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WISSENSDURST/014: Fracking und verbrannte Erde (SB)


Fracking und verbrannte Erde


Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan: "Hallo Ben, hier Stefan, du wolltest doch wissen, ob die Fracking-Flüssigkeit für immer im Boden bleibt. Gut, also, das hat mir keine Ruhe gelassen. Gestern, nachdem du gegangen warst, hab ich noch ein bisschen im Netz gestöbert. Mann, da sind unheimlich viele Einträge, in denen Leute sich gegen dieses Fracking aussprechen und auf die Gefahren hinweisen. Ich glaube wir haben da in ein Wespennest gestochen - da gibt es irre viel zu bedenken ..."

Ben: "Hab ich mir schon fast gedacht. Hast du denn dabei etwas gefunden, ich meine, darüber, was mit der Fracking-Flüssigkeit passiert?"

Stefan: "Ja, klar, war nicht schwer, etwas zu finden. Aber eigentlich rufe ich an, weil ich wissen wollte, ob es okay ist, wenn ich zu dir komme?"

Ben: "Klar doch, dann erzählst du mir davon und ich hab auch noch was zu berichten. Einer meiner Onkel ist nämlich sehr dafür, dass gefrackt wird. Er vertrat die gleiche Ansicht wie der Mann, den wir am Info-Tisch beobachtet haben, so etwa: 'Wir brauchen doch die Energie, und das Öl geht zur Neige.'. Das hat richtig Knatsch beim Onkel-Tanten-Abend gegeben. Wie du dir vorstellen kannst, waren meine Eltern ganz anderer Meinung. Aber das alles später, okay? Bis gleich."

*

Als es klingelte, stürmte Ben an die Tür. "Hallo", grüßte er, "komm, wir gehen in mein Zimmer."

Mutter: "Ben, wer ist da gekommen?"

Ben: "Stefan."

Mutter: "Ist gut."

Stefan bog kurz vor der Treppe in Richtung Küche ab und begrüßte Bens Mutter: "Hallo, wir sind dann oben, bis später."

Mutter: "Und falls ihr Lust habt, erzählt mir doch, was ihr Neues herausfindet, bezüglich des Frackings. Ich muss mich unbedingt schlau machen. Gestern habe ich mich so aufgeregt über Alex, das ist Bens Onkel, aber ich konnte nicht gut genug argumentieren. Mir fehlt das Hintergrundwissen. Und bis dahin ist der Apfelkuchen auch fertig gebacken."

Stefan: "Mmmh, lecker, wir kommen auf jeden Fall."

Dann flitzte er die Treppe hinauf in Bens Zimmer.

Ben: "Irgendwann müssen wir noch mal rauskriegen, warum andauernd behauptet wird, dass wir mehr Energie brauchen. Das regt mich echt auf. Ich sehe nur überall, dass Energie verschwendet wird ..."

Stefan: "Halt, stopp, bevor du dich da hinein steigerst, lass uns das als nächstes angehen, ja, und lieber erst mal beim Thema Fracking bleiben?"

Ben: "Du hast recht. Obwohl das zusammenhängt. Aber eins nach dem anderen."

Stefan: "Also, ich habe etwas über die Zusammensetzung von Fracking-Flüssigkeit gefunden, die Auflistung war erstaunlich genau. Selbst die hinzugefügten Chemikalien, die Additive genannt werden, sind aufgelistet worden mit dem Zusatz, ob sie gefährlich sind oder unbedenklich. Aber eines ist mir gleich aufgefallen. Wonach richtet sich diese Einschätzung? Wenn ein Stoff für sich genommen als ungefährlich eingestuft wird, kann er in großen Mengen oder in einem bestimmten Zusammenwirken mit anderen ungefährlichen Stoffen plötzlich gefährlich werden - erinnerst du dich an unseren Chemieunterricht? Salz, also NaCl, ist ungefährlich. Aber es kann ab einer bestimmten Menge für kleine Organismen und selbst für Tiere und Pflanzen auch tödlich sein."

Ben: "Ja, klar, wie war das noch, was hatte Herr Peters noch gesagt, es kommt immer auf die Konzentration und das Zusammenwirken an. Im richtigen Gemisch können harmlose Stoffe zu Explosionen führen, oder so ähnlich."

Stefan: "Genau. Und unter dieser Auflistung stand dann, dass das Flüssigkeitsgemisch, also die Fracking-Flüssigkeit, insgesamt als schwach wassergefährdend und nicht umweltgefährdend eingestuft wird. Noch mal zusammengefasst: die Chemikalien sollen etwa 1 - 3% der gesamten Fracking-Flüssigkeit ausmachen. Das hört sich wenig an ..."

Ben: "Moment, lass mal das Mathegenie ran! Nehmen wir mal an, wir haben eine Flüssigkeitsmenge von ..., was steht da in deiner Liste als Mengenangabe?"

Stefan: Hier wird alles in Kilogramm gemessen und die Gesamtmenge in diesem Beispiel lautet: ca. 220 000 kg - gilt das für einen Bohrvorgang? Steht hier gar nicht ...?!"

Ben: "Okay. Nehmen wir also 220 000 kg. Dann sind darin, nehmen wir einen Mittelwert, ca. 2,1 % Chemikalien, das wären dann in Kilogramm, Moment, 4620 kg Chemikalien. Ich finde das ist nicht gerade wenig. Die verteilen sich dann über das Rohr und im Gestein, oder?"

Stefan: "Ja. Und wie ich inzwischen auch herausgefunden habe, bleibt ganz schön viel davon auch dort unten im Boden und im Gestein."

Ben: "Hast du auch etwas über die Funktion der Chemikalien finden können? Was sollen sie bewirken? Wozu sind sie überhaupt da?"

Stefan: "Hmm, da habe ich was gefunden und zwar hat sich da jemand viel Mühe gemacht und alles genau erklärt. Aber das habe ich mir aufgeschrieben, das kann ich unmöglich behalten. In dem Bericht wird nebenbei noch etwas Interessantes erwähnt, nämlich dass der Begriff "hydraulic fracturing" ... Moment, ich lese mal vor: '[...] ein Verfahren nahe legt, in dem die zur Fraktionierung nötige Kraft durch eine Flüssigkeit übertragen wird [...]'.[1] So wie ich das erinnere, wirkt eine hydraulische Kraft durch einen Flüssigkeitsdruck. Aber in diesem Fall soll das so nicht stimmen, weil das gesamte Verfahren ohne die Chemikalien gar nicht funktioniert."

Ben: "Okay, so eine Art Irreführung? Aber egal, also, was bewirken die chemischen Stoffe denn jetzt genau?"

Stefan: "Da gibt es einmal Tonstabilisatoren, die sollen den Untergrund vorbereiten."

Ben: "Also stabilisieren oder festigen?"

Stefan: "Mmmh, ja, das bedeutet, ihn härten, damit andere Chemikalien, in diesem Fall Säuren, gemeinsam mit dem Wasserdruck das vorbereitete Gestein 'fraktionieren' können."

Ben: "Klar, das kann ich mir vorstellen, harter Untergrund lässt sich leichter sprengen als weicher ..."

Stefan: "Das Gas kommt aber nicht einfach so aus dem aufgespaltenen Gestein raus. Es wird noch Chemie gebraucht, damit die Gase überhaupt fließen können. Sie sind dem Sand beigemischt, der die Risse offen halten soll. Das sind die sogenannten Stützmittel (Proppants). Aber, warte, es geht noch weiter. Damit alles sauber bleibt und nicht von Mikroben überwuchert wird, werden Gifte eingesetzt, die die Organismen töten, sogenannte Biozide oder Desinfektionsmittel. Und der Sand, der wird auch noch mit Chemie behandelt, damit er nicht verklumpt. Ist ja logisch, dann könnte er sich nicht mehr in den feinen Rissen verteilen. Also, damit der Sand in dem Wasser schön flutschig-cremig bleibt, werden, warte mal kurz, Gelbildner, so eine Art Andickungsmittel, hinzu gegeben und auch noch Schaumbildner, die sollen wiederum die Beweglichkeit und Ziehigkeit erhöhen. Das geht hier immer hin und her, mal soll es angedickt werden, aber auch wieder ausreichend beweglich bleiben. Und für alles braucht man eine entsprechend wirkende Chemikalie. Dann werden Reibungsminderer, aber auch Kettenbrecher (Breaker) benutzt, damit die Beweglichkeit (Viskosität) nicht zu groß wird und damit andererseits kein fester Pudding daraus wird. Wenn du denkst, das reicht aber jetzt, nein, nein, denn nun kommen noch die Hochtemperaturstabilisatoren hinzu. Die sollen nämlich verhindern, dass dieses Sand-Gel nicht zersetzt wird, was passieren könnte, weil es dort unten, wo es hin soll, ziemlich heiß ist."

Ben: "Darf ich mal kurz dazwischen fragen? Es werden also chemische Mittel eingesetzt, die eine Wirkung haben, die wieder die Anwendung von anderen chemischen Mitteln erfordern, damit alles so funktioniert wie es soll?"

Stefan: "Ja, ich denke schon. Es gibt dann noch Ablagerungshemmer, die sollen verhindern, dass schwer lösliche Stoffe sich irgendwo absetzen und so weiter. Oder, warte, zum Beispiel muss auch noch Korrosionsschutzmittel, so ähnlich wie Rostschutzmittel, hinzu gegeben werden, damit die Rohre geschützt sind vor der ganzen Chemie, die dort hindurch kommt. Dann werden noch Lösungsmittel und so eine Art Spülmittel (Tenside), die die ganzen Chemikalien in der Fracking-Flüssigkeit beweglich halten sollen, dazu gegeben."

Ben: "Mach mal Halt, das wird mir zu viel. Mein Onkel Alex hat gestern behauptet, es würden nur ganz wenig Chemikalien verwendet werden und die seien ganz harmlos, so harmlos wie die Putzmittel im Haushalt. Der scheint keine Ahnung zu haben!"

Stefan: "Das hatten wir ja schon ausgerechnet, was es mit dem 'ganz wenig' auf sich hat."

Ben: "Genau. Stell dir mal vor, du nimmst von einem Putzmittel, Meister Soundso, eine Kappe voll und gibst sie in einen 10 Liter Eimer mit Wasser, genau so dosiert, wie es auf der Packung steht. Das ist ja auch im Verhältnis zur Wassermenge nur ganz wenig chemische Flüssigkeit. Trotzdem würdest du den Eimer doch nicht über ein Erdbeerbeet ausgießen - nur weil das Putzmittel angeblich ungefährlich ist?!"

Stefan: "Nee, wenn es regnet, gibt es mit Sicherheit schäumende Erde ..."

Ben: "Und die Erdbeeren möchte ich dann auch nicht essen ..."

Stefan: "Ach, da du gerade essen erwähnst, hatte deine Mutter nicht was von Apfelkuchen gesagt?"

Ben: "Ich glaube schon, es riecht jedenfalls schon ziemlich lecker. Aber lass uns unbedingt noch herausfinden, wo die Chemikalien bleiben und wie lange, wie viel davon in der Erde bleibt und ob das Grundwasser wirklich sicher geschützt ist?"

Stefan: "Ja, unbedingt, darum sollten wir uns auf jeden Fall kümmern. Auch um das Gas ..."

Ben: "Wieso, was ist denn mit dem Gas?"

Stefan: "Bei dem Schiefergas soll es sich um Methangas handeln und das ist rundum 20 bis 30 mal klimaschädlicher als CO 2."

Ben: "Wahnsinn! Da kann man nur hoffen, dass nicht so viel davon in die Luft entweicht."

Stefan: "Du sagst es. Das versuchen wir noch herauszufinden, okay? Aber nun komm schon, lass uns in die Küche gehen!"

Ben: "Altes Schleckermaul!"

*

Quellen:

07.03.2013 (Christoph Senz) Kategorie: Analysen · Tags: Anthony Ingraffea, fracking, Multi Well Pad, schiefergas, Schieferöl, shale gas, slickwater, spacing unit, Tight Oil, video · 10 Kommentare » http://www.peak-oil.com/2013/03/facts-on-fracking-eine-deutsche-zusammenfassung

http://www.erdgassuche-in-deutschland.de / frac-fluid Zusammensetzung

http://www.EurActiv.de Yellow Paper Hydraulic-Fracturing Hydraulic-Fracturing auf dem Prüfstand: Potenziale und Risiken In Kooperation mit ExxonMobil

Umweltlabor/277: Unbarmherzig, unbedacht - Werbe- und PR-Chemie http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula277.html

http://www.klimaretter.info/forschung/hintergrund/8390-schiefergas-klimaschaedlicher-als-kohle

15. Dezember 2013