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KALENDERGESCHICHTEN/118: 12-2020   Spuk und Tränen - wieder zu Hause ... (SB)


Rumtrum steht als Mammut vor seinem alten Haus, das viel kleiner ist als er - Buntstiftzeichnung: © 2020 by Schattenblick

Rumtrum wurde von Trovje dem Garstigen in ein Gittergefängnis gesperrt, in dem kein Zauber wirken konnte, mit dem er sich hätte befreien können. Als der Troll den Felsen erhob, um ihn auf den kleinen Hausgeist in Gestalt des Mammuts niedersausen zu lassen, erschien in letzter Sekunde die Trollfrau als mausgroßer Winzling am Vorderfuß des Mammuts.

Das war Rettung in letzter Sekunde! Die Trollfrau ließ ihren Mann Trovje den Garstigen mitten in seiner Wurfbewegung erstarren, gerade so als hielte sie damit auch die Zeit an. Dann nahm sie wieder ihre normale Größe an und ließ das Gittergefängnis verschwinden. Rumtrum war außer sich vor Freude und total erleichtert. Doch als er den erstarrten Troll mit dem Felsbrocken in der Hand erblickte, wurde ihm angst und bange. In was für eine große Gefahr war er geraten? Gehörte so etwas zum Bösesein dazu? Das war ihm nicht geheuer. So wollte er nicht werden, nein, dann lieber als Hausgeist sich kleine oder etwas größere Gemeinheiten ausdenken, um die Bewohner zu erschrecken.

Was er hier gerade erlebt hatte, wollte er nicht erlernen. Einen Augenblick zögerte er noch, dann aber seufzte er und blickte die Trollfrau an: "Lass mich bitte erst schnell verschwinden, bevor du Trovje aus seiner Erstarrung befreist, denn er ist schrecklich böse auf mich. Ich will nicht mehr länger hierbleiben und das Bösesein will ich auch nicht mehr lernen. Bitte kannst du mich nicht ganz einfach wieder nach Hause schicken?", bettelte Rumtrum, "ich habe mich an unseren Pakt gehalten und alles getan, was du mir aufgetragen hast, aber dabei nur Schimpf und Schande geerntet und jetzt fürchte ich mich!"

"Ich finde, du hast eine gute Entscheidung getroffen, denn ich sage dir, Trovje kann noch viel wütender werden, o ja", wiegte sie ihren Kopf hin und her. "Also gut, ab mit dir nach Hause. Deine Bitte sei dir gewährt und kümmere dich gut um dein Haus. Wenn die Menschen ihr Heim schlecht behandeln, darfst du gern böse sein und mal richtig zeigen, was du als Geist vollbringen kannst, um sie zu erschrecken oder sie zu vertreiben. Sie werden als böser Geist von dir sprechen. Siehst du, Rumtrum, du brauchst gar nichts weiter zu lernen. Also nun denn, lebe wohl." Kaum hatte sie das ausgesprochen stand der kleine Hausgeist auch schon vor seinem Haus, denn hineinpassen würde er mit Sicherheit nicht - er war immer noch in Gestalt des Mammuts!

Die alten Hausgeister waren aufs heftigste erschrocken, aber nicht nur sie. Der Junge und das kleine Mädchen, die es sich im oberen Zimmer lümmelig gemütlich gemacht hatten und in ihren Büchern lasen, stierten beide ungläubig die Fenster an, hinter denen es plötzlich ganz finster wurde. Der Junge erhob sich und presste seine Nase gegen die Glasscheibe. Was er da sah, konnte er nicht glauben. Er rief nach seiner Schwester: "Siehst du auch, was ich sehe?"

"Oh ja, toll, ein Mammut, gerade so eines wie in deinem Buch, das ist ja was, das muss ich gleich Mama zeigen. Ein Mammut vor unserer Haustür", begeisterte sie sich. Flugs rannten die Geschwister die Treppe hinunter in die Küche, um der Mutter und der Großmutter, die dort gerade Kartoffeln schälten, von dem Mammut zu berichten. Doch die beiden Frauen nickten nur und meinten: "Ja, ja, sicher, ein Mammut. Ihr wisst aber schon, dass die schon lange ausgestorben sind?" - "Ja, sicher", wurde dem Jungen nun auch auf einmal klar, "aber, Mama, geh doch vor die Tür, es steht dort doch wahrhaftig!" Die Mutter schüttelte nur ihren Kopf: "Vielleicht solltest du andere Bücher lesen, nicht nur über Dinosaurier und solche Sachen."

Rumtrum indessen war entsetzt und wurde ganz verzagt, denn er war sich nicht sicher, ob er die Frist eingehalten hatte, in der er eine neue Gestalt hätte annehmen müssen. Mit einem mulmigen Gefühl begann er ganz stark daran zu denken, wieder ein Geist zu sein. Es dauerte nicht lange und es war glücklicherweise viel einfacher als er befürchtet hatte - schwuppsdiwupps war er wieder er selbst, also ein kleiner gewöhnlicher, unsichtbarer Hausgeist und er fühlte sich großartig.

Sofort gesellte er sich zu den alten Hausgeistern, die ihn völlig verdaddert anblickten: "Rumtrum, wie kommst du denn hierher? Das ist aber, oh, wie wunderbar und dir ist wirklich kein Leid geschehen", freuten sich die Geister. "Aber Rumtrum, wir haben hier ein Problem, eines das dem Haus gefährlich werden könnte. Draußen steht ein riesiges Mammut und vielleicht rennt es das Haus nieder, wer weiß denn schon, was so ein Tier vorhat!", überlegte sich der Älteste. "Ach, sorgt euch nicht, das Mammut ist verschwunden, das steht sozusagen vor euch." Das konnten die Hausgeister natürlich nicht verstehen und so begann Rumtrum ihnen sein ganzes Abenteuer zu berichten.

Die Kinder hatten in der Zwischenzeit ihre Mutter so bedrängt, dass sie ihr Kartoffelschälmesser in die Schüssel fallen ließ, sich erhob und von beiden Kindern an den Händen gezogen vor die Haustür trat. Doch was war das? Wo war das Mammut? Bruder und Schwester sahen sich an und beteuerten, dass sie beide dort wirklich ein Mammut gesehen hatten. Die Mutter schimpfte diesmal nicht mit ihnen, sondern lächelte: "Denkt euch das nächste Mal vielleicht ein kleineres Wesen aus." Sie glaubte, ihre Kinder hätten sich mit ihr einen Spaß erlaubt.

Verstört stiegen die Geschwister die Treppe zum oberen Zimmer hinauf und wussten dazu nichts mehr zu sagen als dass sie sich sicher waren, dort unten vor dem Haus dieses urzeitliche Tier gesehen zu haben. Aber sie sollten noch andere Merkwürdigkeiten in ihrem Haus erleben, denn Rumtrum machte noch so manchen kleinen Spuk für sie. Wer weiß, vielleicht würde er sich ihnen sogar eines Tages zeigen, da er jetzt ja wusste, wie er sich eine Gestalt geben könnte, die die Kinder auch erkennen würden.

***


Nachdem der kleine Hausgeist das Troll-Land verlassen hatte, ereignete sich dort folgendes:

Kaum war der Geist von dort verschwunden, befreite die Trollfrau ihren Mann aus dem Bann und die Zeit verstrich wieder in gewohnter Geschwindigkeit. Trovje schimpfte sofort los und ließ den Felsen mit einem mächtigen Rums fallen und wunderte sich. "Wo ist dieser kleine, hinterhältige, gemeine Wicht?", brüllte er seine Frau an, "und was machst du hier überhaupt? Was hast du hier zu suchen?"

"Ich habe mir erlaubt, den Hausgeist zu befreien und ihn wieder nach Hause zu schicken", erklärte sie ihm ganz ruhig. "Wie konntest du nur, du weißt ja gar nicht, was er mir angetan hat, wie konntest du diesem Lump nur helfen? Frau, ich versteh dich nicht", beschwerte sich Trovje.

"Ich will es dir erklären, er hat dir überhaupt nichts angetan. Er ist einfach ein kleiner, dummer Hausgeist, der gerne Abenteuer erleben wollte und davon überzeugt war, dass es dazu des Böseseins bedarf. Keine Ahnung hatte er! Und als er selbst nun in diese bedrohliche Lage kam, in die du ihn gebracht hast und er fest damit rechnete, du würdest ihn mit dem Felsen erschlagen, wollte er nur noch fort, fort von hier, wieder in sein Haus, das er fortan als würdiger Geist beschützen will. Dafür ist es aber nicht erforderlich, Kiesel in Felsen zu verwandeln, um sie dann auf Dörfer oder Häuser zu werfen."

"Aber Frau, er hat mich betrogen, er behauptete von mir lernen zu wollen und war dennoch fähig einen winzigen Kiesel in diesen Felsbrocken hier zu verwandeln. Ja, das war schrecklich gemein, so als wollte er mich zum Narren halten oder mir zu verstehen geben, dass er viel besser zaubern kann als ich. Das ist, das ist ... mir fehlen die Worte, ich platze gleich vor Wut!", tobte Trovje.

Da nahm die Trollfau seine Hände und sprach: "Ich habe dir doch eben gesagt, der kleine Hausgeist hat gar nichts getan. Ich war es, ich habe den Kiesel verwandelt. Ich habe dir mit Hilfe des kleinen Hausgeistes eine Lehre erteilen wollen. Du solltest dich so richtig darüber ärgern, dass dein Lehrling ohne dein Zutun bereits in der Lage war, den Kiesel in einen prächtigen Felsen zu verwandeln."

"Aber, Frau, warum denn, das verstehe ich nicht!" - "Na ja, ich wollte dir zeigen, dass es völlig unwichtig ist, wer der böseste Troll oder der größte Zauberer ist, dass ein Wettstreit total überflüssig ist. Du weißt doch was du kannst und ich weiß es auch, also wozu prahlst du ständig mit deinem Können? Wichtig ist doch nur, dass du mit deinen Fähigkeiten unser Troll-Land beschützen kannst."

Der Troll war so erstaunt, dass er seiner Frau bis zu Ende zuhörte, ohne sie zu unterbrechen. Er wiegte seinen Kopf hin und her und meinte schließlich: "Sag` mal, kannst du wirklich so gut zaubern? Das habe ich all die vielen Jahrhunderte nicht gewusst. Du hast nie etwas darüber gesagt."

"Das spielt auch keine Rolle, das ist das, was ich dir die ganze Zeit zu verstehen geben will. Du bist mir lieb und wert, auch wenn du nicht der größte und böseste bist. Du brauchst dich vor mir nicht zu beweisen. Ehrlich gesagt, mir geht deine Prahlerei schon manchmal ziemlich auf die Nerven." Trovje der Garstige tat nun etwas, was er seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte, er umarmte seine Trollfrau.

Ende


19. November 2020


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