Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


VORSICHT/007: Fukushima wie Tschernobyl - Schlechte Aussichten ... (SB)


Fukushima und die Folgen für das Meer und seine Bewohner


Meerwasser bedeckt nicht nur den größten Teil der Erde, es beheimatet auch eine riesige Menge an Lebensformen, von denen viele dem Menschen bis heute noch unbekannt sind. Die Weltmeere sind aber auch für alles andere Leben auf der Erde von nicht ersetzbarer Bedeutung.

Die ungeheure Menge Wasser verleitet immer wieder Menschen dazu, die Ozeane als Müllkippe zu benutzen, in der Hoffnung, der Unrat, das Öl, das Plastik und der Atommüll würden in den Meerestiefen verschwinden, nach dem Motto, was nicht mehr zu sehen ist, ist auch nicht mehr vorhanden. Bis 1994 durften beispielsweise radioaktive Abfälle ganz legal im Meer entsorgt werden. Erst seit Ende der 1990er Jahre gilt ein Verbot selbst für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll. Man kann kaum abschätzen, wie viel Atommüll bereits in die Ozeane gekippt wurden. All das hat natürlich eine schädigende Wirkung auf die Meeresbewohner.


Grafik: © 2015 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2015 by Schattenblick

Es gibt verschiedene Arten der radioaktiven Verseuchung der Gewässer. Erstens: die absichtliche Entsorgung jeglicher Form von Atommüll - man nennt es Verklappung. Zweitens: die radioaktive Verunreinigung (Kontamination), die durch einen Unfall oder durch Leckagen in Leitungen oder Tanks verursacht wurde. Drittens: die Anreicherung radioaktiver Partikel im Grundwasser.

Die Katastrophe in dem Atomanlagenkomplex Daiichi in Fukushima, bei der es am 11. März 2011 zu einer dreifachen Kernschmelze kam, findet bis heute - 4 Jahre danach - immer noch kein Ende. In den zerstörten Atommeilern herrscht weiterhin eine extreme Hitze, erzeugt durch das hoch radioaktive Material im Inneren der Reaktoren. Ständig muss diese Masse gekühlt werden, um eine erneute Explosion zu verhindern, bei der die Umgebung wieder mit Unmengen radioaktiver Partikel belastet werden würde. Dafür wird Kühlwasser in großen Mengen benötigt.



Sicht auf die zerstörten Atomreaktoren kurz nach der Katastrophe 2011 - Foto: 2011, by  [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Blick auf die zerstörten Atomreaktoren
Foto: 2011, by Digital Globe [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Woher kommt das Kühlwasser und was geschieht mit ihm?

Die Atomkraftwerksanlage Daiichi liegt sehr nahe am Pazifischen Ozean. Atomkraftwerke werden oft in der Nähe von Flüssen, Seen oder Küsten gebaut, damit sie einen direkten Zugang zu Kühlwasser haben. Direkt nach dem Unfall wurde das Wasser aus dem Pazifik gepumpt und in die total beschädigten Atomreaktoren geleitet, um die darin enthaltene geschmolzene Masse zu kühlen. Bei diesem Vorgang hat das Wasser große Mengen an radioaktiven Teilchen aufgenommen und wurde mitsamt diesen Partikeln in aller Eile und Not in den Pazifik zurück geleitet, um noch Schlimmeres zu verhindern. Das könnte man noch verstehen, weil eine schnelle Lösung für die Kühlung der zerstörten Reaktoren absolut wichtig war, aber warum strömt auch heute noch radioaktiv belastetes Wasser ins Meer?

Man kann davon ausgehen, dass sich das verstrahlte Kühlwasser mit dem Ozeanwasser vermischt und die radioaktiven Partikel sich im ganzen Meer verteilen. Würde man mitten im Ozean eine Messung vornehmen, um die radioaktive Belastung des Wassers zu ermitteln, bekäme man vielleicht nur einen niedrigen Wert. Das Problem ist allerdings, dass dort, wo das verstrahlte (kontaminierte) Wasser in den Ozean gelangt, die Konzentration der radioaktiven Teilchen sehr hoch ist und die dort lebenden Tiere schwer schädigt. Problematisch ist auch, dass die radioaktiven Teilchen, die ins Meer gelangen, unterschiedlich lange Halbwertzeiten haben. Die von Cäsium-137 beispielsweise beträgt 30 Jahre. Das bedeutet nicht, dass es in 30 Jahren verschwunden ist, sondern, dass dann noch die Hälfte davon weiterhin radioaktive Strahlung abgibt. Da aber dieses Cäsium-137 laufend weiter in den Ozean gelangt und sich dort so lange hält, nimmt der Verdünnungseffekt ab. Außerdem gibt es niemanden, der den Pazifik umrührt und für eine gleichmäßige Verteilung sorgt. Es können also ganz unterschiedlich stark belastete Gebiete auftreten. Besonders Besorgnis erregend ist jedoch, dass auch Plutonium-139 mitsamt dem Kühlwasser ins Meer gespült wird. Es hat eine Halbwertzeit von mehreren tausend Jahren. Dieses Plutonium-139 ist der gefährlichste Schadstoff, das gefährlichste Gift auf der Erde. Atmet man nur ein Mikrogramm davon ein, kann das bereits zum Tod führen oder es verursacht Leukämie (Blutkrebs) oder Knochenkrebs, wenn es auf anderen Wegen in den Körper gelangt. "TEPCO", die Firma, die die Atomanlage Daiichi in Fukushima betreibt, hat bekannt gegeben, dass sie das Wasser deshalb auch reinigt, bevor es ins Meer zurück geleitet wird.

Da jedoch zu Beginn keine technische Anlage bereitstand, um das Wasser von den radioaktiven Partikeln zu befreien - bei einer solchen Anlage handelt es sich um eine Dekontaminationsanlage -, gelangte das Wasser zunächst in großen Mengen ungereinigt ins Meer. Dann begann man damit, es erst einmal zu sammeln. Auf dem ganzen Werksgelände der zerstörten Atomanlage wurden dafür eigens große Tanks aufgestellt. Mittlerweile befinden sich dort ca. 1.000 solcher Stahltanks. Die in ihnen enthaltene Menge radioaktiven Wassers beträgt ungefähr 560.000 Kubikmeter (das sind: 560.000.000 Liter). Es könnte sehr eng werden auf dem Gelände, denn täglich kommen ca. 300 Tonnen Kühlwasser hinzu, das gelagert werden muss. Nach der Reinigung, bei der aber aus technischen Gründen nicht wirklich alle radioaktiven Partikel entfernt werden können, wird das Wasser wieder in den Ozean geleitet. Leider sind auch schon Lecks bei den Tanks aufgetreten, also bei deren Dichtungen, Leitungen oder Auffangbecken, durch die kontaminiertes (radioaktiv belastetes) Wasser in die Umgebung fließt, und man weiß nicht, um welche Mengen es sich handelt beziehungsweise wie stark diese radioaktiv belastet sind.


Noch ein Problem: das Grundwasser aus dem Gebiet der zerstörten Atomanlage

Das Grundwasser, das aus den Bergen kommend unter dem Atomkraftwerksgelände hindurch fließt, wird durch die freigewordenen radioaktiven Partikel belastet. Das ist schlimm, denn das Grundwasser wird durch Brunnen an die Oberfläche gefördert, um als Trinkwasser genutzt zu werden. Der eigentliche Weg des Grundwassers führt ins Meer. Es ist also doppelt wichtig, dass dieses Wasser nicht verseucht wird. "TEPCO" bemüht sich durch den Einsatz verschiedenster Mittel und Möglichkeiten, eine Verunreinigung zu verhindern. Das ist aber einfacher gesagt als getan, denn viele technische Probleme können nicht so gelöst werden, dass eine Kontamination des Grundwassers ausgeschlossen werden kann. Besonders schlimm ist, dass es durch Lecks in der Reaktorhülle in das Innere gelangt und mit der geschmolzenen Masse der Brennelemente in Kontakt gerät. Dabei wird das Grundwasser ganz erheblich mit radioaktiven Partikeln belastet.


Wie geht es den Lebewesen im Ozean? Wie kommen sie mit der radioaktiven Strahlung zurecht?

Das Meer vor der Küste von Fukushima ist am stärksten betroffen. Dort wurde die Strahlung von Jod-131 gemessen, die 4000-fach höher war als der zulässige Grenzwert. Dieses Jod-131 hat zwar eine relativ kurze Halbwertzeit, findet sich aber bald in Plankton, Tang und Algen wieder. Andere radioaktive Partikel, beispielsweise Strontium-90 oder Cäsium-137, werden von Muscheln und anderen Meerestieren aufgenommen. Die Kiemenatmung der Muscheln dient nicht nur der Sauerstoff- sondern auch der Nahrungsaufnahme. Das Wasser strömt durch die Kiemen, und dabei werden Kleinstlebewesen wie zum Beispiel Plankton herausgefiltert und verdaut. Diese Tiere filtern ziemlich viel Wasser, zwischen 3 - 25 Liter am Tag, und können auf diese Weise auch viele radioaktive Partikel aufnehmen. Das führt oftmals zu ihrem raschen Sterben. Die Lebensspanne vieler kleiner Meerestiere ist zu kurz, als dass sich bösartige Geschwüre ausbilden und zur Ursache ihres Todes werden.

Wale oder große Fische erleiden allerdings prinzipiell die gleichen Erkrankungen wie Menschen [1]: Cäsium-137 ähnelt dem Kalium und wird vom Körper als solches in vielen Organen eingebaut. Strontium-90 wird aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Kalzium in Knochen und in den Schalen der Tieren eingelagert. Das Jod-131 gleicht dem normalen Jod und landet in der Schilddrüse, Plutonium-139 reichert sich in der Leber an. All diese radioaktiven Partikel strahlen in die Gewebe und entfalten dort ihre zerstörerische Wirkung (Gewebeschäden, Erbgutschädigung und Tumorbildung, Krebs). Ob die Tiere sofort verenden oder noch einige Zeit überleben, hängt von der Menge der strahlenden Teilchen ab, die sie aufgenommen haben. Bei Alaska-Robben wurden rätselhafte Erkrankungen festgestellt, die sich amerikanische Forscher mit einer Verstrahlung der Tiere erklärten, die von der Atomkatastrophe von Fukushima herrührt. Außerdem wurden massenhaft tote Seesterne an Amerikas Küsten angeschwemmt.


Aus der Wasseroberfläche hinaus springender Gelbflossen-Thun - Foto: 2012, by NOAA FishWatch [Public domain], via Wikimedia Commons

Ein springender Gelbflossen-Thun
Foto: 2012, by NOAA FishWatch [Public domain], via Wikimedia Commons

Die meisten Untersuchungen an den Meerestieren beschränken sich darauf, festzustellen, ob sie für den Menschen als Nahrung noch geeignet sind. Der Thunfisch schwimmt durch weite Gebiete des Pazifiks.

Wenn er oder andere wandernde Fischarten sich von Tang, Muscheln, Krebsen oder kleinen Fischen ernähren, führt das zu einer Anreicherung mit den radioaktiven Partikeln in ihren Körpern. Ein Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat man an der kalifornischen Küste Amerikas, also in einer Entfernung von fast 10.000 Kilometern, in den dort schwimmenden Thunfischen stark erhöhte Werte von Cäsium-137 gemessen. Was das für diese großen Fische selbst bedeutet, ob und wie sie darunter leiden, scheint nicht das Interesse der Forscher zu sein.


Anmerkung:

[1] siehe auch: Schattenblick → Kinderblick → Naturkunde
→ VORSICHT/005


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/meeresschutz/meeres-schutzgebiete/meer-nach-fukushima/

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fukushima-tepco-arbeiter-untersuchen-tanks-auf-kuehlwasserlecks-a-917815.html

http://www.pravda-tv.com/2014/03/fukushima-tepco-leitet-400-000-tonnen-radioaktives-wasser-in-den-pazifik/

http://einarschlereth.blogspot.de/2014/12/das-fukushima-endspiel-die-radioaktive.html

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/03/29/atom-lobby-oeffnet-die-schleusen-fukushima-bedroht-den-pazifik/

17. August 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang