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DAS BLÄTTCHEN/1866: CIA - wieder aktiver beim Drohneneinsatz?


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
22. Jahrgang | Nummer 2 | 21. Januar 2019

CIA - wieder aktiver beim Drohneneinsatz?

von Jerry Sommer


In Niger, 450 Kilometer südlich der libyschen Grenze, liegt der Oasenort Dirkou. 10.000 Einwohner hat die Gemeinde - und einen kleinen Flughafen. Das US-Militär hat ihn kürzlich ausgebaut. Hier starten seit Beginn 2018 Drohnen. Der US-Journalist Joe Penney war vor Ort, hat sie gesehen und gehört: "Sie starteten fast jede Nacht. Und das US-Militär erklärte: Unsere Drohnen fliegen nicht von dort. Die Franzosen sagten dasselbe. Und Niger selbst besitzt keine Drohnen."

Penneys Schlussfolgerung: Die Drohnenflüge aus Dirkou können nur vom Geheimdienst CIA organisiert sein. Diese Annahme bestätigten in Washington Informanten aus dem US-Sicherheitsapparat der New York Times.

Von Dirkou aus werden offenbar mutmaßliche Terrorgruppen im Süden Libyens beobachtet und ihre Bewegungen verfolgt. Auch von einem Drohnenangriff aus Dirkou hat Joe Penney erfahren. Ihm wurde berichtet, dass im vergangenen Juli in Libyen ein Ziel der Terrorgruppe "Al Qaida im Islamischen Maghreb" von der CIA bombardiert wurde.

US-Drohnen sind gegenwärtig in Niger auch am Flughafen der Hauptstadt Niamey stationiert. Gleichzeitig baut die US-Airforce eine große Drohnenbasis im nigrischen Agadez aus. Die US-Drohneneinsätze konzentrieren sich inzwischen auf Afrika und den Nahen Osten. Die unbemannten Flugzeuge starten unter anderem von Stützpunkten in Dschibuti, Kamerun und Tunesien. Genutzt wird zudem die US-Basis Sigonella auf Sizilien. Zum Teil erfolgen diese Einsätze unter Führung der US-Luftwaffe, zum kleineren Teil wohl auch unter Leitung der CIA.

Ob die Basis im nigrischen Dirkou ausschließlich durch den US-Auslandsgeheimdienst genutzt wird, ist unklar. Generell arbeiten die CIA und die US-Luftwaffe sehr eng zusammen. Das gilt insbesondere für das Kommando Spezialkräfte der US-Airforce. Diese Kommandoeinrichtung führt die CIA-Drohneneinsätze im Auftrage des Geheimdienstes durch, sagt Dan Gettinger. Er leitet das "Center for the Study of the Drone" am Bard-College nördlich von New York: "Die Personen, die die CIA-Drohnen steuern, sind Angehörige der US-Luftwaffe. Die CIA bestimmt die Zielpersonen und leitet die Aktionen. Aber die Drohnen und das Personal und die Infrastruktur gehören der Luftwaffe."

Der US-Geheimdienst hat wesentlich früher als die US-Luftwaffe auf den Einsatz von Drohnen gesetzt. Von Mitte der 1970er Jahre bis zum September 2001 war es der CIA dabei per Präsidentendirektive verboten, Mordoperationen durchzuführen. Nach den Terrorangriffen auf das World Trade Center und das Pentagon hob US-Präsident Bush dieses Verbot jedoch auf. Insbesondere in Pakistan führte die CIA anschließend Drohnenangriffe auf mutmaßliche Al Qaida-Mitglieder und andere Terrorverdächtige durch. Der Geheimdienst konnte zu jener Zeit mit Erlaubnis der Regierung in Islamabad von einem eigenen Stützpunkt in Pakistan aus operieren. Die pakistanische Regierung glaubte, auf diese Weise die Absprache mit den USA besser geheim halten zu können. Allerdings wurden durch die CIA-Drohnenangriffe auch viele Zivilisten getötet. Die Folge war eine Belastung der US-pakistanischen Beziehungen.

Unter Präsident Obama sind deshalb die Einsatzregeln verändert worden: Drohnenangriffe sollten in erster Linie - aber keineswegs ausschließlich - durch die US-Luftwaffe erfolgen. Außerdem sollte dafür gesorgt werden, dass zivile Opfer "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ausgeschlossen sind, was jedoch auch unter Obama nicht eingehalten wurde.

Präsident Trump hat diese Einschränkung laut Medienberichten wieder zurückgenommen. Allerdings seien die neuen Einsatzregeln geheim, kritisiert Emma Knight von der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International". Das gelte sowohl für Drohnenoperationen der US-Luftwaffe als auch für gezielte Tötungen durch den US-Auslandsgeheimdienst: "Die CIA arbeitet so sehr im Geheimen, dass wir nicht wissen, wie viele Zivilisten durch CIA-Drohnenangriffe getötet worden sind. Sie steht außerhalb jeder Kontrolle. Wir wissen nicht, welche Regeln sie bei Raketenangriffen befolgen müssen und von wo sie ihre Angriffe starten. Zudem müssen sie nicht, wie das reguläre Militär, ihre Aktivitäten öffentlich machen und dabei auch die Anzahl ziviler Opfer benennen."

US-Drohnenangriffe gibt es in den Kriegsgebieten, in denen US-Streitkräfte direkt involviert sind: Afghanistan, Syrien und Irak. Betroffen sind aber auch der Jemen, Somalia und, wie eingangs erwähnt, Libyen. Aus Pakistan werden inzwischen kaum noch Angriffe gemeldet. Im ersten Amtsjahr von Präsident Trump sind sie allerdings im Jemen und in Somalia stark angestiegen. Trump hatte die Entscheidungsgewalt aus dem Weißen Haus an das US-Militär delegiert und diesem damit weitgehend freie Hand gegeben.

Der damalige CIA-Chef Mike Pompeo hatte sich zudem dafür eingesetzt, dass der Geheimdienst wieder einfacher als bisher Drohnenoperationen durchführen kann - auch gezielte Tötungen. Offenbar hat er sich durchgesetzt, glaubt Emma Knight.

Die Enthüllung, dass der US-Auslandsgeheimdienst den kleinen Flughafen Dirkou im Norden von Niger für Drohnenflüge nutzt, ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass die CIA wieder verstärkt auf Operationen mit unbemannten Flugzeugen setzt. Joe Penney befürchtet eine Art Revival der CIA: "Ich glaube, das kann man als Eskalation bewerten. Die größeren Fähigkeiten und vermehrten Drohnenangriffe sind ein Merkmal der Trump-Regierung. Und ich würde mich nicht wundern, wenn es an anderen Orten der Welt ähnliche Entwicklungen gibt, die nur noch nicht bekannt geworden sind."

Dan Gettinger macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die CIA für ihre Drohnenflüge alle Stützpunkte der Welt nutzen könne, die auch der US-Luftwaffe zur Verfügung stünden. Die Drohnenbasis in Dirkou im Norden Nigers sieht Gettinger nur als eine Überbrückungsmaßnahme an: "Dirkou könnte als temporäre Basis für US-Drohnen dienen, solange der größere Flughafen in Agadez in Niger noch im Bau ist. Agadez sollte eigentlich schon 2016 fertig sein. Aber vermutlich wird er erst nächstes Jahr eröffnet."

Wenn es um Zuständigkeiten und Geld geht, waren CIA und US-Militär immer wieder Konkurrenten, sagt Dan Gettinger. Gegenwärtig dringe von solchen Rivalitäten allerdings nichts an die Öffentlichkeit. Wie die konkrete Zusammenarbeit, respektive die Arbeitsteilung zwischen der CIA und dem Kommando Spezialkräfte der US-Luftwaffe aussieht, sei auch nicht bekannt. Beide führten mit Drohnen sowohl Aufklärungsmissionen als auch gezielte Tötungen durch: "Die Zuständigkeiten von CIA und Luftwaffe haben sich über die Jahre verändert. Es ist auch heute nicht klar, welche Behörde, welche Einheit für welche Angriffe zuständig ist".

Bekannt ist jedoch, dass die USA ihr militärisches Engagement in Afrika ausbauen. Insbesondere sollen örtliche Regierungen "ertüchtigt" und unterstützt werden im Kampf gegen wirkliche oder vermeintliche Terrorgruppen, außer in Libyen und Somalia etwa auch in Mali und Nigeria. In afrikanischen Staaten sind über 7000 Mann Spezialkräfte des US-Militärs stationiert. Ihre Anzahl soll etwas verringert werden, nachdem vier US-Soldaten in Niger bei einem Einsatz getötet worden sind. Möglicherweise werden die USA auch vor diesem Hintergrund noch stärker auf Drohnenangriffe setzen - auch auf gezielte Tötungen. Die genaue Rolle der CIA dabei bleibt unklar.

Damit aber wächst die Gefahr, dass wieder mehr Zivilisten Opfer solcher Angriffe werden. Die Folge: Terror-Organisation könnten vergleichsweise einfach neue Anhänger rekrutieren. Zudem geraten zivile Konfliktlösungen aus dem Blick, wenn der Schwerpunkt auf militärische Tötungsaktionen gelegt wird. Joe Penney: "Militärische Operationen gegen sogenannte Terroristen können zwar wirkungsvoll sein und sie aus bestimmten Räumen vertreiben. Aber sie führen dort nicht zu mehr staatlichen und sozialen Dienstleistungen. Und sie bekämpfen nicht die Ideologie."

Wie "Amnesty International" fordert auch Joe Penney, die CIA-Aktivitäten transparenter zu machen. Doch dazu wird es wohl nicht kommen.


Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für die Senderreihe "Streitkräfte und Strategien" (NDR-Info, 12.01.2019).

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 2/2019 vom 21. Januar 2019, Online-Ausgabe
E-Mail: redaktion@das-blaettchen.de
Internet: https://das-blaettchen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2019

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