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AUFBAU/249: Indien - "Operation Green Hunt"


aufbau Nr. 60, März/April 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

"Operation Green Hunt"


MILITÄROFFENSIVE - Seit letztem November läuft in Indien eine Militäroffensive, genannt "Green Hunt", deren offizielles Ziel es ist, die MaoistInnen aus den von ihnen kontrollierten Gebieten zu vertreiben. Die Offensive trifft in erster Linie die Adivasis.


(agkk) Indien ist bekannt dafür, eine wirtschaftlich aufstrebende Nation zu sein. "Die grösste Demokratie der Welt", wie die indische Regierung sich gerne bezeichnet, weist schon seit Jahren ein Wirtschaftswachstum von 9% auf, die Industrie wächst rasant und viele internationale Grosskonzerne haben Indien als lukrativen Markt für grosse Investitionen entdeckt.

Von diesem Wirtschaftswachstum profitiert allerdings keineswegs die gesamte Bevölkerung. Einzig eine kleine Schicht von Grossgrundbesitzern, Kapitalisten und Regierungsbeamten in den Städten verdient sich eine goldene Nase. Die reichen Rohstoffvorkommnisse und die Sonderwirtschaftszonen ohne ArbeiterInnenrechte sind für indische und internationale Konzerne von besonderem Interesse.

Auf der anderen Seite müssen rund 300 Millionen InderInnen mit weniger als einem Dollar pro Tag überleben. 47% der Kinder unter drei Jahren sind unterernährt. Dies betrifft vor allem die Menschen in den weitläufigen ländlichen Gebieten, die zum Teil noch kaum industrialisiert sind. In genau diesen Regionen hat sich vor mehr als 40 Jahren Widerstand formiert gegen diese Zustände und Ungerechtigkeiten. Es begann als kleiner Bauernaufstand 1967 im Dorf Naxalbari und weitete sich zu einer grossen revolutionären Bewegung aus, die nun schon seit 42 Jahren einen bewaffneten Kampf führt. Im Verlaufe der Jahrzehnte haben die NaxalitInnen in grossen Waldgebieten den alten Staat und die Grosseigentümer vertrieben. Trotz einem Parteiverbot ist die CPI(Maoist) mittlerweile in 20 von 28 Bundesstaaten etabliert. Die Geheimdienste gehen von 20.000 trainierten KämpferInnen und 50.000 organisierten Mitgliedern aus.


Das Land der Adivasis

Letzten November hat Ministerpräsident Singh den MaoistInnen offiziell den Kampf angesagt. Die Operation "Green Hunt", an der sich rund 70.000 Soldaten beteiligen, soll im Verlauf von zwei Jahren die Gebiete, die unter maoistischer Kontrolle stehen, zurückerobern. Es handelt sich dabei zumeist um Waldgebiete, die von UreinwohnerInnen (Adivasi) besiedelt werden, denen die Natur Lebensgrundlage ist, während der indische Staat daran interessiert ist, diese Wälder abzuholzen, um an die darunter verborgenen Bodenschätze zu gelangen.

Die Adivasi gehören seit je zu den VerliererInnen der neueren Entwicklungen in Indien. Wiederholt wurden hunderttausende von UreinwohnerInnen umgesiedelt, um Platz für Staudammprojekte oder Bergwerke zu schaffen. Auf die Bedürfnisse der Natur oder der Menschen, die schon seit Jahrtausenden in diesen Wäldern leben, wurde dabei kaum Rücksicht genommen.

Dies ist mit ein Grund dafür, dass die maoistischen RebellInnen bei den Adivasi so viel Unterstützung finden. Viele der grundlegenden Forderungen der MaoistInnen decken sich mit den Bedürfnissen der unterdrückten Urbevölkerung. Beispiele dafür sind Selbstbestimmung und politische Autonomie für die Stämme, das Land an die armen und landlosen Bauern zu verteilen, Abschaffung der Unterdrückung aufgrund von Kaste, Geschlecht oder Religion. Diese Forderungen haben die MaoistInnen in den Gebieten, in denen die Volkskomitees die politischen und ökonomischen Fragen bestimmen, weitgehend umgesetzt. Ein Justizsystem wurde eingerichtet, dessen Volksgerichte sowohl Konflikte zwischen den EinwohnerInnen als auch gegenüber den Feinden regelt. Die Gleichstellung von Mann und Frau und die Einrichtung von Frauen- und Kinderorganisationen in den befreiten Dörfern haben dazu geführt, dass Frauen und Kinder ihre Interessen wahrnehmen können. Lokale Verteidigungsmilizen sorgen dafür, dass sich Frauen freier bewegen können, ohne ständig Angst haben zu müssen, vom Forest Department oder der lokalen Polizei verschleppt und vergewaltigt zu werden.

Schulen, eine funktionierende medizinische Grundversorgung und die Weiterentwicklung der Landwirtschaft sind weitere Errungenschaften, die in den befreiten Gebieten zum Alltag gehören. So wurden neue Gemüsesorten und Früchte eingeführt, die ohne Pestizide angebaut werden. Das von Industrieanlagen verschmutzte Wasser wurde durch das Anlegen von Brunnen umgangen, Bewässerungssysteme wurden gebaut. Bücher und Zeitschriften wurden erstmals in der Gondi-Sprache gedruckt, als erster Schritt, diese alte Sprache und ihre Kultur in Südindien zu bewahren. Kulturelle Aktivitäten leben in diesem Klima des Aufbruchs wieder auf und zeigen sich in zahlreichen Tänzen, Liedern und Spielen.


Wer ist das Problem?

Gegen diese Entwicklungen richtet sich die Offensive "Green Hunt" der indischen Regierung. Wertvolle Bodenschätze sollen endlich den multinationalen Konzernen zur Ausbeutung übergeben werden, denn die Verträge sind teilweise bereits abgeschlossen. Dazwischen stehen nur noch die ausgestossenen Stämme und die MaoistInnen, die einen organisierten erfolgreichen Volkskrieg gegen diese Zustände führen.

Der Kampf, der seit November 2009 zwischen der indischen Armee und der maoistischen Guerilla verschärft geführt wird, steht einerseits im Interesse der indischen Elite und der imperialistischen Konzerne, welche die Welt als Ware sehen und keine Skrupel haben, mit dem Umsiedeln und Verhungern der Menschen fortzuführen, Flüsse zu vergiften und Wälder abzuholzen. Auf der anderen Seite stehen die RevolutionärInnen, die in eine neue Phase ihres Kampfes für ihre Rechte und ein Leben in Würde gehen und dabei ein erfolgreiches alternatives Modell verteidigen und die Hoffnungen von Millionen von InderInnen.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 60, März/April 2010, S. 4
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Bern, Postfach 87, 3174 Thörishaus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2010