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EXPRESS/731: USA - Wie funktionieren Taft-Hartley-Versicherungen?


express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Nr. 9/2013

Ein großer Topf
Wie funktionieren Taft-Hartley-Versicherungen?

von James McGee



Gemeinsame Krankenversicherungen mehrerer Arbeitgeber (sog. »Multiemployer health care plans«) in den USA, manchmal Taft-Hartley-Versicherungen genannt, sind Versicherungsfonds, die von einem gemeinsamen Ausschuss von Gewerkschaft und Management verwaltet werden. Arbeitgeber, in der Regel kleine Unternehmen, aus der gleichen Branche und der gleichen Region, fassen ihre Krankenversicherungsbeiträge zu einem einzigen Fonds zusammen. Solche Fonds finden sich in Branchen mit befristeter und saisonaler Beschäftigung: Baugewerbe, Theater, Hafenarbeit, Transportgewerbe, Hotellerie, Gastronomie. Während die Auto- oder die Stahlarbeitergewerkschaft darüber verhandeln wollen, dass ein Arbeitgeber selbst Versicherungsleistungen anbietet, setzen sich die Iron Workers (Gewerkschaft der Monteure), UNITE Here oder die Teamsters in Verhandlungen häufig für Tarifregelungen zur Teilnahme an einer gemeinsamen Krankenversicherung mehrerer Arbeitgeber ein.


Kontinuierliche Absicherung

Der Vorteil für die ArbeiterInnen ist offensichtlich: Sie können auch über Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern einer Branche und über Phasen der Arbeitslosigkeit hinweg eine kontinuierliche Absicherung aufrechterhalten. Anspruchsberechtigungen werden durch den Fonds festgelegt, nicht durch den einzelnen Arbeitgeber.

Die Fonds haben innovative Möglichkeiten entwickelt, eine Krankenversicherung für Niedriglohn- und Teilzeitbeschäftigte bereitzustellen. Zum Beispiel haben Hotelbeschäftigte in Las Vegas und Atlantic City Zentren für medizinische Erstversorgung durchgesetzt. Insofern sind die Fonds auch nützlich für Organisierungsbemühungen, weil die Aussicht, zum Fonds zu gehören, für potentielle Mitglieder einen sehr überzeugenden Anreiz darstellt.

Auch für den Arbeitgeber gibt es Vorteile, da er auf ein Reservoir qualifizierter Arbeitskräfte mit Krankenversicherung zugreifen kann. Arbeitgeber können einen Bühnenarbeiter oder Installateur für ein Wochenende, eine Woche oder ein Jahr anstellen. Die einzige Verpflichtung der Arbeitgeber besteht darin, einen Scheck auszustellen. Sie müssen sich nicht mit Versicherungsträgern oder mit versicherungsbezogenen Beschwerden ihrer Beschäftigten befassen.

Für das Unternehmen funktioniert die Teilnahme am Krankenversicherungsfonds wie eine Versicherung mit Festbeiträgen: Es zahlt pro geleisteter Arbeitsstunde einen bestimmten Betrag in den Fonds. Im Baugewerbe beispielsweise kann der Satz mehr als zehn Dollar pro Stunde betragen.

Wenn ein Unternehmen einen Arbeiter für eine Woche anstellt, weiß es nicht, ob dieser nach den Regeln des Fonds anspruchsberechtigt ist, das liegt allein am Fonds. Es weiß nicht, ob der Arbeiter alleinstehend ist oder eine Familie mitversichert. Sein Beitrag geht in einen Topf, der vom Fonds verwaltet wird.

Ein Fonds könnte die Regel aufstellen: »150 Stunden pro Monat sind notwendig, um anspruchsberechtigt zu sein.« Die Arbeitsstunden könnten von einem Arbeitgeber kommen oder von vielen. Manche Fonds haben »Stundenkonten«, auf denen die ArbeiterInnen in einem Monat Stunden ansammeln können, die sie später verbrauchen. So bezuschussen die ganzjährig Beschäftigten diejenigen, die nur mit Unterbrechungen Arbeit finden.


(Quelle: http://www.labornotes.org/2013/03/union-health-plans-will-suffer-under-obamacare)

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express 9/2013 - Inhaltsverzeichnis der Printausgabe
Gewerkschaften Inland
  • Anton Kobel: »Trickserei oder Demokratie. Quo vadis, ver.di?«, über dieTarifverhandlungen im Einzelhandel
  • Julio Jurenito: »Kaum Zukunft in den Zukunftsindustrien«, eine Auswertungder IG Metall-Umfragen 2012 und 2013 über »Erneuerbare Energien«
  • Christoph Horst: »Weg vom Dritten Weg«, Überlegungen zum Verhältnis vonKirche und Lohnarbeit
  • Rainer Herth: »Was gibt's Neues vomWeltkrieg?«, über fortschreitende Militarisierung und den »Notstand der Republik«
  • »Eilsache: Leiharbeitstarif«, Befremden über ver.di-Verhandlungslinie in Sachen Leiharbeit
Betriebsspiegel
  • »Gesundheit: Öffentliches Gut oder Geschäftsmodell?«, Veranstaltung zu Arbeitsbedingungen im Krankenhaus in Zeiten der Ökonomisierung
  • »Bewegen in der Vernichtungskonkurrenz«, Seminar über Grenzen gewerkschaftlichen Handelns im Einzelhandel in derKrise und darüber hinaus
Internationales
  • »Moderne Sklaverei. Arbeitsbedingungen auf Achse in Europa«, eine Studie der Europäischen Transportarbeiter-Föderation
  • Anne Karrass: »Erfolg und/oder Niederlage?«, die Positionen im Europäischen Parlament zur Durchsetzungsrichtlinie
  • FreundInnen von Gongchao: »Wir sind keine Maschinen! Über den Kampf der ArbeiterInnen einer chinesischen Elektronikfabrik in Polen«
  • Jenny Brown: »Offen für Unternehmen...«, über die US-Gesundheitsreform »Obamacare«
  • »Ein großer Topf. Wie funktionieren die Taft-Hartley-Versicherungen?«
  • Alexandra Bradbury: »Cadillac-Steuer« -Vorwand für Kürzungen im Gesundheitswesen der USA
Nachruf

Günter Pabst / Carl Wilhelm Macke: »Notate der Erinnerungen. Zum Tod von Rolf Schwendter«

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Quelle:
express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Nr. 9/2013, 51. Jahrgang, Seite 13
Herausgeber: AFP e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013