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VORSICHT/001: Gefahren bei der Erdölförderung (SB)


Gefahren bei der Erdölförderung

Am Beispiel der "Deepwater Horizon"-Katastrophe



Am 20. April 2013 jährte sich die Umweltkatastrophe, die durch die Explosion und den Untergang der Ölplattform "Deepwater Horizon" ausgelöst wurde, zum dritten Mal. Damals strömte Öl in riesigen Mengen aus und im Golf von Mexiko kam es zu einer verheerenden Ölpest. Das wollen wir zum Anlass nehmen und versuchen, ein paar Fragen aufzuwerfen. Nicht jeder weiß, wie eine Ölbohrung im Wasser funktioniert, wo die Risiken liegen, wie es zu einem Unfall kommen kann und welche Folgen all das für Mensch, Tier und Umwelt hat.


Was ist damals geschehen?

Etwa 1.500 Kilometer unter dem Meeresspiegel befand sich das Bohrloch der Bohrinsel, auf der eine Explosion stattgefunden hat. Diese war so gewaltig, dass dabei 11 Arbeiter getötet und 17 verletzt wurden. Die Öl-Plattform stand in Flammen, das Feuer konnte nicht gelöscht werden und so versank sie zwei Tage später im Ozean. Über einen Zeitraum von 87 Tagen strömten 4,9 Millionen Barrel Öl ins Meer (1 Barrel = 158,99 Liter), also ca. 780 Millionen Liter! In Zeitungen, Fernsehen und Radio wurde viel über die Bohrinsel mit dem Namen "Deepwater Horizon" berichtet, denn hier fand eine der größten Umweltkatastrophen unserer Zeit statt. Unzählige Tiere verendeten, der Fischfang wurde ein ganzes Jahr lang gesperrt und die Langzeitfolgen werden immer noch untersucht.

Noch heute ist man sich nicht einig darüber, wie es genau zu diesem Unfall kommen konnte. Sicher ist nur, dass ein Sicherheitsventil nicht so funktionierte, wie es eigentlich sollte. Vom US-Kongress wurde eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis führte, dass menschliches und technisches Versagen den Untergang der Bohrinsel verursachten. Das zeigt, dass auch bei ausgereifter Technik keine Garantie auf ein einwandfreies Funktionieren gegeben werden kann.

Bei der "Deepwater Horizon" handelte es sich um eine Explorations-Plattform. Das bedeutet, dass sie dazu diente, Ölvorkommen zu entdecken, eine Probebohrung durchzuführen und bei Erfolg das sprudelnde Bohrloch wieder zu verschließen. Später sollte dann eine Ölförderplattform an Ort und Stelle gebracht werden. Von dort aus wäre dieses Bohrloch erneut geöffnet worden, um mit der Förderung des Öls zu beginnen.

Ölbohrungen sind stets mit Risiken verbunden. Die "Deep Water Horizon"-Katastrophe ist ein schreckliches Beispiel für die schwerwiegenden Folgen für das Meer, die Tiere, die Pflanzen, die Menschen und die Umwelt.


Warum muss nach Öl gebohrt werden?

Das Erdöl wird gebraucht, um zu heizen, Motoren zum Laufen zu bringen, Flugzeuge fliegen zu lassen, die verschiedensten Kunststoffe herzustellen, die uns in Gestalt von Kleidung, Schuhen, Computern, CD-Playern und noch vielem mehr begegnen. Nachdem das Öl gefördert ist, wird es in sogenannten Ölraffinerien zu den entsprechenden Treibstoffen (Brennstoffen) verarbeitet. Was aus dieser Produktion übrig bleibt, wird weiter verarbeitet; zum Beispiel wird daraus Schmieröl hergestellt. Ein großer Anteil davon wird auch der chemischen Industrie zugeführt, die daraus beinahe alles produziert, was wir als chemische Mittel und Stoffe kennen, von Gartenstühlen aus Plastik bis zu Arzneien.


Wo kommt das Öl überhaupt her?

Öl ist vor mindestens 1,5 Millionen Jahren entstanden. Damals haben Bakterien die Überreste der verschiedensten abgestorbenen Pflanzen und Tiere zersetzt. Unter hohem Druck, der durch Landmassen oder Wassermassen erzeugt wurde, die sich darüber ansammelten, entstanden die heutigen Ölvorkommen. (Selbstverständlich sind diese Vorgänge im Detail viel komplizierter, doch das würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen.) An bestimmten Stellen unter der Erde haben sich in verschiedenen Tiefen mehr oder weniger große Ölreservoirs gebildet. Auch unter dem Meeresboden, denn der ist nichts anderes als Erdoberfläche, nur dass er von Wasser bedeckt ist, findet man solche Öllager.

Die Bakterien in unserer Zeit zersetzen natürlich auch noch abgestorbene Pflanzen und Tierkadaver in kleine Bestandteile. Doch daraus entsteht kein Öl. Denn das passiert erst, wenn ein hoher Druck wirken kann. Wie gesagt, wenn zum Beispiel Gesteinsmassen oder auch Wasser auf diesen zerlegten kleinen Bestandteilen lasten würden. Dann könnte diese Masse zu Öl gepresst werden. Allerdings dauert das sehr lange, Millionen Jahre. Deshalb sammeln sich in unserer Zeit keine neuen Ölvorkommen an, die wir nutzen könnten.

Der weltweite Ölverbrauch wächst ständig weiter. Man nimmt an, dass die Ölvorräte in der Erde bald nicht mehr reichen werden, um den steigenden Bedarf an Öl zu decken. Aus diesem Grund planen Ölförderunternehmen, auch das schwer erreichbare Öl unter dem Meeresboden zu fördern. Dort sollen sich noch große Ölfelder befinden. Einige Probe-Bohrungen wurden bereits durchgeführt. In wirklich großer Tiefe werden die Bohrungen allerdings immer schwieriger. Kein Mensch vermag dort einfach hinab zu tauchen. Er würde von den Wassermassen erdrückt werden. Also müssen Unterwasser-Roboter die Arbeiten übernehmen. Doch solche Maschinen zu entwickeln und zu bauen, die unter Wasser genauso präzise arbeiten können, wie ein Mensch an Land, dauert viele Jahre.

Der tiefe Meeresboden war aufgrund dieser Schwierigkeiten, lange nicht als mögliche Bohrstelle in Frage gekommen. Trotzdem wurde die Unterwassererforschung der Erdölindustrie schon sehr früh in Angriff genommen. Man nahm sich Zeit und es ging nur Schritt für Schritt voran. Anfangs wagte sich die Erdölindustrie nur in flaches Wasser vor, um nach Öl zu bohren. Doch heute wagt man sich schon in enorme Tiefen vor. Es bestehen sogar Planungen von Bohrungen bis in Tiefen von 9000 Metern in nicht ferner Zukunft.

Die technischen Voraussetzungen für Erdölsuche und Erdölförderung haben sich enorm verbessert. Es wurden unter anderem verschiedene Typen von Bohrinseln entwickelt. Viel verwendet werden die sogenannten Halbtaucher. Dabei handelt es sich um schwimmende Plattformen aus Stahl. Haben sie ihre Bohrstelle erreicht, sorgen Ballasttanks, die unten an der Stahlkonstruktion befestigt sind, dafür, dass der Schwerpunkt der Plattform unter Wasser verlegt wird. Dadurch erlangt sie eine relative Stabilität. Zusätzlich wird sie noch verankert, um bei Sturm nicht fortgetrieben zu werden. Das bleibt ein Sicherheitsrisiko, weil niemand die Schwere eines Sturms sicher voraussagen kann und Verankerungen sich lösen können.


Warum ist es so gefährlich in großen Tiefen nach Öl zu bohren?

Über dem Meeresboden befindet sich das Wasser und das wiegt sehr schwer. Wenn man jetzt an einer Stelle den Boden anbohrt und eine Öffnung herstellt, kann genau dort und nur dort, das unter dem Boden liegende Öl entweichen. Dieses Öl drückt die ganze Zeit über gegen den Meeresboden. Doch das Wasser darüber drückt dagegen. So passiert nichts weiter. Erst wenn ein Loch gebohrt wird, gelangt das Öl mit sehr, sehr hohem Druck durch diese Öffnung. Durch Rohrsysteme, das sogenannte Steigrohr, wird das Öl nach oben auf die Bohrinsel geleitet - jedenfalls sollte es so sein, wenn alles gut verläuft.

Die enormen Druckverhältnisse von Öl, Gas und dem Meerwasser ermöglichen einerseits überhaupt die Förderung des Öls, andererseits stellen sie auch das größte Risiko dar. Bevor gebohrt wird, müssen genaue Berechnungen über die vorherrschenden Druckverhältnisse und die Beschaffenheit des Gesteins angestellt werden. Da der Druck, der in einer Lagerstätte herrscht, gewaltig sein kann, muss das Bohrloch entsprechend stabil sein. Ist es diesem nicht gewachsen, wird also instabil, dann können Öl oder Gas mit riesigem Druck explosionsartig nach oben schießen. Dieses Ereignis wird Blowout genannt. Ein sogenannter Blowout-Preventer, ein Sicherheits-Ventilsystem, soll bei der Gefahr eines unkontrollierten Ausbruchs, das Bohrloch verschließen. Bei der Katastrophe der "Deep Water Horizon" versagte genau dieses Sicherheitssystem - der Blowout-Preventer.

Die Druckverhältnisse kann man sich etwa so vorstellen: Eine Kugel mit Öl gefüllt liegt in einem Wasserbehälter. Am besten in einem hohen Glaszylinder. Das Wasser drückt mit seinem Gewicht auf diese am Boden des Zylinders liegende Kugel. Sticht man nun in diese Kugel ein Loch, so schießt das Öl dort hinaus. Da das Öl leichter ist als das Wasser, schnellt es nach oben. (Die Hülle der Kugel wäre in diesem Beispiel der Meeresboden, unter dem sich das Öl befindet).

Der Meeresboden muss also genau untersucht werden. Wie ist er beschaffen? Wie tief muss der Bohrer durch Gestein getrieben werden? Wie hart und fest ist das Gestein? Wie stabil ist der Boden? Diese und noch mehr Fragen müssen vor einem Bohrversuch geklärt sein. Ist eine Gesteinsschicht beispielsweise in sich schon etwas instabil, darf der Bohrer nur ganz langsam und mit wenig Druck in den Boden gedreht oder geschlagen werden.

Aber auch unter idealen Bedingungen bleibt eine Bohrung eine gefährliche Angelegenheit, bei der viel schiefgehen kann.

Eine Bohrung wird mit einem Durchmesser von ca. 70 cm bis 100 cm begonnen. Je tiefer der Bohrer gelangt, desto schwieriger wird es, das Gestein zu zertrümmern. Es ist möglich, dass der Durchmesser am Ende, also wenn man auf Öl gestoßen ist, nur noch ungefähr 18 cm beträgt. Durch diese enge Öffnung strömt dann das Öl aus - und zwar kilometertief unter Wasser! Das Bohrsystem und die Rohre müssen extreme Bedingungen aushalten: hohe Drücke und Temperaturunterschiede. Der Wasserdruck, der auf dem Material lastet ist enorm.

Am Meeresboden ist es nur ca. 5°C warm. Das austretende Öl aber ist siedendheiß. Daraus entsteht nun folgendes Problem: Während das Öl nach oben strömt, kühlt es ab. Im Öl gelöst befinden sich verschiedene Mineralien, die durch die Abkühlung Kristalle bilden, die sich dann wiederum innen am Rohr ablagen. Das hat nun wieder zur Folge, dass die Rohre korrodieren, quasi leicht durchlässig werden und anfangen zu lecken.

Je tiefer die Bohrungen, desto größer das Risiko. Der Mensch kann nicht direkt, also mit eigenen Augen und Händen, das Geschehen lenken. Von der Plattform aus werden die Arbeiten gesteuert. Es kommt einem eher vor, wie ein Computerspiel. Nur, dass eine unbedachte Steuerung, ein falscher Befehl schlimmste, reale Konsequenzen haben kann.

Das Rohr, durch das das Öl nach oben befördert werden soll, muss in großen Tiefen sehr lang sein. So ein langes Rohr kann nicht in einem Stück hergestellt und installiert werden. Die Rohrabschnitte werden also Teil für Teil zusammengefügt und weiter und weiter hinab befördert. Die Verbindungsstellen müssen sehr stabil sein und können trotzdem zu Schwachstellen werden.


Im zweiten Teil über die "Gefahren bei der Erdölförderung" geht es unter anderem um folgende Fragen:
Was passiert, wenn Öl ins Meer strömt?
Welche technischen Möglichkeiten gibt es, das Öl aus dem Wasser zu entfernen?



17. September 2013