ihnen, dass sie kommen können, dass du die liebste Mama bist und sie sich nicht fürchten müssen", befahl Broder entschlossen und brüllte auch schon los: "Ingo, Ingwer, kommt her. Bitte."

Seine Mutter zögerte einen Moment, dann rief auch sie ganz laut: "Ingo, Ingwer, kommt doch bitte, wir wollen uns bei euch bedanken. Broder sagt, ihr seid seine Freunde und seine Freunde sind auch meine Freunde."

Dann sah Broder die beiden ein Stück weiter hinten stehen. Er lief auf sie zu und seine Mutter folgte ihm ganz langsam. Broder machte sie miteinander bekannt und dann schlug Mutter Eisbär vor, dass sie ja noch etwas zusammen spielen könnten.

"Oh ja, ich weiß auch schon was ...", beeilte sich Ingo zu sagen und drehte sich um, lief eine kleine Strecke und kam wenig später zurück. Um seinen Hals baumelte ein kleines Stückchen Tau. "Das haben wir vor einiger Zeit hier gefunden. Vielleicht haben Menschen es hier vergessen. Ist aber ungefährlich. Damit können wir Seilspringen spielen. Weißt du wie das geht?"

Broder kannte "Seilspringen" nicht, aber Ingo erklärte es ihm. Die beiden Pinguine fassten je ein Seilende und schwangen das Seil herum. Broder sprang hinüber und freute sich. Auf seinem Weg durch den Schnee hatte er ja springen und hüpfen gelernt. Jeder durfte mal springen. Ingo und Ingwer konnten zwar nicht ganz so hoch hüpfen, aber das war ja auch nicht wichtig.

Sie tollten schon eine ganze Weile, als Mutter Eisbär hinzukam und für die drei Freunde eine Überraschung in ihrem Korb mitbrachte. Es war eine große Schachtel Erdbeer-, Vanille- und Schokoladeneis. Richtiges Eis zum Essen. Das war köstlich. Als alles aufgegessen war, meinte Broder: "Du, Mama, wenn alle Eisberge aus solchem Eis wären, mmmh, das wäre lecker!"

Nachdenklich und etwas besorgt blickte Mutter Eisbär auf ihren Kleinen und dachte bei sich: "Nicht nur unser Land, die Arktis, verändert sich, nein, auch die Eisbären werden immer merkwürdiger ..." Dann lachte sie leise und umschlang ihren Broder zärtlich mit den Pfoten.



11. Januar 2011