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GEGENWIND/603: Gesetzgebung zum Fracking gibt es nicht


Gegenwind Nr. 312 - September 2014
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Protestversammlung in Prasdorf:
Gesetzgebung zum Fracking gibt es nicht

Von Reinhard Pohl



Brechend voll war das Feuerwehr-Gerätehaus am 14. August in Prasdorf bei Laboe, Kreis Plön. Es ging um das Fracking, keine abstrakte Diskussion über ein kompliziertes Verfahren, sondern eine Suche nach Öl und Gas, die direkt im Untergrund unter Prasdorf stattfinden soll, wenn es nach bestimmten Konzernen geht. Eingeladen hatten SPD-Kreisverband und SPD-Kreistagsfraktion.


Für 120 Interessierte hätten Platz sowie Stühle und Bänke ausgereicht. Für die fast zweihundert Interessierten mussten aber alle Türen geöffnet und die Lautsprecheranlage hochgefahren werden, damit die Referentin und der Referent von allen verstanden wurden. Viele Möglichkeiten hat der 450-Einwohner-Ort aber auch nicht, eine solche Veranstaltung abzuhalten.

Robert Habeck, Umweltminister von Schleswig-Holstein, war eingeladen und startete mit einem Überblick zum Thema. Fracking, so meinte er, wäre ein neues Thema. Das konnte er daran festmachen, dass es im letzten Landtagswahlkampf 2012 noch keine Rolle gespielt habe. Fracking könnte Erdgas billiger machen, zumindest habe die großflächige Anwendung in den USA unmittelbar diese Folge. Das würde aber auch die geplante Einführung der erneuerbaren Energie behindern, der sich die Landesregierung verschrieben habe. Außerdem seien nach seiner Übersicht alle Parteien gegen Fracking, auch wenn sie verschieden argumentierten und verschiedene Konzepte zum Umgang mit den Wünschen der Firmen präsentierten.

Eine Gesetzgebung zum Thema Fracking gebe es in Deutschland nicht, so Umweltminister Habeck weiter. Im "Bergrecht", das die Suche nach Rohstoffen und deren Förderung regelt, ginge es zum Beispiel um ein "überwiegendes öffentliches Interesse", was aber nicht klar sei, ob die billige Förderung von Rohstoffen oder der Schutz des Trinkwassers diesem entspricht. Die Aufsuchungsgebiete seien auch deshalb so groß, damit die Firmen mehr Möglichkeiten zum Bauen von Bohrtürmen hätten, so ließe sich der Wasserschutz und Naturschutz überhaupt umgehen. Eine Bundesratsinitiative, Fracking zu verbieten, habe gezeigt, dass Schleswig-Holstein alleine dastand, kein anderes Bundesland habe sich angeschlossen, die Vorlage liege unbearbeitet im Umweltausschuss des Bundesrates. Es gebe eine neue Initiative, diesmal von Schleswig-Holstein (rot-grün-blau), Hessen (schwarz-grün) und Baden-Württemberg (grün-rot), wobei der Vorschlag längst nicht so weit geht. Außerdem gebe es ein Papier des Bundeswirtschaftsministers Gabriel, abgestimmt mit dem Bundesumweltministerium, das sich aber nur auf Vorschläge zum Wasserrecht beziehe, sich nur mit dem Fracking von Gas (nicht Öl) und mit einer künstlichen Grenze von 1500 Meter Tiefe beschränkt, die geologisch willkürlich ist, aber damit eben sorgfältig das stattfindende Fracking in Niedersachsen ausspare.

Er griff anschließend die Kritik an diesen Initiativen auf: Verboten werden sollten nur "nicht konventionelle Methoden", außerdem sollte nur das Fracking mit "toxischen" (giftigen) Substanzen verboten werden. Beides sah auch Robert Habeck als Schwäche, warb aber dafür, dass ein "halbes" Verbot immer noch besser wäre als ein hundertprozentiger Vorschlag, dem kein anderes Bundesland zustimme. Er wehrte sich vehement gegen den Vorwurf, die Vorlage würde konventionelles Fracking mit ungiftigen Flüssigkeiten erlauben - jetzt wäre durch das Bergrecht (noch) alles erlaubt, alle Vorlagen zielten auf Verbote, keiner auf eine Erlaubnis oder Teilerlaubnis. Man müsse in der Politik allerdings Formulierungen finden, die mehrheitsfähig seien.

Für Schleswig-Holstein gebe es vorübergehend Rechtssicherheit: Mit der Begründung, dass die Landesplanung komplett überarbeitet werden müsste, sei ein Moratorium beschlossen worden, das sich auf alle Veränderungen beziehe. Auf dieser Grundlage könnten alle Anträge auf eine Fracking-Erlaubnis in Schleswig-Holstein rechtssicher abgelehnt werden. Das beziehe sich aber eben nur auf diese drei Jahre. Für die Zeit danach könnte das Bundesland aufgrund seiner Kompetenzen nur über ein entsprechend verändertes Wasserrecht versuchen, Fracking für das eigene Gebiet auszuschließen. Das beziehe sich aber ebenso wie das durchgesetzte schleswig-holsteinische CCS-Verbot (Verpressung von CO2 in den Untergrund) nur auf das Landesgebiet, schon für die Nordsee gebe es diese Landeskompetenz nicht mehr.

Die Einführung von Minister Habeck erhielt starken Beifall, ihm wurde auch ausdrücklich gedankt dass er zu solch einer Veranstaltung kam. Allerdings gab es während des Vortrages auch schon einzelne Zwischenrufe und Meldungen für Fragen und Beiträge.

Zunächst sprach Birgit Malecha-Nissen, die für den Kreis zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete, die als studierte Geologin auch fachliche Kompetenzen mitbrachte, bevor sie in die Politik einstieg. Sie wies darauf hin, dass es seit 40 Jahren in Süddeutschland, der Schweiz und Frankreich Fracking gebe, und zwar zur Gewinnung von Erdwärme. Die Schwierigkeit einer einschränkenden Gesetzgebung sei unter anderem, dass der verwendete Chemiecocktail bisher Firmengeheimnis sei. Außerdem würde zu wenig Augenmerk auf die Zusammensetzung der Fracking-Flüssigkeit gelegt, die nach Durchquerung verschiedener Erdschichten an unbekannten Orten wieder an die Oberfläche trete.

Auch sie bezeichnete die Tiefenangaben im Gabriel-Papier als unlogisch, weil sie künstlich festgelegt worden seien, ohne dass es geologische Begründungen dafür gebe. Für sinnvoll hielt sie das Vorschreiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht für alle Tiefen, das würde jedes Verfahren erheblich verteuern und damit einen großen Vorteil für die Firmen zunichte machen. Sie wies auch auf das politische Gewicht Niedersachsens hin, wo 90 Prozent des deutschen Erdöls gefördert würden, dort werde Fracking schon zur Förderung eingesetzt. Sie sah das Eckpunkte-Papier ihres Bundesvorsitzenden als guten Anfang, meinte aber auch, es wäre so noch nicht ausreichend, um Fracking zuverlässig zu verhindern. Auch räumte sie ein, dass der grüne Vorschlag (den drei Bundesländer jetzt in den Bundesrat eingebracht haben) weiter ginge als der Vorschlag aus SPD-Feder.


Fragen und Diskussion

Die Fragen und die Diskussion im Anschluss war teils sehr emotional, was aber die Veranstalter und ReferentInnen erkennbar nicht überraschte.

Mehrfach gab es Beschwerden über das Bergamt, das in Niedersachsen als gemeinsame Behörde existiert, also für Schleswig-Holstein mit zuständig ist. Robert Habeck räumte ein, dass viele Beschwerden über Verzögerungen bei der Herausgabe von Akten oder der Beantwortung von Anfragen sehr berechtigt seien. Ein neu gegründetes Bergamt nur für Schleswig-Holstein sei allerdings sehr teuer, weil es alle Kompetenzen wie die jetzige gemeinsame Behörde vorhalten müsste, sei vielleicht auch freundlicher und transparenter, müsste aber die gleichen Bundesgesetze anwenden und Aufsuchungserlaubnisse genauso erteilen.

Befragt nach der Haltung Bayerns, das Fracking nach dem Wasserwirtschaftsrecht verbiete, meinte Robert Habeck, das sei nur eine Show: Solche Verbote könne Schleswig-Holstein genauso aussprechen, die hätten aber keinen Bestand vor Gerichten. Aber gerade wegen der starken Worte aus Bayern wollte er die Landesregierung dort jetzt auffordern, die Bundesratsinitiative aus Schleswig-Holstein zu unterstützen, das sei dann die Nagelprobe für den Widerstand.

Befragt nach wirksamen Verbotsstrategien wandte sich Robert Habeck gegen die Idee, das Grundgesetz entsprechend zu ändern. Er forderte eine "unterirdische Raumordnung". Bisher könne ein Bundesland alles regeln, was sich auf der Erde abspiele, aber nichts unter der Erde. Viele Formationen dort seien auch nicht bekannt und erforscht, es gäbe noch nicht mal eine Bestandsaufnahme dazu. Das Wasserrecht sei ein Hebel zur Behinderung der Fracking-Firmen, aber kein Hebel zur sicheren Verhinderung aller Fracking-Anträge.

Befragt nach den Folgen eines unterschriebenen Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) warnte Robert Habeck: In der gegenwärtig diskutierten Form ginge es dort um die Beseitigung aller "Investitionshemmnisse", das würde ein nationales Fracking-Verbot durch die Hintertür aushebeln. Und die Einführung von privaten Schiedsgerichten würden dann den Rechtsstaat aushebeln. Er wies darauf hin, dass der Widerstand gegen Fracking ohne Verhinderung dieser Bestandteile des Freihandelsabkommens sinnlos werden könnte.

Robert Habeck wies im übrigen darauf hin, dass das Bohren selbst in den "Aufsuchungsgebieten" erlaubt werden müsste, etwas anderes gebe das Bergrecht nicht her. In diesem Falle handele es sich auch nicht um eine "Aufsuchungserlaubnis". Weil die Firma hier früher schon mal Öl gefördert habe und insofern über alle Erlaubnisse schon verfüge, sei es eine "Wiederaufnahme", und dazu sei lediglich ein "Betriebsplan" vorzulegen.

Einen Schlagabtausch lieferte sich der grüne Umweltminister noch mit einem anwesenden CDU-Kommunalpolitiker aus Kalübbe, der sich über unbefriedigende Antworten aus dem Umweltministerium beschwerte. Robert Habeck konterte ähnlich hart und konnte zumindest einen Teil der Anwesenden auf seine Seite ziehen.

Birgit Malecha-Nissen wies noch darauf hin, dass wegen der vorwiegend in Schleswig-Holstein vorkommenden Formationen von porösem Sandstein in einer Tiefe von 1500 bis 2500 Metern ein Fracking kaum zu erwarten sei, da man "in Sandstein nicht fracken könnte". Das Eckwerte-Papier von Gabriel würde voraussichtlich bis Ende September diesen Jahres in einen Gesetzentwurf münden, den man sich dann sorgfältig ansehen sollte.


Fazit

Die meisten BesucherInnen fühlten sich informiert, vermissten aber eine klare Zusage, Fracking zu verbieten und ihr Gebiet zu schützen, da Prasdorf und Umgebung nun mal von der Landwirtschaft und dem Tourismus lebten. Die Hinweise, über Naturschutz, Wasserrecht oder Umweltverträglichkeitsprüfungen alle Vorhaben zu verteuern und darauf zu hoffen, die Konzerne würden dann woanders hingehen, konnte viele nicht zufrieden stellen. Die Appelle des Umweltministers, die politischen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene im Auge zu behalten, erhielten zwar Beifall, stellten aber auch nicht zufrieden.

Robert Habeck zog als Fazit, die Veränderungssperre in der Landesplanung als Chance zu verstehen, in diesen drei Jahren die gesetzliche Grundlage für ein Fracking-Verbot zu schaffen. Die Bundesratsinitiative sollte vorangetrieben werden. Und eine Kartierung sowie Raumordnung für den Untergrund müsste dringend geschaffen werden.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 312 - September 2014, Seite 9-11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2014