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GEGENWIND/571: Energie - Kundgebung der Bürgerinitiativen in Husum


Gegenwind Nr. 301 - Oktober 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

ENERGIE
Kundgebung der Bürgerinitiativen
"Eiderstedt unter Höchstspannung" und "Westküste trassenfrei e.V." in Husum

Von Klaus Peters



Eine Woche vor der Bundestagswahl hatten Vertreter der Bürgerinitiativen gegen eine Höchstspannungsleitung an der Westküste, zu einer Kundgebung auf dem Husumer Marktplatz aufgerufen, nachdem am Tag zuvor bereits in Heide eine ähnliche Veranstaltung durchgeführt worden war. Die Husumer Kundgebung fand am Sonnabend, den 14. September, unmittelbar im Anschluss an den Wochenmarkt statt. Einige Wochenmarktbesucher konnten so noch erreicht werden. Die Parteien hatten ihre Infostände allerdings schon abgebaut. Nur die Linkspartei war noch mit einem Vertreter anwesend. Immerhin hatte die Regionalzeitung auch einen Reporter geschickt.


Kurz nachdem die Trassenplanung an der Westküste bekannt gemacht worden war, kam es zur Gründung von Bürgerinitiativen, der BI "Eiderstedt unter Höchstspannung" und der als Verein organisierten Bürgerinitiative "Westküste trassenfrei". Im Vorfeld der Trassenplanung waren die Bürger weder durch die Windenergiebetreiber noch die Netzbetreiber und auch nicht durch die Politik ausreichend über die Folgen des Ausbaus der erneuerbaren Energien informiert worden. Erst als die Überkapazitäten offensichtlich wurden, begannen die Verantwortlichen, die Trassenplanungen voranzutreiben.

Die Landesregierung und die betroffenen Kreise hatten vorab schon eine fragwürdige "Beschleunigungsvereinbarung" getroffen, mit der die Bundesnetzplanung überholt, um nicht zu sagen "unterlaufen" werden sollte. Das gesamte Verfahren, jetzt ohne ordentliches Raumordnungsverfahren eingeleitet, sollte unter dem Deckmantel "vorzeitige Bürgerbeteiligung" ablaufen. Es zeigte sich jedoch sehr bald, dass auf rund zehn öffentlichen Veranstaltungen und weiteren Fachveranstaltungen an der Westküste prinzipiell doch immer die gleichen Informationen geliefert wurden, zu denen dann Fragen zugelassen waren und Anregungen abgegeben werden konnten. Grundlegende Einwendungen und Änderungsvorschläge blockten Vertreter des für Netzbetrieb und Planung zuständigen Konzerns Tennet TSO (niederländische Staatsunternehmen mit deutschem Hauptsitz in Bamberg) und die Vertreter der Landesregierung sehr schnell oder durch wortreiche Erklärungen ab.

Insgesamt bedeutet ein Engagement für betroffene und interessierte Bürger wie bei anderen Verfahren, die auf örtlicher Ebene sogar gleichzeitig ablaufen können, einen großen Zeitaufwand, immerhin ist eine Einarbeitung in die Problematik erforderlich. Hinzu kommt die Öffentlichkeitsarbeit und in den noch folgenden Planfeststellungsverfahren sehr wahrscheinlich die Vorbereitung von Klageverfahren, einschließlich der damit verbundenen Einwerbung finanzieller Mittel.

Die grundsätzlichen Einwendungen der Bürger und der Initiativen, in denen sich die Bürger zusammengeschlossen haben, betreffen die Notwendigkeit und die Dimension der Trassen sowie die Weigerung, neue und auch vorhandene Trassen unterirdisch, also als Erdkabel, zu verlegen. Neue Höchstspannungstrassen würden die in großen Teilen historische und überwiegend oder in großen Teilen noch unbelastete Kulturlandschaft an der Westküste schwer schädigen. Diese Schädigung hätte auch negative Auswirkungen auf den Tourismus. Hinzukommen gesundheitliche Gefahren und Gefahren für die Vogelwelt. Die gesamte Westküste ist Vogelzug- und Vogelrastgebiet mit Schwerpunkten auf Eiderstedt, im gesamten Gebiet insbesondere entlang der Flüsse sowie der übrigen Gewässer und Feuchtgebiete. Vorhandene Beeinträchtigungen durch Großwindenergieanlagen und Maismonokulturen oder auch durch Photovoltaikgroßanlagen sowie durch die insbesondere bei Biogasanlagen erforderlichen Transporte, werden überlagert und verstärkt. Durch die in Aussicht gestellten Entschädigungen können diese Beeinträchtigungen und Schäden bei direkter Betroffenheit qualitativ überhaupt nicht und quantitativ ebenfalls nicht angemessen ausgeglichen werden.

Grundsätzlich werden durch die (beschleunigte) Planung andere wichtige Projekte für die Westküstenregion verdrängt, verschoben oder völlig vernachlässigt, so die dringend notwendige Verbesserung der Bahninfrastruktur und des übrigen öffentlichen Nahverkehrs, eine nachhaltige Tourismusinfrastruktur, die Verhinderung und Behebung von Gebäudeleerständen, Energiesparprogramme, die Stärkung der dezentralen Energieversorgung, die Einschränkung des Baus von Zweitwohnungen und vieles andere mehr. Die Landesregierung will den Netzausbau dagegen durch finanzielle Beteiligung von Anliegern, über Anteilsscheine am Projekt des beauftragten Konzerns, der Tennet TSO, gleichzeitig Netzbetreiber, durch damit erhoffte Akzeptanz zusätzlich beschleunigen. Ein erster Versuch, die Bürger gegeneinander auszuspielen, ist allerdings ziemlich deutlich gescheitert.


Auszüge aus dem Text des Flyers:

"Der chaotische Ausbau der Erneuerbaren Energien zieht offensichtlich einen chaotischen Netzausbau nach sich - auf Kosten der Stromkunden, die über die Netzentgelte und die EE-Umlage gleich doppelt belastet werden."

"Die insgesamt an der Westküste in den nächsten 10 Jahren installierte EE beträgt 4.400 MW in ihrer größtmöglichen, theoretischen Kapazität (Netzentwicklungsplan 2012). Eine Drosselung auf 70% der Leistung würde nur einen vertretbaren Verlust von ca. 2% der Arbeit (gemessen in kWh) ausmachen. Die durchschnittliche Leistung liegt sogar nur bei ca. 700 MW. Abziehen müsste man davon noch den in der Region selbst verbrauchten Strom, und berücksichtigen müsste man ebenso das schon vorhandene Netz, um den Netzausbaubedarf zu ermitteln."

"Weitere Maßnahmen sind die Ertüchtigung der vorhandenen Leitungen, vielleicht teilweise Verstärkungen im 110 kV-Bereich als Erdkabel, DemandeSide-Management (Lastverschiebung...), Smart Grids (Lastanreize...) und natürlich erzeugungsnahe Speicher. Auch ist es nötig, Kraftwerke, auch Windparks, nicht nur nach individuellem, sondern auch volkswirtschaftlichem Nutzen zu planen und auch zu genehmigen."


LITERATUR:
Georg Fahrion und Thomas Steinmann:
Die Grünen Glücksritter, Capital, Ausgabe 07/20 13, S. 34-45
Werner Ressing:
Energiewende wird scheitern, Wirtschafts Woche Nr. 38 vom 16.09.2013, S. 34/35


KASTEN
 
Zu den gesundheitlichen Gefahren:

Bei Freileitungen bestehen Gesundheitsgefährdungen durch Elektrosmog, der vor allem von der Stromstärke, der Dauer der Belastung und den Abständen abhängig ist. Hinzu kommen gegebenenfalls Vorbelastungen oder überlagerte Belastungen. Zu berücksichtigen wären eigentlich auch der Gesundheitszustand und das Alter der potenziell Betroffenen. Die Belastungen werden in Tesla (Messwert für niederfrequente Magnetfelder) gemessen. Der deutsche Grenzwert beträgt 100 Mikrotesla. In der Schweiz gilt dagegen ein Grenzwert von 1 Mikrotesla, in Schweden sogar nur 0,2 Mikrotesla. Die Bürgerinitiativen verweisen auf epidemiologische Studien, nach denen Magnetfelder größer als 0,2 Mikrotesla das Risiko für Leukämie bei Kindern verdoppeln oder sogar verdreifachen. Durch mehrere Studien sind auch erhöhte Risiken bezogen auf Brustkrebs nachgewiesen worden.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 301 - Oktober 2013, Seite 21-22
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2013