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AUFBAU/491: Feminismus trifft Pop


aufbau Nr. 88, März/April 2017
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Feminismus trifft Pop


POPFEMINISMUS In den letzten Jahren lässt sich beobachten, wie junge Frauen speziell online ein neugewonnenes Selbstbewusstsein proklamieren. An ihrer Seite stehen Sängerinnen und Schauspielerinnen, die sich stolz als Feministinnen definieren. Es ist ein widersprüchliches Phänomen.


(agj) Der Popfeminismus geht um. Bekannte Frauen aus der Popkultur bekennen sich zum Feminismus, sie feiern ihre Identität als Frau und vermitteln ein Bild der Stärke. Sie schiessen dazu aus allen Kanonen, nutzen ihre Kanäle der virtuellen Medien und erreichen via Snapchat, Instagram oder Twitter Millionen Mädchen und junge Frauen. Es macht Eindruck, wenn Frauen wie Beyoncé, Lady Gaga oder Rihanna ein positives und kämpferisches Frauenbild vermitteln, welches selbstbestimmt ist. Sie können damit für viele ein erster Berührungspunkt mit frauenkämpferischen Positionen sein, die in ihrem Alltag mit sexistischen oder patriarchalen Haltungen und Handlungen konfrontiert sind. Der Popfeminismus bringt klar zum Ausdruck, dass das so nicht läuft, und stellt dem eine eigene Position entgegen.

Der Popfeminismus hat etwas Irritierendes an sich. Die Gleichzeitigkeit von Pop und Frauenkampf wirkt nicht nur widersprüchlich, sie ist es. Sinnbildlich dafür steht das abgedruckte Bild von Rihanna, welches sie online publizierte. Es zeigt sie bei einer der "Women's March" Demonstrationen in New York nach der Amtseinführung von Donald Trump. Sie posiert in einem pinken Tutu-ähnlichem Pullover mit der Aufschrift "Meine Vagina greift zurück" über den Schildern, die bei der Demo hochgehalten wurden, und kommentiert dazu "So stolz, eine Frau zu sein!!". Es irritiert, dass der Star, nicht die Masse ins Zentrum gerückt wird, es irritiert, dass man sich dabei einer Ästhetik bedient, die nicht sonderlich subversiv wirkt. Immerhin: Man kann das Verdecken des eigenen Gesichts vielleicht wohlwollend als Zeichen dafür verstehen, dass der Kult um die eigene Person zumindest ein wenig abgeschwächt wird.

Mehr als nur ein Trend?

Man kann nicht sagen, dass der Einzug des Feminismus in die Popkultur wirklich neu ist, es ist eine Entwicklung, die in den vergangenen Jahren stattfand. Das ist spannend, weil die Popkultur sich als massentauglich versteht und sich von einer Kultur der Eliten abgrenzt. Auch wenn "populär" im Deutschen eine gewisse negative Konnotation mit sich bringen mag, ist beispielsweise im französischen "populaire" viel klarer jeweils mitgemeint, dass ein Phänomen von unten her geprägt wird. Man kann die Popkultur als eine Art Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen sehen, wobei sie zu einem gewissen Grad anecken und herrschende Werte in Frage stellen muss, wenn sie ein Ausdruck sich entwickelnder Bewegungen sein will.

Der popfeministische Blick möchte dabei kulturelle und geschlechterspezifische Rollen kritisch diskutieren und umdeuten. Zudem wird die starke Frau in den Vordergrund gesetzt und die Stimme gegen sexistische Deutungen von Geschlechterrollen erhoben. In den 1990er-Jahren gab es beispielsweise die Bewegung der Riot Grrrls, welche als Antwort auf die männerdominierte amerikanische Musikszene entstand. Heute besprechen Modemagazine von Gratiszeitungen diese Bewegung und dokumentieren ihre Zielsetzung: "Grrrl zielt darauf ab, die ungezogenen, selbstsicheren und neugierigen Zehnjährigen wieder in uns zu erwecken, die wir waren, bevor uns die Gesellschaft klarmachte, dass es Zeit sei, nicht mehr laut zu sein und Jungs zu spielen, sondern sich darauf zu konzentrieren, ein Girl zu werden, das heisst eine anständige Lady, die die Jungs später mögen würden."

Die Popfeministinnen von heute haben dabei wohl eine markant höhere Reichweite als die Riot Grrrls, wenn sie ihre Stimme erheben und fordern, als Frauen ernst genommen zu werden. Das hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass der Popfeminismus zu einem grossen Teil digital stattfindet. Rihanna's Bild aus New York wurde mehr als eine Million Mal auf Instagram geliked, es gibt tausende Kommentare dazu. Es ist wiederum eine widersprüchliche Angelegenheit. Natürlich ist es eine gute Sache, dass so viele sahen, dass ein Demonstrationsbesuch gut ist. Natürlich ist es keine gute Sache, wenn diese Feststellung nur digital stattfindet und nicht durch eine entsprechende Praxis begleitet wird. Gerade die "Women's March" Demonstrationen zeigen, dass Mobilisierungen auf der Strasse um ein Vielfaches wichtiger sind als ein paar Klicks im Internet.

Es ist gut, dass derartige Positionsbezüge von Millionen von jungen Frauen wahrgenommen werden. In der kapitalistischen Gesellschaft müssen die patriarchalen Geschlechterstereotypen aufgezeigt und entlarvt werden. Aber es bleibt ein schaler Nachgeschmack, weil der Popfeminismus oft an dieser Oberfläche stecken bleibt. Neue, alternative Rollenbilder reichen nicht, wenn die Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft immer noch durch Ausbeutung bestimmt sind. Eine frauenkämpferische Kritik muss einhergehen mit einer Kritik am Kapitalismus, welche ebendiese Ausbeutung der Frau nährt.

Ein zweiter notwendiger Kritikpunkt ist, dass der Popfeminismus als Teil der Popkultur immer zugleich Objekt der kapitalistischen Verwertung ist. Wenn Feminismus Trend ist, dann soll Feminismus verkauft werden. Die grossen Modehäuser überschlagen sich im Eifer, Kollektionen von Pullovern und T-Shirts auf den Markt zu bringen, die mit Frauenpower-Sprüchen garniert sind. Zwei Fliegen werden mit einer Klappe geschlagen: Man macht Profit mit dieser Bewegung und integriert und verwässert sie gleichzeitig dergestalt, dass von den subversiven Elementen wenig übrigbleibt.

Ähnlich wie beim bürgerlichen Feminismus, der danach trachtet, die Managementetagen mit mehr Frauen zu besetzen, aber wenig von antikapitalistischer Politik hält, ist es wichtig, die verschiedenen Strömungen im Popfeminismus auf ihren Inhalt hin zu untersuchen. Es gibt zweifelsohne darin subversive Ansätze, die man explizit stärken kann, wie auch solche, die wenig mit dem Frauenkampf zu tun haben.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Popstar Rihanna inszeniert sich auf Instagram zusammen mit Schildern vom Womens March

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 88, März/April 2017, Seite 9
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
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Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2017

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