Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEGENWIND/488: Bürgerinitiative gegen Massentierhaltung


Gegenwind Nr. 278 - November 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Neugründung auf Eiderstedt:
Bürgerinitiative gegen Massentierhaltung

von Klaus Peters


Mit der Planung einer zweiten Hähnchenmastanlage hinter dem Deich zwischen den Ortschaften Tating und St. Peter-Ording, im Tümlauer Koog, nicht weit von dem auch aus der Werbung bekannten Leuchtturm Westerhever entfernt, ist der Protest gegen die Massentierhaltung auch auf der Halbinsel Eiderstedt im Kreis Nordfriesland angekommen. Eine bestehende Anlage für die Mast von 40.000 Hähnchen war vor einigen Jahren noch fast unbemerkt gebaut und in Betrieb genommen worden. Mit der Planung einer zweiten, gleich großen Anlage des gleichen Betreibers kamen nach anfänglichem Zögern doch Bedenken auf, die im August zur Bildung einer Bürgerinitiative und einen Monat später zu einer ersten öffentlichen Versammlung führten.


Das anfängliche Zögern kann einerseits mit einer konservativen Grundhaltung vieler Einwohner der Region begründet werden, andererseits bestanden Bedenken wegen möglicher Störungen der dörflichen Gemeinschaft. Ausschlaggebend für den Schritt zur Gründung der Bürgerinitiative "Gesunde Luft in Eiderstedt" waren letztlich Befürchtungen, der Tourismus in der Umgebung könnte negativ beeinflusst werden und die Erkenntnis, dass mit nichtöffentlichen Aktivitäten die Verhinderung des Vorhabens nicht zu zu erreichen sei.

Die Bürgerinitiative will sich ein ihren Aktivitäten im Wesentlichen auf den Einfluss der möglichen Auswirkungen der Hähnchenmast auf die Gesundheit der Einwohner, Feriengäste und Menschen mit gesundheitlichen Problemen, die sich in Kliniken im Nordseeheilbad St. Peter-Ording aufhalten, konzentrieren. Aber auch die Gefährdung des Status eines "Lufterholungsortes" für den Tümlauer Koog spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Ethische und ökologische Bedenken stehen eher im Hintergrund. Mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen sind durch den Betrieb anderer Mastanlagen, die beispielsweise im nördlichen Niedersachsen in größerer Zahl betrieben werden, bekannt.

Ein aktuelles Gutachten führt zahlreiche negative Einflüsse aus Abluft und Kotausbringung auf. Mit diesem Gutachten werden auch relativierende Aussagen eines niedersächsischen Gesundheitsamtes widerlegt. Aber auch Auswirkungen des Bruchs eines Güllebehälters sind ein grundsätzliches, weitgehend vernachlässigtes Problem. Im nördlichen Niedersachsen sind Problembewusstsein und Widerstand in den letzten Jahren gestiegen, Landwirte sind kaum mehr bereit oder in der Lage, betriebliche Einrichtungen und Flächen für die Massentierhaltung zur Verfügung zu stellen, die zunehmend im Auftrag von Konzernen, wie im Geflügelbereich von Wiesenhof, betrieben wird.

Die Praktiken des Wiesenhof-Konzerns sind kürzlich in einem Fernsehreport kritisch beleuchtet worden. Einzelhändler in der Schweiz und anderswo haben inzwischen Wiesenhof-Produkte aus dem Sortiment genommen. Doch die Bedenken von Händlern und Verbrauchern sind noch zu schwach ausgeprägt. Die derzeit politisch Verantwortlichen halten an der Massentierhaltung fest, die Verwaltungen haben oft nur einen geringen Spielraum.

Die bisherigen Aktivitäten der Bürgerinitiative haben im Kreis Nordfriesland zu einer Anfrage der Fraktion B90/Die Grünen zu Agrarfabriken in Nordfriesland geführt, mit er die Verwaltung um eine Einschätzung gebeten wird. Schließlich ist zu befürchten, dass nach dem Bau und Betrieb eines neuen Hähnchenmastbetriebes weitere Anträge folgen werden. Um die Öffentlichkeit soweit wie möglich aus dem Verfahren herauszuhalten, werden üblicherweise an einem Standort zwei Anlagen für jeweils 40.000 Mastplätze nacheinander gebaut, so dass die Größenordnung 85.000 Mastplätze unterschritten wird, ab der ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist. Wegen der in mehrfacher Hinsicht negativen Einflüsse auf Gesundheit und Umwelt sollen derartige Großmastanlagen in den Niederlanden bereits grundsätzlich verboten sein. Auch im Emsland sollen vom zuständigen Landrat Genehmigungen versagt worden sein, weil insbesondere eine Evakuierung derartiger Anlagen im Brandfall nicht möglich ist.

Die Bürgerinitiative hat zwischenzeitlich einen Maßnahmenkatalog mit dem sie die Öffentlichkeit weiter informieren und den Widerstand verstärken will. Mit den großen Umwelt- und Tierschutzverbänden sollen Gespräche und evtl. gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt werden. Bei den zuständigen Politikern soll durch Aktionen Problembewusstsein geweckt und verstärkt werden, um eine Ablehnung des Vorhabens zu erreichen.


Weiterführende Informationen

BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: Tierfabriken verhindern - Der BUND gibt Ihnen Hilfestellung!
www.bund-niedersachsen.de

Attac-Deutschland: Fakten & Daten, www.attac-netzwerk.de/emsland


*


Quelle:
Gegenwind Nr. 278 - November 2011, Seite 46-47
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info

Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2011