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AUFBAU/512: Der Feminismus junger Frauen


aufbau Nr. 90, September/Oktober 2017
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Der Feminismus junger Frauen


FEMINISMUS In der vorletzten Ausgabe vom aufbau haben wir uns mit Popfeminismus auseinander gesetzt. Wir haben nun auch mit jungen Frauen ein Gespräch darüber und allgemein über Feminismus geführt.

(agj) Dass der Frauenkampf aktuell viele bewegt, ist erkennbar an den vielfältigen Mobilisierungen, die sich rund um das Thema auf der ganzen Welt bilden. In der Schweiz besonders interessant waren die Bemühungen von jungen Frauen, sich am internationalen Frauenkampftag am 8. März selber, zusätzlich zur traditionellen Samstags-Demo, unbewilligt die Strasse zu nehmen. Der Frauenkampf in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren im Zuge gesellschaftlicher Prozesse auch stark verändert. Es sind neue Positionen und Schwerpunkte aufgekommen, wie beispielsweise queerfeministische Positionen.

Wir haben Gespräche geführt mit jungen Frauen, die sich im Frauenkampf bewegen und in der RJZ organisiert sind. Was diese jungen Frauen zu den neusten Entwicklungen des Feminismus sagen und was sie bewegt, ist sehr interessant. Es ist die junge Generation, die neuen Wind in die Bewegung hineinbringt und den Kampf weiterführt.

Das Hauptthema der Gespräche mit den jungen Frauen war das Phänomen des Popfeminismus. Aber sie beschäftigen sich auch mit ökonomischen Fragen, mit Fragen der Geschlechterrollen und mit Identität. Für viele junge Frauen stellt die Erfahrung von sexistischen Handlungen und Sprache den ersten Bezugspunkt zu feministischen Ansätzen dar. So war es auch bei einigen der RJZ-Frauen. Anderen wurde die Wichtigkeit des Frauenkampfes erst mit der Politisierung bewusst. Auf jeden Fall waren sich alle darin einig, dass es unerlässlich ist, sowohl strukturelle Ungleichheiten in der Schule oder am Arbeitsplatz, wie auch sexistische Sprache und ungleiche Rollenverhältnisse anzugehen.

Eine junge Frau fragte sich beispielsweise, "wieso junge Frauen, welche wechselnde Partner haben, als Schlampen gelten und Jungs, die viele Mädchen erobern, als Helden angesehen werden". Die jungen Frauen sind sich aber einig, dass nicht Bezeichnungen oder die Sprache die Hauptproblematik darstellt, sondern die Gesellschaftsstrukturen, in denen Frauen unterdrückt werden.

Die Selbstdarstellung von Frauen in den sozialen Medien hat die jungen Frauen sehr beschäftigt. Es wird kritisiert, dass in sozialen Medien Bilder zu feministischen Themen gepostet werden. Dies sei aber eine Aktivität, die an der Oberfläche bleibt: "Der Popfeminismus wird im Internet durch Bilder von jungen Frauen sichtbar, die ihren Körper präsentieren und sagen, dass ihr Körper ok ist, wie er ist. Aber meistens sind dies Frauen, die einen, Körper haben, der dem gängigen Ideal völlig entspricht." So wird die vermeintliche Emanzipation von einengenden Schönheitsidealen nur zu deren Bestätigung.

Ein paar Erklärungen haben die jungen Frauen für dieses Verhalten: "Man merkt, dass es nie wirklich in die Köpfe geht, was Feminismus bedeutet. Was es heisst, sich für Frauenrechte einzusetzen. Man schreibt 'Feminismus' unter ein Bild und dann ist es auch genug" Und: "Für viele Mädchen ist es eigentlich cool, eine emanzipierte Frau zu sein. Aber was es eigentlich heisst und was es für sie selber bedeutet, wird nicht thematisiert. Es ist mehr ein oberflächlicher Trend, an dem man einfach teilhaben will." Diese Oberflächlichkeit beschäftigt die RJZ-Frauen und sie machen sich Sorgen, dass es zu einer Verwässerung des Begriffes Feminismus kommt. "Man muss aufpassen, dass es nicht zu einem Klischee wird, wenn es keinen revolutionären Aspekt mehr hat und einfach nur Merchandise ist und keine Bedeutung mehr hat."

Aber auch die positiven Aspekte dieses neuen Aufschwungs im Feminismus wurden angesprochen: "Nichts desto trotz, kann es ein Anfang sein, dass man sich überlegt, was Emanzipation ist, was Feminismus überhaupt ist. Auch wenn es nur oberflächlich bleibt, werden Begriffe wie Emanze, die in unserer Gesellschaft zum Teil negativ behaftet sind, positiv aufgenommen, wenn man sich dazu Gedanken macht und wenn man stolz darauf ist, emanzipiert zu sein." Die jungen Frauen sehen genau, dass der Popfeminismus ein widersprüchliches Phänomen ist. Ohne den eigenen Anspruch an eine revolutionäre Klassenposition zu verlieren, sehen sie, dass linke Themen, welche von der Masse aufgenommen werden, für unseren Kampf ein wichtiger Motor sein können. "Man kann es auch als Chance sehen, weil Feminismus schon lange nicht mehr so verbreitet war wie jetzt". Das heisst, wenn man dazu Propaganda macht und die Leute dazu bewegt, sich tiefer damit zu befassen oder sich überhaupt damit zu befassen und es nicht nur als einen Aufdruck auf einem T-Shirt zu haben, dann entsteht vielleicht ein extremes Potential."

Der Umgang mit dem oberflächlichen Feminismus steht für die jungen Frauen auch schon fest: "Die Frage ist jetzt: Wie kann man aus diesem Label etwas machen und mehr in die Tiefe gehen und da sehen wir sicher die Lösung auf der Strasse Wir wollen wirklich etwas machen, auf die Strasse gehen und nicht nur einem Trend folgen, sondern uns selber politisch mit Feminismus befassen. Aber in die Tiefe gehen muss man dann trotzdem noch mit den politischen Einstellungen und für das muss man auch Plattform bieten und überhaupt Informationen bieten." Es ist also wichtig, dass feministische Themen vertieft werden können und Positionen auch anschlussfähig sind. Weiter sollen die Positionen mit einer reellen Präsenz auf der Strasse und mehr Sichtbarkeit gestärkt wird.

Die RJZ-Frauen sehen auch noch eine weitere Gefahr: "Feminismus ist ja momentan trotzdem Trend und Trends gehen immer wieder vorbei, und dann interessiert es niemanden mehr und wir stehen einfach wieder da als die Feministinnen, die Männer hassen und lesbisch sind." Diese Aussage beschreibt eigentlich sehr schön, worum es im Frauenkampf gehen sollte. Nicht um Männerhass oder sexuelle Vorlieben. Es geht darum, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen gesellschaftlich und strukturell geprägt ud somit durch die ökonomischen Verhältnisse bedingt sind, die es zu verändert gilt. Das soll nicht heissen, dass nicht auch andere Themen Platz haben können. Um dem Trend-Phänomen entgegen zu wirken, ist die Erkenntnis der ökonomischen Verhältnisse unerlässlich. Die jungen Frauen möchten, dass der Frauenkampf die Kontinuität behält und gleichzeitig auch anwachsen kann, auch wenn der Trend vorbeigeht.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 90, September/Oktober 2017, Seite 12 - 13
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2017

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