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VORSICHT/008: Die Erde kotzt und zittert ... (SB)


Wie hängen Erdbeben und Fracking zusammen?


Die Gefahren der Schiefergasförderung unter Anwendung der Fracking-Technologie sind bereits hier in Naturkunde/Wissensdurst von den beiden Jungs Stefan und Ben ausführlich untersucht worden. Ihre Ergebnisse und ihre Schlussfolgerung sind in der vierteiligen Reihe über das Fracking zu finden. [1]


Doch nicht nur die Förderung des unterirdisch in tiefem Gestein fest gelagerten Gases bringt viele Gefahren mit sich, auch die dabei anfallenden Rückstände stellen ein großes Problem dar. Dabei handelt es sich um die verbrauchte Frack-Flüssigkeit (Flow-Back) und das mit an die Oberfläche gelangenden Lagerstättenwasser, welches Schwermetalle, radioaktive Stoffe und andere giftige Substanzen enthält. Die bislang praktizierte Entsorgungsmethode ist das sogenannte Verpressen (auch: Disposal- oder Versenkbohrung). Das bedeutet, dass diese Flüssigkeiten in ausgeförderte Bohrlöcher, aus denen also kein Gas oder Öl mehr gefördert wird, möglichst tief hinein gepresst werden, um dort für immer zu bleiben. Das ist der Plan, doch immer häufiger zeigen sich die schwerwiegenden Folgen dieser Entsorgung.


Verpressen von Frack-Fluid und Lagerstättenwasser führt in den USA zu erhöhtem Vorkommen von Erdbeben

In den Vereinigten Staaten von Amerika wird die Fracking-Methode zur Schiefergasförderung schon seit Jahren betrieben. Ebenso wie dort das Verpressen üblich ist. Der Zusammenhang zwischen dieser Art der Entsorgung und dem Auslösen von Erdbeben wird dort kaum mehr bestritten.



In einem großen Becken, ausgeschlagen mit einer Plastikfolie, befindet sich das Flow-back- und Lagerstättengemisch ungeschützt unter freiem Himmel - Foto: 2011, by Joshua Doubek (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Sammelbecken in den USA: darin befindet sich das Flow-back- und Lagerstättenwassergemisch frei an der Luft
Foto: 2011, by Joshua Doubek (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Man kann sich das leicht vorstellen: Wenn gewaltige Flüssigkeitsmengen in ein ausgedientes Bohrloch tief in die Erde versenkt werden, wo sie eigentlich gar nicht hingehören, wird ein hoher Druck auf die unterirdische Umgebung aufgebaut, denn der Rückweg nach oben ist verschlossen. Allerdings kann es auch passieren, dass der Druck so groß ist und das versenkte Abwasser unglücklicherweise den Weg nach oben einschlägt und den Verschluss weg sprengt. In diesem Fall handelt es sich dann um einen unkontrollierten Blow-out, bei dem das hervorschießende Flow-back und Lagerstättenwasser-Gemisch Boden und Wasser in der Umgebung verseuchen (kontaminieren). So geschah es 2011 im Bundesstaat Pennsylvania, wo sich 12 Stunden lang diese giftige Flüssigkeit auf umliegende Landwirtschaftsflächen ergoss.


Wie wirkt sich das Verpressen auf die Erd- und
Gesteinsschichten aus?

Das Flow-back und das Lagerstättenwasser werden mit enorm hohem Druck in Tiefen bis zu 3.000 Metern (3 km) und mehr gepresst bis unter die Schiefergesteinsschicht, aus der zuvor das Gas gefördert wurde. Diese untere Schicht, dieses Grundgestein (Arbuckle-Schicht) ist eher unregelmäßig, ändert seine Beschaffenheit (metamorph). Innerhalb dieses Gesteins sind normalerweise unzählige Poren, in denen sich geringe Mengen Wasser befinden, die im Druckausgleich mit dem Gesteinsdruck stehen. Das heißt, hier tut sich nichts, solange diese Druckverhältnisse sich ausgleichen. Gelangt nun aber eine riesige Menge an Wasser (Flow-back/Lagerstättenwasser) dorthin, ändern sich die Druckverhältnisse gewaltig. Es kann innerhalb dieser Schicht zu Verwerfungen kommen, das heißt, das Gestein kann sich gegeneinander verschieben - oder aber alte Verwerfungen werden durch den erhöhten Druck angeschoben. Erderschütterungen sind die Folge, die zu richtigen Erdbeben auswachsen können. Man nennt diese durch menschlichen Einfluss entstandenen Beben "getriggerte" Erdbeben.


Können auch große Erdbeben hervorgerufen werden?

Zunächst waren die ausgelösten Beben (getriggerte Beben) noch nicht so schwer, dass große Schäden entstanden sind. Aber in Amerika gab es einen richtigen Fracking-Boom. Immer mehr Unternehmen eröffneten immer mehr Bohrstätten, was natürlich auch eine erhöhte Menge an Fracking-Abwasser mit sich bringt, die entsorgt werden muss. Um die Gefahr hätte man dort allerdings schon wissen können. Denn bereits 1967 löste eine Verpressung von Abwässern, die damals aus der Herstellung von chemischen Waffen stammten, ein Beben mit der Stärke von 4,8 aus. Dieser Wert wurde in jüngster Zeit schon mehrfach überschritten. [2] In einigen Staaten Amerikas, die bisher als wenig erdbebengefährdet galten, in denen sowohl das Fracking als auch das Verpressen inzwischen üblich sind, hat die Zahl der spürbaren Erdbeben der Stärken 3,0 und mehr, stark zugenommen. Mittlerweile bebt die Erde dort öfter als in Kalifornien, das als besonders erdbebengefährdetes Land bekannt ist. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass solche künstlich hervorgerufenen Erdbeben die Reaktion auf menschliche Eingriffe in das Spannungsfeld der Gesteinsschicht der Erde (Lithosphäre) sind. Das bedeutet also, dass ein direkter Zusammenhang zwischen diesen "getriggerten" Erdbeben und dem Verpressen von Flüssigkeiten bis in mehrere Kilometer Tiefe besteht.

Im amerikanischen Bundesstaat Oklahoma beispielsweise war man daran gewöhnt, dass die Erde ein bis zweimal im Jahr bebte. Das war jahrzehntelang der Durchschnitt. Seit einiger Zeit stellen Erdbebenforscher (Seismologen) aber einen absolut außergewöhnlichen Anstieg der Beben fest, die jetzt täglich registriert werden. Im Jahr 2014 wurden 585 festgestellt. Die Beben waren immerhin schon so stark, dass Fenster zum Klirren gebracht wurden und Autos ins Wanken gerieten, das heftigste erreichte eine Stärke von 4,5 auf der Richterskala und erschütterte eine Kleinstadt. Die Wissenschaftler stellten als Ursache für diese enorme Häufung von Erderschütterungen ganz klar das Verpressen von Fracking-Abwässern fest. Noch sind die Wissenschaftler sich nicht einig darüber, wie stark solche "getriggerten" Erdbeben werden können. Manche meinen, mehr als ein Beben der Stärke 5 (hier können Fensterscheiben zu Bruch gehen oder der Inhalt von Regalen hinunter gefegt werden). Andere schätzen sogar, dass diese Erdbeben eine Stärke von 7 erreichen, wodurch Häuser zum Einsturz gebracht werden können. Der Seismologe George Choy vom Geologischen Dienst der Vereinigten Staaten sagte: "Wasser wird in die Erde eingeleitet und kommt da nicht mehr raus. Es gelangt an Stellen, wo nie zuvor welches war. Was das langfristig für Folgen hat, wissen wir nicht."


Erfahrungen mit dem Verpressen im eigenen Land am Beispiel Niedersachsen

In Niedersachsen wird schon lange Erdgas gefördert, allerdings ohne die Fracking-Technologie für die Schiefergasförderung einzusetzen. Vielmehr wird dort ganz herkömmlich das Gasvorkommen, welches sich in einer Art unterirdischer Gasblase befindet und nicht fest im Gestein gebunden ist, direkt senkrecht nach oben gefördert. Aber auch hier gelangt Lagerstättenwasser mit an die Oberfläche. Über Leitungssysteme wird dieses mit giftigen Stoffen belastete Abwasser zu den ausgeförderten Bohrlöchern geleitet. Das Lagerstättenwasser kann sehr aggressiv sein und so ist es erforderlich, dass die Leitungsrohre aus bestimmten, beständigen Materialien hergestellt werden, ansonsten kann es zu Leckagen kommen. Trotzdem hat es auch in Niedersachsen schon derartige Lecks gegeben, was zur Folge hatte, dass Boden und Grundwasser mit Benzol (krebserregend) und Quecksilber (giftiges Schwermetall/Umweltgift) belastetet wurden. Zusätzlich gab es auch in Niedersachsen schon kleine Erdbeben. Glücklicherweise handelte es sich um Erderschütterungen mit noch geringer Stärke (3.1 auf der Richterskala), doch kann niemand Auskunft über die Langzeitwirkungen geben, die mit der Förderung und ganz sicher auch mit dem Verpressen einhergehen. Die Abwassermengen werden mit jeder weiteren Bohrung größer, müssen wiederum verpresst werden und somit erhöht sich wahrscheinlich auch die Unberechenbarkeit der Druckverhältnisse unter der Erde, die zu Erderschütterungen oder Erdbeben führen können.

Sollte angesichts dieser Gefahrenlage nicht besser von dem Fracking als Gasfördermethode abgesehen werden?


Anmerkungen:

[1] KINDERBLICK/NATURKUNDE/WISSENSDURST:
012: Fracking und viele Fragen
013: Fracking und sein Preis
014: Fracking und verbrannte Erde
015: Fracking, zum Kotzen
http://www.schattenblick.de/infopool/kind/ip_kind_natur_wissensdurst.shtml

[2] "getriggerte" Erdbeben in den USA:
9. August 1967 in der Nähe von Denver (Stärke: 4,8)
23. August 2011 bei Trinidad im Raton Basin, Colorado (Stärke: 5,3)
5.-8. November 2011 bei Prague, Oklahoma, am 6. Nov. (Stärke: 5,7), das bislang stärkste mit der Abwasserverpressung in Verbindung gebrachte Beben überhaupt



Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.faz.net/aktuell/wissen/klima/erdbeben-durch-fracking-abwasser-laesst-die-erde-zittern-13743814.html

http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/fracking-laesst-die-erde-beben.html

http://www.pro-physik.de/details/phiuznews/8985061/Von_Menschen_gemachte_Erdbeben.html



23. August 2016


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