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VORSICHT/004: Fukushima wie Tschernobyl - es brennt ... (SB)


Warum Atomkraftwerke niemals sicher sein können


Am 11. März 2011 kam es in Japan zu der bisher größten Katastrophe in der Geschichte der Atomenergienutzung. Ein Super GAU - der "Größte Anzunehmende Unfall", der in einem Atomkraftwerk passieren kann und eigentlich nie passieren dürfte: Die Brennstäbe, das Herzstück eines Atomreaktors, sind geschmolzen, so daß die glutheiße, flüssige und hochradioaktive Substanz durch den Reaktorboden schließlich bis ins Erdreich drang. In der Atomkraftwerksanlage von Fukushima Daiichi geschah dies gleich in 3 Reaktoren. Man spricht von einer dreifachen Reaktorkernschmelze.

Die Auswirkungen sind unvorstellbar. Das Corium, das ist die Masse an geschmolzenen Brennstäben und aller Materialien, die dabei noch mit zerstört und geschmolzen sind, enthält viele radioaktive Substanzen, darunter auch: Cäsium-134, Cäsium-137, Strontium-90, Tritium und Plutonium-239. Diese Stoffe und die radioaktive Strahlung, die von ihnen ausgeht, werden an den Boden abgegeben und gelangen von dort in das Grundwasser, das ins Meer, den Pazifik, fließt.

Wie es überhaupt zu dieser atomaren Katastrophe gekommen ist, welche Schäden entstanden sind, was Radioaktivität ist und wie sie wirkt, welche Folgen es für das Leben im Meer hat, für Menschen, Tiere und Pflanzen, all das wird in den nächsten Folgen dieser Reihe über die Atomkraftwerkskatastrophe von Fukushima untersucht.


Aber zunächst einmal: Wie wird Strom erzeugt?

Elektrizität wird prinzipiell auf die immer gleiche Weise erzeugt. Eine Turbine muß in eine sehr schnelle Drehbewegung versetzt werden, die so kräftig ist, dass sie einen Generator antreiben kann. Auch die Drehbewegung des Generators muß sehr schnell sein, denn durch sie wird der Strom erzeugt und über Leitungen an die Verbraucher weitergegeben. Eine Turbine kann auf verschiedene Weisen in Bewegung gebracht werden. Um beispielsweise Wasserkraft zu diesem Zweck zu nutzen, wird ein Stausee angelegt. Durch das hinabfallende Wasser, das durch Rohrleitungen geleitet wird, entsteht ein hoher Wasserdruck. Wird das Wasser mit diesem großen Druck auf eine Turbine gelenkt, entsteht eine sehr schnelle Drehbewegung, mittels der ein Generator angetrieben wird, der dann den Strom erzeugt.


Eine schematische Darstellung wie mit Wasserdruck eine Turbine angetrieben wird - Foto: 2005, by a work of a United States Tennessee Valley Authority employee, the image is in the public domain, via wikimedia commons

Foto: 2005, by a work of a United States Tennessee Valley Authority employee, the image is in the public domain, via wikimedia commons

In Kohlekraftwerken wird durch das Verbrennen von Kohle Wasser so stark erhitzt, dass Wasserdampf entsteht. Der Wasserdampf wird durch ein Rohrsystem umgeleitet. Dabei entsteht ein enorm hoher Druck. Dieser Dampfdruck treibt schließlich eine Turbine an, die wiederum einen Generator in Bewegung versetzt und somit ebenfalls Strom erzeugt. Die Voraussetzung für die Entstehung von Elektrizität ist also ein hoher Druck, der eine Turbine und im Anschluss einen Generator antreibt. Der Brennstoff wechselt von Kohle, Steinkohle, oder Gas, das Prinzip ist immer gleich.


Wie entstand die Idee, mit Atomkraft Strom zu erzeugen?

Ende des 19ten, Anfang des 20sten Jahrhunderts entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Das regte andere Wissenschaftler dieser Zeit zu weiteren Forschungen an, die schließlich zur Entdeckung der Radioaktivität führten. Marie Curie, eine Physikerin und Chemikerin polnischer Herkunft, die in Frankreich arbeitete, untersuchte die Strahlung von bestimmten Uranverbindungen. Sie erkannte, dass bestimmte Atome zerfielen. Es handelte sich um einen natürlichen Zerfall ohne Zutun des Menschen. Die Eigenschaft dieser instabilen Atomkerne, die sich plötzlich in andere Atomkerne umwandeln und dabei eine Strahlung aussenden, wurde von Marie Curie und ihrem Mann Pierre Curie im Jahr 1898 als "radioaktiv" bezeichnet. (Das neue Wort stammt aus dem Lateinischen radius für "Strahl" und activus für "tätig" oder "wirksam"). Diesen Umwandlungsprozess nennt man auch radioaktiven Zerfall oder Kernzerfall.


Marie und Pierre Curie in ihrem Labor vor einem Tisch mit einem Versuchsaufbau - 1904, [Public domain], via Wikimedia Commons

Foto: 1904, Marie und Pierre Curie im Labor [Public domain],
via Wikimedia Commons

Otto Hahn und Fritz Straßmann, zwei deutsche Wissenschaftler, arbeiteten auf der Grundlage der Arbeiten von Lise Meitner (erste deutsche Physikprofessorin, 1878-1968) an der Kernspaltung. Das heißt, sie versuchten diesen natürlichen Zerfall auch künstlich herbeizuführen. Auf diese Weise wollten sie die dabei frei werdende Energie nutzen. Die Schwierigkeit bestand darin, diesen Vorgang auszulösen und ihn gleichzeitig zu kontrollieren.


Eine schematische Darstellung zeigt wie ein Atomkern gespalten wird - Ein Atomkern wird mit Neutronen beschossen, zerfällt dadurch in zwei Teile, wobei Energie frei wird sowie weitere Neutronen - Foto: 2009, by User: Stefan-Xp derivative work: Wondigoma (Kernspaltung.png) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Foto: 2009, by User: Stefan-Xp derivative work: Wondigoma (Kernspaltung.png) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Um eine Kernspaltung zu bewirken, muß eine Anfangsenergie von außen hinzugefügt werden. Diese Anfangsenergie muß sehr groß sein. Bei der Spaltung der ausgewählten Stoffe wurde damals tatsächlich Energie freigesetzt, die allerdings sofort dazu führte, den Rest des Stoffs ebenfalls zu spalten. Das war nicht beabsichtigt. Es setzte eine unkontrollierte Kettenreaktion ein, durch die eine verhältnismäßig große Menge Energie in Form von Hitze entstand. Im Labor wurde ein Versuch mit kleinen Mengen durchgeführt, insofern waren die Auswirkungen nicht so schwerwiegend.


Ein Tisch auf dem eine Versuchsanordnung mit verschiedenen Gerätschaften aufgebaut steht - Foto: 2006, by J Brew [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Foto: 2006, by J Brew [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Wieder andere Forscher sahen genau hier eine ganz andere Möglichkeit eine unkontrollierte Kettenreaktion zu nutzen. Sie bauten eine Bombe mit einer bisher nie dagewesenen Zerstörungskraft - die Atombombe. Erstmals wurde von den USA eine solche Bombe am 6. August 1945 auf die japanische Stadt Hiroshima abgeworfen, wodurch an einem Tag 70.000 bis 80.000 Bewohner sofort und bis zum Dezember des selben Jahres 140 000 Menschen starben. Als am 9. August auf die Stadt Nagasaki die zweite Atombombe geworfen wurde, kamen 22.000 Einwohner sofort zu Tode und in den Folgemonaten starben noch 70.000 bis 80.000 Menschen an den Folgen der radioaktiven Strahlung. Viele, viele Menschen fanden in den Monaten und Jahren nach den Atombombenabwürfen durch die Auswirkungen der radioaktiven Verseuchung den Tod. Weite Gebiete um die Städte herum waren zerstört und ebenfalls radioaktiv verstrahlt.

Diese geballte Zerstörungsenergie "friedlich" zu nutzen, war das Bestreben in den Nachkriegsjahren. Bald entstanden die ersten Atomkraftwerke. Hier sollte die freiwerdende Energie für die Erzeugung von Wasserdampf genutzt werden, der mit hohem Druck eine Turbine und einen Generator antreibt. Es wurden technische Konstruktionen erdacht und gebaut, die die Kettenreaktion kontrollierbar machen sollte.

Die vielen doppelten und dreifachen Sicherheitssysteme in einem Atomkraftwerk deuten auf die Gefährlichkeit des atomaren Brennstoffs hin. Man kann fast sagen, dass aus einer Bombe eine Energiequelle gemacht werden sollte, die bei Fehlfunktionen ganz enorme Zerstörungen verursachen kann. Tschernobyl ist hierfür ein erschreckendes Beispiel. Es handelte sich nicht um eine Atomexplosion wie bei einer echten Atombombe, aber der Kern des Reaktors mit den Brennelementen erhitzte sich bis zum Schmelzpunkt, das Reaktorinnere geriet in Brand, es kam zu einer riesigen Explosion und der obere Teil des Reaktorgebäudes wurde zerstört. Dabei wurden Brennelemente und andere Teile des Inneren in die Luft geschleudert. Große Mengen radioaktiver Stoffe wurden freigesetzt. Sie verteilten sich als sogenannter "radioaktiver Fallout" über Europa, auch über Deutschland.

Im nächsten Teil: Funktionsweise eines Reaktors


Anmerkung

Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:
http://www.geschichte-lexikon.de/atombombenabwurf-hiroshima-nagasaki.php
http://www.lernort-mint.de/Physik/Atomphysik/kernphysik_kernumwandlung.html
http://www.zeit.de/wissen/2013-12/atomkraft-kernspaltung-75-jahre
http://www.focus.de/wissen/natur/katastrophen/tid-22050/super-gau-schlechte-informationspolitik_aid_620387.html

25. März 2015


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