Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEGENWIND/535: Bäume in der Klimaschutzstadt Kiel - Todesurteil rechtskräftig


Gegenwind Nr. 292 - Januar 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Todesurteil rechtskräftig

Bäume in der Klimaschutzstadt Kiel



Das Kieler Stadtgebiet ist im Bundesvergleich eines der waldärmsten Stadtgebiete. Für die Klimaschutzstadt Kiel muss daher eine Vergrößerung des Baumbestandes erklärtes Ziel sein. Umso erstaunlicher erscheint daher der Umgang mit vorhandenem Wald bzw. großen, alten Bäumen im Rahmen der Bauleitverfahren in Kiel. Bäume werden hier als störend gesehen; man fällt sie und führt, wenn vorgeschrieben nach der Baumschutzsatzung Ersatzpflanzungen durch. Diese werden typischerweise anderenorts in Sammelersatzmaßnahmen durchgeführt. So sind für Waldverlust am Kanal Neupflanzungen im Süden Kiels vorgesehen. Eine Eiche mit 200 cm Stammumfang wird dabei durch drei 14/16 cm Umfang messende Laubbäume ausgeglichen.


Dabei wäre es an vielen Stellen möglich mit den Bäumen zu planen. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist eine 80 Jahre alte Linde, welche einem geplanten Neubaugebiet einen eigenen Charakter geben würde, anders als die Monotonie sonstiger Neubaugebiete.

Der Kieler Politik und Verwaltung sind solche Argumente jedoch fremd. Bauvorhaben werden ausschließlich für den Investor und kurzfristigen Profit geplant, zukunftsgewandte Vorschläge, die den teilweisen Fortbestand der vorhandenen Bäume beinhalten, werden lapidar beiseite gewischt. So heißt es in der Stellungnahme der Verwaltung zum von uns geforderten Erhalt von fünf 60-100 Jahre alten Roteichen und Bergahornen sowie der o.g. Linde: "Der Erhalt der genannten Bäume ist geprüft worden, kann aber aufgrund des schmalen Grundstückszuschnittes und der daraus resultierenden Einschränkungen für die städtebauliche Planung nicht erreicht werden. Selbstverständlich hat jeder Baum eine gewisse Klimaschutzfunktion, allerdings führt die Entfernung der genannten Bäume keinesfalls zu spürbaren Veränderungen... Zur Verbesserung des Kleinklimas werden auch Baumpflanzungen vorgenommen." Bei einer extremen Verdichtung der Bebauung mit minimalen Grundstückgrößen hätte der Erhalt der Bäume durch Umordnung von Parkplätzen zu dem Verlust eines Doppelhauses geführt. Ähnlich ablehnend zeigte sich die Verwaltung, wenn es um den Teilerhalt des Neuwäldchens an der Hörn geht, wo für das zu bauende Sport- und Freizeitbad 1,55 ha Wald entfallen sollen, u.a. für 200 Parkplätze in unmittelbarer Nähe von Bahnhof, Fähranleger und Bushaltestelle an der Nahtstelle zwischen West- und Ostufer. Bei der Ausweitung der Lubinus Klinik durch Rehaklinik, Pflegeheim und einen weiteren Komplex werden die vom Bauträger geforderten Baumfällungen von 0.59 ha Wald durchgewunken bei Gebäuden, die mit 3 Geschossen niedriger gebaut sind als das Stammgebäude der Klinik. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Architekturwettbewerb zu Möbel Kraft am Westring - ursprünglich per Ratsbeschluss geforderte Minimierung des Flächenverbrauchs spielt beim Siegerentwurf keinerlei Rolle mehr.

Der Stadtwerke Umweltpreis 2012 hatte zum Thema "Klima und Energie - Bäume in der Stadt". Die Stadtplanungsgruppe hatte sich provokativ mit einer Fotodokumentation zum Thema "Gefährdung von Wald und Bäumen in Kiel durch Bauvorhaben - ein Plädoyer für Bauen mit vorhandenem Baumbestand" beteiligt. Darin wurden 11 Fotos von Bäumen/Wald mit der Klassifizierung der "Roten Liste Kieler Stadtplanung" von "Todesurteil rechtskräftig" bis "potentiell gefährdet" vorgestellt nebst Erläuterungen zum Bauvorhaben und möglichen Alternativen. Die Jury, die sich hauptsächlich aus Parteivertretern zusammensetzt, würdigte (nicht überraschend) unseren Beitrag mit keinem Wort. Wir bleiben am Ball, denn: Für die Zukunft wünschen wir uns, dass Bauvorhaben mit den vorhandenen Bäumen geplant werden.

Bäume sollten auch in der Stadt alt werden dürfen.


Ulrike Hunold
für die Stadtplanungsgruppe beim BUND Kiel

Zum kompletten Wettbewerbsbeitrag geht es unter www.bund-kiel.de in der Rubrik Umweltpreis 2012.

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 292 - Januar 2013, Seite 39-40
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2013