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AUFBAU/265: Arbeitslose - Opfer statt Faulpelze!


aufbau Nr. 61, Mai/Juni 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Arbeitslose: Opfer statt Faulpelze!


ARBEITSLOSIGKEIT - Mitten in der Krise will das Parlament die Leistungen der Arbeitslosenversicherung (ALV) kürzen. Die Erwerbslosen sollen den Schuldenberg der ALV auf ihrem Buckel abtragen. Laut werden Argumente, welche den Arbeitslosen vorwerfen, faul und zu wenig flexibel zu sein. Doch Arbeitslosigkeit hat in den wenigsten Fällen mit persönlichem Verschulden zu tun.


(agw) Mit der vierten ALV Revision sollen die derzeitigen Schulden von rund 6 Milliarden Franken abgebaut werden. Vorgesehen ist vor allem eine Kürzung der Bezugsdauer von jungen Arbeitslosen. Diese stehen am meisten im Verdacht, sich nicht genügend um eine Arbeit zu bemühen. So erklärte beispielsweise der SVP-Jungpolitiker Lukas Reimann im "10 vor 10": "Bei den Jungen gibt es viele, die nach der Ausbildung einfach so mal auf Kosten der ALV leben."


Neoliberaler Sozialabbau

Schon seit Beginn des Kapitalismus stehen Arbeitslose unter dem Generalverdacht, faul zu sein. Sie seien zu wenig flexibel und deshalb auch selbst Schuld an ihrer Situation. Dies ist auch oft das Hauptargument, wenn es darum geht, die Sozialleistungen für Arbeitslose runterzuschrauben.

Solche Sozialabbaumassnahmen wurden in den Industriestaaten vor allem nach dem Ende des Wirtschaftsaufschwungs der 50er und 60er Jahre lanciert. Ein prominentes Beispiel ist die Abbauoffensive durch die ehemalige Premierministerin Englands Margaret Thatcher in den 80er Jahren. In der Schweiz sind solche bürgerlichen Bestrebungen vor allem seit Beginn der 90er Jahre feststellbar. Der jüngste Angriff auf die Arbeitslosenversicherung steht also einerseits in einem längeren Kontext von Attacken auf die Sozialleistungen, anderseits ist es auch kein Zufall, dass er gerade in einer Zeit kommt, da sich die Krise des Kapitalismus verschärft. Neben den konkreten Kosteneinsparungen für den bürgerlichen Staat wird mit einer Verschlechterung der B&lihgüngen Arbeitsloser auch gleichzeitig das Heer einer industriellen Reservearmee sichergestellt. Dies erlaubt es den Kapitalisten wiederum, auch weitere Angriffe auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der noch Beschäftigten zu starten.


Aus der Krise geboren

Die heutige Form der obligatorischen Arbeitslosenversicherung wurde 1976 in die Wege geleitet. Vorher führten lediglich einzelne Kantone öffentliche Kassen. Die meisten Versicherten waren jedoch bei Gewerkschaften registriert. Die Einführung der gesetzlichen ALV erfolgte also während der weltweiten Rezession welche ab 1974 auf den Jahrzehnte andauernden Nachkriegsboom folgte. Während den Aufschwungsjahren herrschte hierzulande Vollbeschäftigung und so interessierte sich niemand für eine Entschädigung im Falle einer ungewollten Erwerbslosigkeit. Die Krise der 70er Jahre traf die Schweiz dann aber hart. Rund 11 Prozent der produktiven Arbeitsplätze gingen verloren. Erstaunlicherweise schlug sich dieser radikale Einbruch des Arbeitsmarktes nicht sofort in den Statistiken nieder. Grund dafür sind die ausländischen Arbeiter unter den damaligen Entlassenen, welche wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten. So wurde die Arbeitslosigkeit exportiert. Auch Frauen und Jugendliche zogen sich aus dem Arbeitsmarkt zurück, und fielen so aus der Statistik.


Strukturelles Problem

Erst seit Beginn der 90er Jahre ist statistisch eine zunehmende Erwerbslosigkeit bemerkbar. Erstmals nach dem zweiten Weltkrieg lässt sich in der Schweiz wieder eine strukturelle Arbeitslosigkeit um ca. 3.5 Prozent beobachten. Das bedeutet, dass seither trotz der neu geschaffenen Stellen im Dienstleistungsbereich wieder ein permanenter relativer Überschuss an Arbeitskräften besteht, welche der Arbeitsmarkt nicht zu absorbieren vermag. Deren Fähigkeiten liegen so unter den herrschenden kapitalistischen Bedingungen ungenutzt brach. Hier wird klar, dass Arbeitslosigkeit mehrheitlich kein individuelles Versagen darstellt, sondern mit den Schwankungen des Marktes steigt und fällt.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Arbeitsgruppe Jugend (agi), Kulturredaktion (kur), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk)


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Quelle:
aufbau Nr. 61, Mai/Juni 2010, S. 12
HerausgeberInnen:
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Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2010