Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEGENWIND/429: Widerstand gegen die Privatisierung des Universitätsklinikums Lübeck


Gegenwind Nr. 262 - Juli 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Widerstand gegen die Privatisierung des UK SH

Von Tim Stüttgen


Am 11. Juni trat die Lübecker Bürgerschaft zu einer öffentlichen Sitzung vor dem Landeshaus in Kiel zusammen. Mit dieser Versammlung wollte sie gegen die Privatisierung des Uniklinikums und die damit einhergehende Zerschlagung der Universität Lübeck protestieren. Die Sitzung, deren einziger Beratungspunkt die Rettung der Universität war, musste vor dem Landeshaus unter freiem Himmel stattfinden, weil Landtagspräsident Geerdts der Bürgerschaft einen Sitzungsraum verweigert hatte.

So war denn auch Antje Jansens erster Kritikpunkt, dass zuerst irrsinnige Sparpakete beschlossen würden, man dann aber den Protest dagegen nicht hören wolle. "Angesichts des Wetters kann man sagen: Diese Landesregierung lässt uns sprichwörtlich im Regen stehen", brachte die Bürgerschafts- und Landtagsabgeordnete der Linken das skandalöse Verhalten des Landtagspräsidenten auf den Punkt.

Die Medizinerausbildung am Universitätsklinikum Lübeck genießt bundesweit hohes Ansehen. Gibt man es preis, so wie CDU und FDP es vorhaben, nimmt man den Zerfall der gesamten Universität in Kauf.

Zwar sei es die Perspektive eines Bauern, nur seinen Hof mit seinem Land darum herum zu sehen, eröffnet Antje Jansen ihre Rede mit einem Seitenhieb auf Ministerpräsident Carstensen. Aber das Land Schleswig-Holstein sei nun einmal mehr als die Stadt Kiel mit ein paar Quadratkilometern grünem Land darum herum. "Lassen Sie Ihre Bauernmentalität hinter sich und werden Sie endlich der Ministerpräsident des ganzen Landes Schleswig-Holstein, Herr Carstensen!"

Ebenso sei eine Landesregierung nicht der Vorstand eines Bundeslandes. Weder eine Klinik noch eine Universität müssen vor allem wirtschaftlich sein. Sie dienen in erster Linie der Grundversorgung der Bevölkerung mit qualifizierten medizinischen Leistungen und qualifiziertem medizinischem Personal.

Das Universitätsklinikum ist für Lübeck von besonderer Bedeutung und einer der wenigen bedeutenden innovativen Wirtschaftsfaktoren in Schleswig-Holstein. Die Stadt und ihre Universität leben von der Zusammenarbeit des Klinikums, der Universitätsinstitute und der Medizintechnik-Unternehmen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in wachsender Zahl in Lübeck angesiedelt haben. Die Ansiedlung eines eigenständigen Fraunhofer-Instituts für Marine Biotechnologie ist in greifbarer Nähe. Gerade ein florierender Medizintechnik-Standort wäre dringend nötig, wenn die Landesregierung den Schuldenberg, den sie dem Land durch die Rettung der HSH Nordbank ebenso wie durch ihre Zustimmung zum sogenannten "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" eingebrockt hat, jemals wieder abtragen will. Denn dass die Universität Lübeck ohne die Medizinerausbildung nicht überlebensfähig ist, war dem zuständigen Wirtschaftsministerium unter Minister Jost de Jager schon vor Veröffentlichung der Sparvorschläge bekannt, da ein entsprechendes Gutachten der Haushaltsstrukturkommission bereits vorlag.

Am 2. April 2008 unterschrieb selbiger als Staatssekretär im gleichen Ministerium zusammen mit UK S-H-Chef Dr. Carl Hermann Schleifer noch folgendes: "Paragraph 2 Bestandsschutz: Das Land Schleswig-Holstein erklärt, bis zum 01.04.2015 keine Entscheidung für eine Ausgründung des Primärbereichs der Krankenversorgung des UK S-H im Wege einer materiellen Privatisierung zu treffen."

Eine Privatisierung wäre in den nächsten 5 Jahren, also ein eindeutiger Vertragsbruch. Sie wäre außerdem ein Schlag. gegen die Mitarbeiter des Klinikums, der Tod des Forschungsstandorts Lübeck, ein Desaster für die hier angesiedelten Technologieunternehmen und damit ein Angriff auf die Lebensbedingungen der Stadt Lübeck.

Ein Krankenhaus gehört für eine Stadt zur Daseinsvorsorge. Patienten, Beschäftigte und Studierende haben ein Recht auf eine anständige Versorgung und anständige Arbeits- und Lernbedingungen. Das ist mit dem gewinnorientierten Krankenhausbetrieb nach einer Privatisierung nicht vereinbar. Er ist teurer und bietet schlechtere Leistungen. Das ist die typische Folge der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die wenigen nützt und der großen Mehrheit schadet. Deshalb darf es keine Privatisierung des UK S-H geben.

Die Kürzungspläne der Landesregierung sind in jeder Hinsicht ein Fehler. Einer anerkannten Spitzenuniversität werden die Voraussetzungen für ihre Arbeit geraubt und der Region damit ihre wirtschaftliche Grundlage entzogen. "Wir lassen uns nicht davon abhalten, für die und mit den Betroffenen zu kämpfen. Ob im Landeshaus oder davor." macht Antje Jansen am Ende noch einmal den Standpunkt der Linken deutlich.


Tim Stüttgen
Wahlkreisbüro A. Jansen, MdL, Lübeck


*


Quelle:
Gegenwind Nr. 262 - Juli 2010, Seite 24
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info

Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2010