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CORREOS/192: Solidarität mit Nicaragua


Correos de las Américas - Nr. 178, 22. August 2014

Solidarität mit Nicaragua
Fragen und Perspektiven für die Solidarität in Europa

von Gérald Fioretta



Das erste europäische Solidaritätstreffen mit Nicaragua fand nicht direkt in Barcelona, sondern in Arbucies statt, einer kleinen katalanischen Stadt mit einer Solidaritätsgeschichte mit Nicaragua seit den 80er Jahren. Die meisten Leute kamen aus den spanischen Solikomitees und einige wenige aus Italien, Belgien und der Schweiz - leider kam niemand aus Frankreich, Luxemburg, Holland oder England, wo die Solidarität in den 80er Jahren sehr gross war. Dafür beteiligten sich nicaraguanische oder lateinamerikanische MigrantInnen aus Schweden, Dänemark und Österreich.


Kommentare

Als Vertreter aus der Schweiz war ich glücklich überrascht von der Präsenz junger Nicas, die aktiv ihre Rechte als MigrantInnen verteidigen und vor allem in Spanien versuchen, die Solidarität mit der Revolución Popular Sandinista (RPS) zu animieren. Jacinto Suárez, historischer Militanter des FSLN und verantwortlich für die internationalen Beziehungen der Partei, machte das Thema des interozeanischen Kanals zum Hauptthema. Die Schlussresolution von Arbucies behandelt den Kanal als Strategie für das nicaraguanische Volk, der Armut zu entrinnen, aber die Anwesenden haben die Schwierigkeit (genauer die Unmöglichkeit) betont, daraus eine Achse der Soliarbeit in Europa zu machen.

Dafür wurden die 40 Sozialprogramme der sandinistischen Regierung, das kostenlose Erziehungswesen und die Alphabetisierungskampagne hervorgehoben. Die europäische Solidarität beschloss zudem, die Gegeninformation zu dynamisieren, um der Feindschaft der grossen Medien gegenüber den Alba-Ländern und speziell dem Prozess in Nicaragua etwas entgegenzusetzen.


Das nächste Treffen in Rom

Was den Erfolg des ersten Treffens in Katalonien ausgemacht hat, war, dass es den mit Nicaragua und dem FSLN solidarischen europäischen AktivistInnen erlaubt hat, sich zu begegnen und Energie zu tanken, Energie, um vielleicht eine neue Solidarität zu entwickeln, angepasst an die Situation von Nicaragua in Alba, an die zweite Phase der sandinistischen Revolution.

Ein zweites europäisches Solitreffen mit der RPS ist für den 21. - 23. November 2014 in Rom geplant. Da sollten viel mehr Komitees dazu stossen, vorallem aus England, Frankreich und Deutschland, was eine breitere Diskussion mit klar unterschiedlicheren Standpunkten ermöglichen sollte. Es braucht eine klärende Diskussion, genau um eine an die zweite Phase der Revolution angepasste Solidarität zu entwickeln. Diese Diskussion wird auch die Autonomie der europäischen Solidarität betreffen, insbesondere bezüglich der Fragen, die im aktuellen Prozess Probleme verursachen. Eine mit Respekt und Offenheit geführte Diskussion!


Die Fragen

Wir denken natürlich an die religiöse Kosmovision, die in der Staats- und Parteipolitik dominiert an die Frage der von den Frauen im ganzen Prozess eingenommenen massgeblichen Positionen, an der Basis und in den Leitungen; und an das Fehlen jeglicher Diskussion der medizinisch indizierten Abtreibung. Wir denken an die lang erwartete Steuerreform, um die Früchte des in Zentralamerika grössten Wachstums wirklich zu verteilen. Wir denken an die Teilnahme der Jungen am Wiederaufbau nach den letzten Erdbeben oder an den ökologischen Brigaden; wir denken an die Schwierigkeiten, die reale Teilnahme am Parteileben zu erneuern; an die Souveränität von Nicaragua und die Probleme des sozialen und ökologischen Gleichgewichts beim interozeanischen Kanal.

Es geht auch um die Diskussion eines Hebels für die europäische Solidarität: eine konkrete Initiative, eine gemeinsame Kampagne, um die europäische Solidarität wirklich neu zu lancieren. Man könnte etwa, wie ein Compañero aus Zaragoza meinte, eine europäische Kampagne zum Thema der Agrarkooperativen und der Ernährungssouveränität in Nicaragua starten: mit internationalistischen Brigaden aus Europa, mit ihren Projekten, ihren Infokampagnen und - warum nicht? - ihren T-Shirts. Dies würde einen direkten Bezug zu einem Teil der sandinistischen Basis und einen Kontakt mit den europäischen Bewegungen für Ernährungssouveränität ermöglichen.

Die mit der Vorbereitung des zweiten Treffens beauftragten Compañer@s haben schon einige Diskussionsachsen vorgeschlagen (in denen die hier angeschnittenen Reflexionen Platz hätten):

Die fundamentale Rolle von ALBA: die Wichtigkeit des lateinamerikanischen Blocks, die Wirtschaft, die Gegeninformation.

  • Der europäische und der lateinamerikanische (nicaraguanische) Prozess und die Konsequenzen für die europäische Solidarität.
  • Das Freihandelsabkommen TTIP USA Europa: Lateinamerikanisierung Europas auch im Sinne einer Möglichkeit des Widerstands?
  • Die historischen, politischen und kulturellen Beziehungen zwischen Europa und Nicaragua/Lateinamerika: dieses Thema vertiefen, um die Solidarität mit der RPS zu stärken.

Hoffentlich trägt dieser Kommentar zur Debatte in der Schweiz über die Solidarität mit Nicaragua und ALBA bei und animiert die existierenden Komitees, am zweiten Treffen in Rom vom 21. - 23. November 2014 teilzunehmen.

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Quelle:
Correos de las Américas, Nr. 178, 22. August 2014, S. 23
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
Redaktion: Postfach, 8031 Zürich, Schweiz
Tel.: 0041-(0)44/271 57 30
E-Mail: zas11@sunrise.ch
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2014