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CORREOS/049: El Salvador - Ist es soweit?


Correos des las Américas - Nr. 155, 18. November 2008

EL SALVADOR
Ist es soweit?

Nach zwanzig Jahren bewaffnetem und bald siebzehn Jahren nicht weniger schwierigem unbewaffnetem Kampf hat der FMLN zum ersten Mal reale Aussichten auf einen Wahlsieg anfangs nächstes Jahr. Was hier kaum mehr wahr genommen wird, ist dort mit enormen Sehnsüchten verbunden. Und mit Hass auf der Gegenseite, die alles versucht, den Trend zu stoppen. Aus drei leicht überarbeiteten Updates an die Mitglieder einer Wahlbeobachtungsmission, die das ZAS und medico international, unterstützt vom SAH, organisieren.

Von Dieter Drüssel


(6.8.08) Laut einer unveröffentlichten FMLN-Umfrage führt die Linke in San Salvador bei der Wahl für das BürgemeisterInnenamt (Alcaldía) mit fast 20 Prozent Vorsprung, landesweit bei der Präsidentschaftswahl mit etwas weniger als 15 Prozent. LPG-Datos, das Meinungsforschungsinstitut des reaktionären Massenblattes La Prensa Gráfica, gibt dem FMLN 7 bis 8 Punkte Vorsprung für die Präsidentschaftswahlen und hat angefangen, Gegensteuer zu geben: Die "Lösungsvorschläge" von ARENA seien für die Befragten überzeugender, nur die Person des FMLN-Kandidaten Mauricio Funes, des populären früheren TV-Journalisten, stehe noch im Wege; die Mehrheit gehe neu von einem ARENA-Sieg aus.

Die grossen Vorsprünge des FMLN, wie sie seit Monaten praktisch unisono verkündet werden, entsprechen natürlich nicht einer plötzlichen revolutionären Entschlossenheit im Volk. Sondern sind eine Reaktion auf die langsam wirklich dramatisch werdende soziale Lage. Scaramello (Landesvertreter des Welternährungsprogramms WFP) hat im Mai laut einer Notimex-Meldung an einem Forum an der Nationaluni gesagt, die Bevölkerung habe die Hälfte ihrer Kaufkraft für Nahrungsmittel verloren. Der Economist schrieb am 17. April 2008 von einem gleich hohen Kaufkraftverlust der "Armen". VerkäuferInnen von Grundnahrungsmitteln berichten von einer Umsatzeinbusse um die Hälfte. In der aktuellen Augustferienwoche besucht "San Salvador" weniger die Strände als die vielen Gratismessen von Alcaldía und Regierung - kein Geld im Portemonnaie. Das macht diese Wahlkonjunktur so unvorhersagbar. Solange die FMLN-Option weniger eine politisch klare, denn eine "Protest"-Reaktion ist, kann sie natürlich auch wieder gekehrt werden. Allerdings scheint die seit Monaten andauernde Hetze FMLN = FARC = Narcoterroristas wenig zu verfangen.

ARENA lässt sich jetzt vom PR-Team des PP-Chefs Mariano Rajoy (Spanien) beraten, das in Mexico Felipe Calderón promoviert hat. Zudem von Fachkräften eines salvadorianischen Unternehmens für Produktwerbung. Und schliesslich kann ARENA auf die Beratungsdienste des US-Meinungsforschungsinstituts Mitofsky zählen. (Mitofsky und Edison machten sich 2004 lächerlich, als sie, nachdem ihre für die grossen Medien durchgeführten Exit Polls John Kerry als Sieger ausgewiesen hatten, eine Erklärung veröffentlichten, wonach wegen mangelnder Auskunftsbereitschaft der Bush-AnhängerInnen die ausser bei den beiden Bush-Wahlen stets extrem verlässlichen Exit-Polls irreführend gewesen seien.)


Cambio statt Migration?

Zur sozialen Unvorhersehbarkeit gehört natürlich auch der Umstand, dass aufgrund der Rezession und der MigrantInnenhatz in den USA das Auswandern seinen Synonymcharakter für den 'cambio' verliert. Eigenartigerweise steigen die Rimessen offiziell immer noch leicht an, während sie etwa für Mexiko am Sinken sind. Vergegenwärtigen wir uns: Etwa ein Viertel der salvadorianischen "Illegalen" in den USA hat auf dem Bau gearbeitet; viele von ihnen durchsuchen jetzt die Abfallsäcke; die Löhne in den USA sinken; in El Salvador hört man zum ersten Mal von bisher Ausreisewilligen, dass sie das jetzt lassen wollen. Doch der Zentralbank zufolge steigen die Rimessen unverdrossen an.

ARENA ist sich der sozialen Brisanz bewusst und geriert sich als eigentlich sozialdemokratische Kraft. Das ist sie natürlich nicht. Ávila etwa hat stinkfrech, vom FMLN abgekupfert, die Wiedereinführung strategischer Nahrungsreserven im Stile der 1991 von Präsident Freddy Cristiani (ARENA) und vom IWF demolierten Institution IRA propagiert. Gleichzeitig betreibt seine Partei mit dem angestrebten Pachtgesetz einen verschärften Angriff auf BäuerInnen (faktische Zwangsverpachtung! Enteignung "unproduktiver" Kleinparzellen in die Hände von Kapitalgruppen aus den Bereichen Agrotreibstoffe, Tourismus und cash crops) und legalisiert parallel auch GVO-Saatgut (Saatgut wird nach dem kürzlichen Verkauf von Cristianis Monopolgeschäft jetzt direkt von Monsanto kontrolliert).


Schnapsideen gegen Umfrageergebnisse

(9.10.08) Umfrageergebnisse verleiten oft zu Kaffeesatzleserei statt zu Arbeit. Aber zwischendurch sollen wir uns auch einmal kurz freuen dürfen, verdad que sí? Die Jesuitenuni UCA veröffentlichte soeben die Resultate ihrer letzten Meinungsumfrage. Danach gewänne der FMLN die Präsidentschaftswahlen mit 44.9 Prozent (ARENA: 30 Prozent), die Parlamentswahlen mit 41.4 Prozent (ARENA: 27.0 Prozent) und die Gemeindewahlen mit 38.0 Prozent (ARENA: 29 Prozent).

Die Resultate der UCA entsprechen denen anderer Umfragen aus der letzten Zeit und widersprechen massiv dem von den Zeitungen El Diario de Hoy und La Prensa Gráfica sowie dem TV-Imperium TCS verkündeten Trend zu einem Patt als Übergang zu einem Vorsprung von Arena. (Die grossen Unis haben ihre eigenen Institute für Wahlumfragen. Daneben spielen noch LPG Datos, das zentralamerikanische Unternehmen Borge y Asociados, der zentralamerikanische Ableger CID-Gallup des US-Instituts Gallup sowie Mitofsky (USA/ Mexiko), die für TCS arbeitet, eine wichtige Rolle). Auch wenn die Situation für die Rechte wohl immer noch umkehrbar ist, es wird langsam wirklich eng für sie.

ARENA ist in einem Tief, verschärft durch die internationale Krise - vor zwei Tagen berichteten die Medien, dass es der Regierung zur Zeit kaum mehr gelingt, auf dem Markt kurzfristige Schulden aufzunehmen. Das ist dramatisch, was Gaunereien der natürlich unverdrossen Schönwetter verkündenden Regierung nur unterstreichen. So beantragte sie tatsächlich bei der Weltbank, von der Bedingung der Staatsgarantie für eine Neuverschuldung (Umstrukturierung) von fast 1 Milliarde USD abzusehen, damit Präsident Tony Saca und Finanzminister Handal das Geschäft nicht vors Parlament bringen müssten. Das "No" der Weltbank war für die Regierung oberpeinlich. (Mein Tipp zu dieser Schnapsidee: Juan José Daboub, früherer Privatisierungsboss der ARENA-Regierungen und danach von Wolfowitz auf einen Chefposten in der Weltbank geholt, hat bei seinem kürzlichen Besuch im Land diesen Seldwyla-Akt mit ausgeheckt und ist anschliessend über die institutionellen Abläufe der Weltbank gestolpert. Diese muss sich um den Anschein bemühen, nicht mehr ganz so korrupt wie unter Wolfowitz zu funktionieren).

Auf der elektoralen Ebene zeigt sich die Schwäche von ARENA darin, dass sie bis heute noch keinem VizepräsidentschaftskandidatIn nominieren und noch kein Regierungsprogramm vorlegen konnte. Das wird demnächst, also sehr spät, erfolgen und von den Regimemedien natürlich zum Auslöser eines tiefen Meinungsumschwungs in der Bevölkerung hin zu erneuerter ARENA-Begeisterung hochstilisiert werden.


Aus dem "Hinterhof"

Am 18. September bettelte Aussenministerin Marisol Argueta vor dem American Enterprise Institute faktisch um eine US-Intervention gegen den sich abzeichnenden FMLN-Wahlsieg. Die Lage im Südkontinent sei durch den fortschreitenden Populismus sehr schwierig geworden. "Die USA müssen die Risiken und Bedrohungen ihrer Sicherheit ernst nehmen", durfte die Señora ihrem Gastgeber Roger Noriega, dem berüchtigten ehemaligen Lateinamerika-Verantwortlichen des State Departments, ans Herz legen. Diese Bedrohungen, so die Funktionärin, "stammen von einer Welle antidemokratischer Führer, deren einziges Interesse darin besteht, die USA zu provozieren und ihr Ansehen in der Region und weltweit zu beschädigen. Die Aussenpolitik der USA in der Region muss im Licht der antiamerikanischen Gefühle und der Installierung einer jedes Mal zunehmenden Zahl von antiamerikanischen Regierungen in diesem Hinterhof überprüft werden". Sie sagte tatsächlich "Hinterhof"! Den gelte es zu schützen, denn "die Oppositionspartei ist ein orthodoxes Überbleibsel der Guerilla. Einige ihrer Führungsmitglieder sind mit der ETA und den FARC eng liiert. El Salvador zu verlieren, würde einen Verlust für die Sicherheit und die nationalen Interessen sowohl von El Salvador wie den USA bedeuten". (El Faro, 29.9.08: Canciller salvadoreña pide intervención de EUA en elecciones).

El Faro, beileibe kein linkes Portal, weist übrigens zurecht auf die Parallele zu Präsident Saca hin, der am UnternehmerInnentreffen Enade wenige Tage zuvor die Patrons aufgerufen hat, ihre ArbeiterInnen punkto Wahlen zünftig unter Druck zu setzen ("mit ihnen reden"). Man staunt tatsächlich über die "Qualität" dieser Regierung: Ihr Finanzminister versucht bei der Weltbank ein so krummes Ding zu drehen, dass selbst die Zoellick-Garde abwinkt; die Aussenministerin fungiert als Sprachrohr für die Ultras in Washington und der Präsident plaudert aus, was die Patrons seit je tun, aber "diskret": die Arbeiterinnen erpressen. Ach so, ja, der von Saca als Nachfolger von Ávila ernannte Polizeichef hat schon seinen Hut nehmen müssen. Er hatte alte Vertraute aus gemeinsamen krummen Geschäften in der Zollverwaltung zu Sonderbevollmächtigen in der Polizei ernannt, um auch hier ein Geschäftchen zu machen.


Wahlbetrug

Die Umfrageergebnisse prognostizieren einen klaren FMLN-Sieg. Nur die beiden Massenblätter und das TV-Imperium TCS sprechen von einem knappen Frentevorsprung. Das soll einerseits, wie gesagt, der Animierung für den "grossen Knall" (ARENA-Vize-Kandidatur und Vorlage eines "sozialen" Regierungsprogramms) dienen und andererseits ziemlich sicher den zu erwartenden Wahlbetrug propagandistisch vorbereiten. Das kürzlich vorgelegte, definitive WählerInnenregister für die kommenden Wahlen enthält mit 4.226.479 Wahlberechtigten 961.458 mehr Menschen, als es nach Angaben der amtlichen Volkszählung überhaupt Wahlberechtigte im Land gibt (Prensa Gráfica, 5.10.08: Registro excede en 961458 a censados). Daraus wird der Padrón Electoral, der am Wahltag verbindliche Auszug aus dem Wahlregister, erstellt werden. Dabei wird die Anzahl der Stimmberechtigten wohl etwas gesenkt werden, aber nie um die Million, um die es anscheinend geht. Die fast 100.000 Toten, die laut OAS-Analyse im Wahlregister drin waren, sind es nach Aussagen des Obersten Wahlgerichts grossenteils weiterhin. Dito die über 100.000 Fälle mit fehlenden oder fehlerhaften Geburtsurkunden oder die Million von Menschen mit keiner oder einer unklaren Adressangabe. Irgendwo in diesem Mengenbereich von potenziellen PhantomwählerInnen wird der Betrug ablaufen, vermutlich primär mit der bekannten Ameisentaktik - 1 oder 2 oder 4 Falschstimmen pro Urne.

Die rechte Parlamentsmehrheit beschloss vergangenen Dezember, dass Wahlzettel ohne die bisher erforderliche Unterschrift des Sekretärs der Wahltischbehörde und deren Stempel gültig sind, was dem altbekannten Stopfen von Urnen mit Falschstimmen die Scheunentore öffnet. Hinzu kommen etwa die Einschüchterung auf dem Land oder der Stimmenkauf. Der funktioniert beispielsweise wie bei der Präsidentschaftswahl 2006 in Mexiko, entlang der sogenannten Sozialprogramme der Regierung, in El Salvador Red Solidaria genannt (und hauptsächlich über die EU-Entwicklungshilfe finanziert). Familien in ländlichen Armutsgegenden erhalten dabei typischerweise von der Regierung pro Monat etwa 10 Dollar, wenn sie dafür ihre Kinder zur Schule schicken. Das ist allenfalls zuviel zum Sterben, aber nie genug zum Leben. Aber es reicht für Abhängigkeiten und das alte "Karussell". Der/die ARENA-AktivistIn geht wählen, steckt unbemerkt seinen ausgefüllten Wahlzettel ein, bringt ihn zum Treffpunkt, wo die "HilfeempfängerInnen" von ARENA-Leuten versammelt werden, gibt den ausgefüllten Wahlzettel an die nächste stimmberechtigte Person weiter, die diesen dann - von einer ARENA-Person überwacht - einwirft und ihrerseits den eigenen Wahlzettel wieder hinausbringt. Manchmal gibt es dafür einen Hamburger mit Cola. Auch bei der zentralen Auszählung müssen wir uns auf massive Betrugsversuche gefasst machen. Dennoch scheint es schwierig, den beträchtlichen Vorsprung des Frente mit Betrug zu neutralisieren, ohne eine allgemeine Diskreditierung des Wahlganges zu riskieren. Wir werden sehen.


Kampfumfragen gegen "chavistische Diktatur"

(2.11.08) Am 9. Oktober ernannte ARENA Arturo Zablah zum Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Der frühere ARENA-Wirtschaftsminister gefiel sich seit einiger Zeit in der Rolle des Warners vor zuviel Neoliberalismus. Seit letztem Jahr versuchte die rechte FMLN-Abspaltung FDR erfolglos, den Mann zusammen mit anderen "Mitteparteien" zu portieren. Jetzt kehrt er wieder zu ARENA heim, um dieser Partei als Reformaushängeschild zu dienen. Die letztes Jahr von der Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) finanzierte Studie zum Wunschprofil des ARENA-Kandidaten postulierte zwei Erfordernisse für einen Wahlerfolg: a) ein neues sozialreformerisches Design für die Partei, und b) eine Schmutzkampagne gegen den FMLN als 5. Kolonne Venezuelas.

Die Ernennung Arturo Zablahs entspricht dem Punkt a), und für b) stehen zur Zeit gerade TV-Spots der CIA-venezolanischen "Fuerza solidaria" (FS), welche die drohende chavistische Diktatur, wie sie in Nicaragua schon herrsche, für El Salvador beklagt, sollte der FMLN die Wahlen gewinnen, bemüht. FS hat Niederlassungen in Venezuela, Washington, San Salvador, Mexiko, Spanien, Italien und demnächst Nicaragua. Geleitet wird sie von Alejandro Peña Exclusa, einem glücklosen Präsidentschaftskandidaten 1999 gegen Chávez (weniger als 1 Prozent der Stimmen). Diese Spots stehen für eine gefährliche Schmutzkampagne, die jetzt so richtig am Anlaufen ist. Die Figur Zablahs soll das reformerisch begleiten.

Mit Arturo zum Sieg? So jedenfalls suggeriert es wenig überraschend die Umfrage von Mitofsky, die am 23. Oktober in die Medien gelangte. Danach betrage der Vorsprung des FMLN auf ARENA bei den Präsidentschaftspräferenzen nur noch 3.9 Prozent (33.4 29.5). Über ein Drittel der Befragten sei noch unentschlossen oder nicht wahlbegeistert. Die "Unentschlossenen" haben in den vergangenen Wahlen mehrheitlich ARENA gewählt; oft anscheinend aus der Überlegung heraus, die eigene Stimme nicht zu "vergeuden", sondern sie dem Sieger zu geben. Dieser sympathische Zug, der Bände über die real existierende Demokratie spricht, könnte sich dieses Mal zugunsten des Frente auswirken, da die Meisten einen Frente-Sieg erwarten. Mitofsky sieht diese Überzeugung allerdings nur noch mit einen Punkt in der Mehrheit. Borge y Asociados (El Diario de Hoy) veröffentlichte ihre Ergebnisse fast zeitgleich. Danach führt der FMLN mit nur noch 1.1 Prozent Vorsprung (37.7 : 36.6). Natürlich haben die grossen Medien die Resultate gebührend bewundert und die eindeutige Tendenz zum ARENA-Sieg unterstrichen. Weshalb sie dann die parallel veröffentlichten Resultate der keineswegs Frente-freundlichen Universidad Tecnológica meist unerwähnt liessen, im Gegensatz zu früheren Schlagzeilen aus solchem Anlass. Die Ergebnisse geben dem FMLN 45.6 Prozent gegen 30.9 Prozent für die presidenciales und ähnliche Verhältnisse bei den Parlamentswahlen (unentschlossen etc. rund 20 Prozent). Die Tecnológica befindet sich damit im Trend der Umfragen der anderen Unis.


US help!

Tatsache ist, hätten Borge, Mitofsky oder Cid-Gallup in der Vergangenheit Recht gehabt, hätte der FMLN nie die Alcaldía von San Salvador gewonnen oder gar mehr Stimmen als ARENA bei Parlamentswahlen gemacht. Die seit Monaten anhaltende Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Unis und der rechten Privatunternehmen ist seltsam. Die Annahme liegt nahe, dass ein massiver Wahlbetrug mit gefälligen Umfragen propagandistisch aufgegleist werden soll. Ein Wahlbetrug, den auch die "internationale Gemeinschaft" (OAS, EU etc.) wie gewohnt übersehen wird. Laut US-Botschaft ist ein Wahlbetrug unwahrscheinlich, da das IRI (International Republican Institute) und das NDI (National Democratic Institute) die Wahlen beobachten werden. Die beiden US-Parteiinstitute sind natürlich tragende Säulen für die Politik des State Departments. (Dessen Vizechef John Negroponte, der Schlächter von Bagdad und vom Zentralamerika der 80er Jahre, liess bei einem Landesbesuch letzten Sommer verlauten, Washington werde jede Gruppe, die es mit den FARC halte, als feindlich betrachten. Es war die Zeit der Intensivhetze der Regierung Saca bezüglich angeblicher FARC-FMLN-Verschwörungen. (Am 15. Oktober kolportierte der Nuevo Herald, Miami, die Nachricht von einem möglichen FARC/FMLN-Teamwork Anfang April bei der Entführung eines Industriellen in Panama. Die Quelle: der salvadorianische Geheimdienst.) Wie immer, vom NDI und erst recht vom IRI hat ARENA nichts zu befürchten. Letztes Jahr erhielt Tony Saca von dem damals noch von John McCain geleiteten IRI den "Freiheitspreis" und durfte dabei zur US-Intervention in die Wahlen auffordern: Die USA "können eine Menge tun, um die Bürger davon abzuhalten, bestimmte, in den kommenden Wahlen offerierte Vorschläge zu unterstützen" (CISPES 2008 Fact Finding Delegation Report).

Es wird an den SalvadorianerInnen liegen, den massiven Wahlbetrug - von der an Schweizer Verhältnisse erinnernden totalen Nichtregulierung der Parteienfinanzierung über den Medienterror und die Einschüchterung am Wahltag bis zu den Manipulationen am WählerInnenregister und bei der Auszählung - auszuhebeln. Unsere Beobachtungsmission ist dabei ein Sandkörnchen, auch gegen den Betrugswhitewash aus Washington und Brüssel.


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 155, 18. November 2008, S. 20-22
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
Redaktion: Röntgenstrasse 4, 8005 Zürich, Schweiz
Tel.: 0041-(0)44/271 57 30
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2009