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AUFBAU/419: Krieg und anhaltende Krise - beim G7 gilts ernst


aufbau Nr. 81, mai / juni 2015
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Krieg und anhaltende Krise - beim G7 gilts ernst


G7-GIPFEL Vom 7.-8. Juni findet im abgeschiedenen bayrischen Elmau der diesjährige G7-Gipfel statt. Im Fokus stehen dabei neben der erneuten Thematisierung des Ukrainekonfliktes weitere imperialistische Interventionsfelder und zentrale Wirtschaftsfragen rund um die Freihandelsabkommen.

(agkkz) Auffallend dominant sind beim diesjährigen Gipfeltreffen verschiedene Fragen der Sicherheitspolitik auf der Traktandenliste aufgelistet. Es soll einerseits erneut über die Ukraine diskutiert werden, um dabei endlich Einigkeit über mögliche Waffenlieferungen oder andere Konsequenzen zu erzielen. Andererseits soll es auch um die anhaltende Bedrohung durch den IS und andere Formen des "Terrorismus" gehen. Dass selbst die Ebola-Epidemie unter dem Titel "Aussen- und Sicherheitspolitik" thematischer Bestandteil des Treffens sein wird, deutet darauf hin, dass eine strategische Stossrichtung der G7-Staaten künftig darin liegen wird, keine weiteren Krisenherde und fragmentierte, instabile Regionen zuzulassen.

Denn unzufrieden mit dem eigenen Vermächtnis im Irak und dem Blick auf bestimmte Regionen Afrikas zeigt sich für die Herrschenden gegenwärtig, dass mit wenig staatlicher Autorität ausgestattete Regionen rasch von unliebsamen, oftmals islamistischen Gruppen vereinnahmt werden können. Und eine weitere Ausdehnung von solchen Kriegs- und Krisenregionen, beispielsweise in die Länder des Maghreb, könnte insbesondere den europäischen G7-Staaten teuer zu stehen kommen. Wie eine solche imperialistische Stabilisierungspolitik zukünftig aussehen könnte, zeigte sich anfangs April, als die amerikanische Regierung den 2013 zwischenzeitlich eingefrorenen Waffendeal mit Ägypten wieder in Kraft setzen liess. Tat man früher wenigstens noch rhetorisch so, als seien solche Deals an die Wahrung von Menschenrechten geknüpft, legitimierte Obama seinen Handel lapidar mit Gründen der nationalen Sicherheit. Will heissen, so lange Ägypten in der Region für Stabilität sorgt, dürfen sie ausgestattet mit Waffen aus dem Westen tun und lassen was sie wollen. Wie es sich aktuell auch bei der ziellosen Bombardierung des Jemens durch die arabischen Interventionsmächte zeigt.


Freihandel als Krisenbewältigung

Doch damit lösen die G7-Staaten weiterhin nicht ihr zentrales Problem. Denn wie in den letzten Jahren schon fehlt es noch immer an rentablen Investitionsmöglichkeiten. Die immer tiefere Profitrate lässt Investoren zögern und Kapital brach liegen. Vor allem Deutschland und die USA pochen hierbei auf die neuen Freihandelsabkommen TISA und TTIP als ökonomische Gegenmassnahmen. Die Aufhebung von nationalstaatlichen Protektionsmöglichkeiten und die Verminderung von Zollhürden sollen die Kapitalakkumulation langfristig erleichtern und neuen Schwung in die Weltwirtschaft bringen. Verklausuliert bedeutet dies gemäss dem offiziellen Programm, dass die G7-Staaten sich am diesjährigen Treffen besonders stark für "offene Weltmärkte" einsetzen wollen und darum ersuchen "den internationalen Handel weiter zu stärken". Was nichts anderes bedeutet, als dass auch in der Abgeschiedenheit von Elmau über die neuen menschenfeindlichen Freihandelsabkommen diskutiert werden wird.


Einigkeit nach aussen - Widersprüche nach innen

Doch die anhaltende wirtschaftliche Krise bleibt eben auch eine politische Krise. So entwickelt sich innerhalb des Staatenbundes ein zunehmendes Handlungsparadox. Einerseits findet aus Gründen der Statuswahrung ein verstärkter kollektiver Kampf gegen wirtschaftlich aufstrebende Staaten statt, was vordergründig zu einem gemeinsamen Auftreten gegen aussen führt. Andererseits aber nehmen auch nationalstaatliche Partikularinteressen zu und die Widersprüche zwischen den G7-Staaten verschärfen sich. Was beispielsweise im Konflikt um die Ukraine zu beobachten ist: So stark sich die aktuellen Mitgliedsländer rhetorisch gegen Russland positionieren mögen, so uneins sind sie doch in der Frage der zu wählenden Strategie. Die amerikanische Regierung sprach hierbei gar von "taktischen Meinungsverschiedenheiten" und meint damit die vorherrschende Uneinigkeit darüber, mit welchen Mitteln im Konflikt eingegriffen werden sollte. Während die Regierung Obamas für Waffenlieferungen plädiert, sträuben sich manche europäischen Staaten und wollen lieber auf den Verhandlungstisch setzen.

Solche Widersprüche gibt es aber auch zunehmend in wirtschaftlichen Fragen. Während Merkel beispielsweise fordert, dass das TTIP-Abkommen 2015 abzuschliessen sei, wehrt sich vor allem Frankreich gegen das darin von den USA geforderte "Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren". Damit wäre die Möglichkeit vorgesehen, dass gerichtlich gegen einen Staat vorgegangen werden kann, dessen Gesetzgebung sich negativ auf die Geschäfte eines Unternehmens auswirken. Durch den Widerstand Frankreichs und anderer europäischer Vertreter verzögert sich aktuell die Umsetzung des Abkommens weiterhin. Ein anderer Streitpunkt ist der wirtschaftliche Umgang mit China. So liess die amerikanische Regierung unlängst verlauten, dass sie unzufrieden mit der Entscheidung Londons sei, die neue chinesische "Investment Bank für Infrastruktur" zu unterstützen. Denn so fürchtet sich das Weisse Haus davor, dass die Weltbank im asiatischen Raum an Einfluss verlieren könnte. Grossbritannien und andere europäische Staaten hingegen sehnen sich nach den möglichen Renditen und spekulieren darauf, dass die Aufträge für die aus der neuen Entwicklungsbank finanzierten Infrastrukturprojekte wohl an Firmen aus den Mitgliedsstaaten vergeben werden.

Es herrscht eine innere Zerstrittenheit, die jedoch gerade angesichts des Konfliktes mit Russland oder der anhaltenden möglichen Verwundbarkeit durch Terroranschläge nicht nach aussen getragen werden darf. Davon zeugen auch die erweiterten Themenbereiche des kommenden Gipfeltreffens. So mag es einerseits eine bekannte PR-Strategie sein, dass neben den erwähnten Themen auch der "Meeresumweltschutz" oder die weltweite Gesundheitspolitik auf der publizierten Traktandenliste stehen. Andererseits aber geht es dabei auch darum, gemeinsame Positionen erarbeiten und veröffentlichen zu können. Denn während zur Ukraine oder zur wirtschaftlichen Entwicklung käumlichst eine verbindliche Strategie gefasst werden wird, werden sich die sieben Staaten problemlos dazu einigen können, die Meere besser schützen oder Massnahmen gegen Infektionskrankheiten ergreifen zu wollen. Freilich am liebsten dort, wo die eigene Hemisphäre nicht tangiert wird und sich die daraus folgenden Taten als humanitäre oder umweltbewusste Interventionen verkaufen lassen.


KASTEN
 
Wie organisiert sich der G7?

Öffentlichkeitswirksam wird die Zusammenarbeit der Staaten einmal pro Jahr mit einem Gipfel zelebriert, wobei das Austragungsland die Themen bestimmen darf. Dabei ist seit 2002 eine zunehmende Verlagerung der Gipfelorte in abgelegene und abgeschirmte Randregionen zu beobachten. Abseits davon gibt es jedoch ebenso eine anhaltende Vernetzung in Wirtschafts- oder Kriegsfragen, die im Hintergrund abläuft. So finden neben dem Haupttreffen mehrmals im Jahr Finanz-, Innen- oder Aussenministertreffen mit unterschiedlichen Erweiterungen, etwa durch EU-Vertreter, statt. Eine Ebene tiefer koordinieren sich auch die zahlreichen Regierungsbeamten. Auf sogenannten "Sherpa-Treffen" bereiten die Mitarbeiter der jeweiligen Länder die grösseren Treffen vor, loten Konfliktlinien aus oder kümmern sich gleich selbst um nebensächliche Themenbereiche.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 81, mai / juni 2015, Seite 8
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2015

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