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GEGENWIND/497: Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung fordern Moratorium


Gegenwind Nr. 281 - Februar 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung fordern Moratorium

von Klaus Peters


Mit der Veranstaltung der Landtagsfraktion von B90/Die Grünen im Landeshaus in Kiel, am 9. Januar, "Bauernhöfe statt Agrarindustrie: Tierfabrik geplant - wat nu?" sind den schleswig-holsteinischen Bürgerinitiativen umfassende fachliche und juristische Informationen präsentiert worden, die sie veranlassen mussten, gemeinsam ein Moratorium der Genehmigung des Baus von Massentierhaltungsanlagen zu fordern. Rund 10 Bürgerinitiativen, der Landesverband des BUND, der Landesverband des NABU, die Tierschutzorganisation ProVieh aus Kiel und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordern die zuständige Ministerin, Dr. Juliane Rumpf, auf, die derzeit laufenden Genehmigungsverfahren zum Bau oder zur Erweiterung von Tiermastanlagen zu stoppen.


Die Verfasser des mehrseitigen Schreibens an das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume stellen fest, dass bei der derzeitigen Genehmigungspraxis gegen geltende Standards in fast allen Rechtsbereichen verstoßen wird: vom Gesundheitsschutz über den Umwelt- und Klimaschutz bis zum Tierschutz bis zum Baurecht. Ein ungeheurer Skandal. Unglaublich, dass die zuständigen Behörden eine derart schlampige und rechtswidrige Genehmigungspraxis trotz der Kritik der Verbände, aber von der Öffentlichkeit bislang weitgehend ungestört, über viele Jahre betrieben haben. Dabei geht es um Schutzgüter wie Gesundheit, Umwelt und Tierschutz mit Verfassungsrang.

Die wesentlichen Verstöße und Kritikpunkte:

1. Die Anforderungen an die Hühner- bzw. Hähnchenmast entsprechen nicht einmal den Anforderungen, die an die konventionelle Hühnerhaltung zur Eiproduktion gestellt werden. Zur Hühnerhaltung liegt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor, das Mindestanforderungen feststellt, die u.a. zu einem höheren Platzangebot führen müssen. Es ist davon auszugehen, dass alle Hühner die gleichen Bedürfnisse haben.

2. Bislang wird der Brandschutz nicht angemessen berücksichtigt. Im Brandfall wird ein qualvoller Massentod hingenommen. Deshalb muss durch Gutachten nachgewiesen werden, dass ausreichender Brandschutz gewährleistet ist und durchführbare Evakuierungspläne vorliegen. Tierschutzrecht und Stand der Technik werden missachtet.

3. Die Anforderungen an das Management von Tierhaltungsanlagen müssen nachprüfbar festgelegt werden, da sonst die Einhaltung der Vorschriften und Standards nicht gewährleistet ist.

4. Die Tierhaltungsanlagen müssen so konzipiert sein, dass nur in Ausnahmefällen ein Antibiotikaeinsatz erfolgt. Die bisherige Praxis widerspricht dem Tierschutz und gefährdet nicht nur die Gesundheit von Mitarbeitern und Anwohnern, sondern auch von Verbrauchern, wie neueste Untersuchungen zeigen.

5. Die bisherige Praxis der Massentierhaltung verstößt gegen EU-Recht. Es werden keine oder zu wenig Kontrollen durchgeführt. Die EU-Förderung für die Landwirtschaft setzt die Einhaltung von Mindeststandards voraus. Diese Mindeststandards werden insbesondere bei der Massentierhaltung teilweise nicht eingehalten ("Kupieren" von Ferkelschwänzen usw.).

6. Die Ausbringung von Gülle (Ammoniakemissionen) entspricht nicht dem Stand der Technik. Die Einhaltung des Standes der Technik erfordert den Einsatz von "Güllegrubbern", das heißt, sofortiges Einbringen in den Boden. Ferner erfordert die Einhaltung des Standes der Technik den Einsatz von Abluftfiltern. Eine Minimierung der Ammoniakemissionen ist auch deshalb erforderlich, weil durch eine entsprechende EU-Richtlinie die Emissionshöchstmengen für diesen Luftschadstoff festgelegt worden sind.

7. Bei der Genehmigung von Anlagen muss nachgewiesen werden, wie die Emissionen aller klimarelevanten Stoffe gemäß dem Stand der Technik minimiert werden. Bisher war nur ein allgemeiner Vergleich mit anderen Quellen im globalen Maßstab üblich. Es sind auch kumulativ ermittelte Angaben erforderlich. In die Berechnungen sind zudem die jeweilige Flächennutzungen einzubeziehen.

8. Bei der Verwendung von importierten Futtermitteln muss berücksichtigt werden, welche Umwelt- und Klimabelastungen damit in den Erzeugerländern verbunden sind. Geschieht dies nicht, werden die nationalen Umwelt- und Klimabilanzen verfälscht. Futtermittelimporte fördern verschiedene Formen des Neokolonialismus, sie widersprechen damit auch jeder verantwortungsvollen Entwicklungspolitik.

9. Das bisherige Bundesbaugesetzbuch sieht eine großzügige Privilegierung beim Bau von landwirtschaftlichen Gebäuden im Außenbereich vor. (Die Privilegierung von Angaben für erneuerbare Energien ist hinzugekommen.) Die Belastungen für Anwohner und die Beeinträchtigungen der Landschaftsbilder sind insbesondere auch durch Massentierhaltungsanlagen immer größer geworden. Es müssen Obergrenzen festgelegt werden. Die vorhandenen Grenzen, ab denen besondere Anforderungen gestellt werden, bzw. die Privilegierungen nicht mehr gegeben ist, sind zu hoch. Die für den Betrieb notwendigen Flächen sind im Nahbereich der Anlagen vorzuhalten.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 281 - Februar 2012, S. 13-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012