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AUFBAU/252: Die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten ... und dann?


aufbau Nr. 60, März/April 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten ... und dann?


ARBEITSZEITVERKÜRZUNG - Man hört da und dort, die Frauen seien die Gewinnerinnen der Krise, sie seien weniger von Entlassung betroffen als Männer und ihre Erwerbsquote habe generell zugenommen. Diese Aussagen müssen unter die Lupe genommen werden.


(akfk) Tatsächlich hat sich die Zunahme der Frauenerwerbsarbeit vor allem über Teilzeitarbeit entwickelt. Während im Jahr 2009 der Frauenanteil an der Erwerbsarbeit bei 29.5% lag, war ihr Anteil an den Teilzeiterwerbstätigen 79.2%; bei den Angestellten mit leitender Funktion machten sie lediglich einen Anteil von 33.4% aus (1). Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache: Dreiviertel der erwerbstätigen Frauen sind in Teilzeit beschäftigt. Dies hängt vor allem mit der Unvereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit in den herrschenden Arbeitsstrukturen zusammen.


Nach wie vor in Abhängigkeit

Von den Löhnen aus solchen Arbeitsverhältnissen können Frauen oft nicht leben. Das bedeutet Abhängigkeit vom Partner und/oder von staatlichen Sozialleistungen. Ebenso verdienen Frauen auch bei Vollbeschäftigung in der reichen Schweiz im Durchschnitt noch immer 19% weniger als Männer. Auch werden bei Teilzeitarbeit meist niedrigere Stundenlöhne bezahlt, so dass sich die Betroffenen hier oftmals in prekarisierten Verhältnissen befinden. Ebenso zeigen die aktuellen Erwerbslosenstatistiken, dass die Krise nicht prioritär männliche Industriearbeiter, sondern ebenso Frauen trifft. Tatsächlich übersteigt die Arbeitslosenquote der Frauen mit 4.1% jene der Männer mit 3.9% (Oktober 2009). Ebenso werden die angekündigten Sparprogramme im öffentlichen Bereich vor allem Frauen stark treffen, sei dies als Angestellte in diesen Bereichen oder als BenützerInnen von z.B. Kinderbetreuungsstrukturen.

Wo sind also die existenzsichernden und qualifizierten Arbeitsplätze, die der bestausgebildeten Frauengeneration aller Zeiten offen stehen? Offensichtlich geht es den Kapitalistinnen nicht um eine reale Chancengleichheit für alle Frauen auf qualifizierte Arbeit. Im Zentrum des kapitalistischen Interesses steht die Verfügbarkeit von einer genügend grossen Auswahl an gut ausgebildeten weiblichen Arbeitskräften, die je nach Bedarf einsetzbar sind. Mehr Frauen sollen, berufstätig sein, da der Standort Schweiz auf dieses Potential im globalen Wettbewerb nicht verzichten kann. Mehr Frauen sollen Karriere machen - ganz im Sinne einer Studie von McKinsey, wonach Firmen mit mehr als drei Frauen im Vorstand bis zu 53% mehr Profit erwirtschaften. Ausserdem, so stellen sie fest, ist es gut, wenn jetzt in der Krise (wo viele Männer arbeitslos werden oder in Kurzarbeit gehen müssen) beide Partner erwerbstätig sind.

Wenn es den Herrschenden ernst wäre mit der "Gleichberechtigung", dann müssten sie bei den Arbeitsstrukturen ansetzen. Wie kann von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie die Rede sein, wenn immer weitere Flexibilisierungen, Privatisierungen, Deregulierungen stattfinden? Tendenzen also, die genau in die Gegenrichtung zielen?


Arbeitszeitverkürzung - und zwar radikal!

Welche Forderungen haben wir, um gegen diese Angriffe und für existenzsichernde qualifizierte "gute" Arbeitsplätze zu kämpfen?

Ein erster Schritt wäre eine radikale Reduzierung des "Normal"-Arbeitszeitverhältnisses für Männer und Frauen bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das würde den Bedürfnissen der Vollzeitbeschäftigten entsprechen, die bei Befragungen immer wieder unabhängig vom Geschlecht angeben, dass sie sich kürzere Arbeitszeiten wünschen, um mehr Zeit für sich selbst, für Partnerschaft und Familie zu haben. Das würde Arbeitsvolumen schaffen für Arbeitslose und für die vielen teilzeitbeschäftigten Frauen, die auf längere Erwerbsarbeitszeiten angewiesen sind, um endlich existenzsichernde Löhne und Aufstiegsmöglichkeiten im Berufsleben verwirklichen zu können. Dies würde einen Beitrag zur Umverteilung von Arbeit insgesamt leisten, weil gesellschaftlich notwendige Arbeit, die im Bereich Erziehung, Pflege und Ehrenamt mehrheitlich von Frauen bisher unbezahlt und zu Lasten ihrer Erwerbsarbeit und/oder Freizeit geleistet wurde, in qualifizierte Erwerbsarbeit für andere umgewandelt werden könnte.

Eine radikale Arbeitszeitverkürzung ist eine alte Forderung nicht nur der gewerkschaftlichen Frauenbewegungen, und sie ist hochaktuell! Diese Arbeitszeitverkürzung muss flexibel gemäß den unterschiedlichen Bedürfnissen von Frauen und Männern verschiedener Lebensphasen gestaltet werden und sie muss mit der Forderung nach gesellschaftlichen qualitativ hochstehenden Einrichtungen für die Kinderbetreuung verbunden werden.

Klar ist, Arbeitszeitverkürzung steht weder auf der Agenda des Kapitals noch der Regierung. Sie widerspricht der Logik des Kapitals. Das macht die Diskussion über und die Aktionen für diese Forderung für KommunistInnen besonders interessant, weil sie wichtige Einsichten in die Absurditäten des herrschenden Systems und in die Notwendigkeit seiner Überwindung vermitteln kann. Eins ist sicher: die Durchsetzung von Arbeitszeitverkürzung braucht langanhaltenden, entschlossenen. Klassenkampf. Dieser kann nur in Verbindung mit dem Frauenkampf gewonnen werden.


(1)Quelle: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/20/05/tblank/key/ueberblick.html
     letzte Aktualisierung: 5.11.2009


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Quelle:
aufbau Nr. 60, März/April 2010, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2010