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GEGENWIND/843: Macht doch! - Klimapolitik ist eine Machtfrage


Gegenwind Nr. 375, Dezember 2019

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Macht doch!
Klimapolitik ist eine Machtfrage

von Reinhard Pohl


Der Autor liebt es einfach: Erneuerbare Energie sollte vor Ort erzeugt und verbraucht werden, ohne große Transporte, und alles wird gut. Recht hat er, es könnte einfach und schnell gehen. Wenn die Konzerne nicht wären, an denen die Bundesregierung nicht vorbei kann und will.


Zehn Jahre gibt der Autor der Energiewende, dann müssten wir fertig sein und Deutschland sauber. Dazu formuliert er klare Kriterien, die wir einhalten müssen, und nennt das der Einfachheit halber "Grundgesetz".

Aber es gibt ein Problem: Die Macht der Konzerne, von ihm auch "Monster" genannt. Denn die produzieren Energie in riesigen Kraftwerken, zentral und über ein Stromnetz verteilt. Diese großen Kraftwerke produzieren für sie vor allem Profit auch wenn sie keine Energie erzeugen. Denn die Konzerne haben es durchgesetzt. dass es außer Kraftwerken auch "Reservekraftwerke" geben muss, also Kraftwerke, die längst stillgelegt sind, aber vom Steuerzahler so bezahlt werden, als würden sie produzieren. Milliarden werden hier umverteilt von uns zu denen. Übrigens: Nicht über die EEG-Umlage, die sich auf die Stromrechnung auswirkt. Würden SPD und CDU in Berlin das beschließen, könnte sofort jeder sehen, das Kohle, Gas und Uran viel teuer sind als Wind und Sonne, die über einen künstlichen Preis in den Strompreis einfließen, Subventionen nicht.

Dabei widerlegt der Autor nebenbei noch die häufigsten Märchen, die die Anhänger der Kohlekraftwerke verbreiten. Die Lieblingslegende ist die "Versorgungssicherheit", die von der "Dunkelflaute" bedroht wird. Das ist zwar nur eine theoretische Figur, angeblich bricht hier alles zusammen, wenn es nachts windstill ist. Ist natürlich Blödsinn - dunkel und windstill und das in ganz Deutschland ist es vielleicht drei oder fünf Nächte im Jahr, und dann funktionieren die Biogasanlagen und Wasserkraftwerke natürlich immer noch. Aber wer es glauben will, kopiert es, insbesondere in den Netzwerken im Internet.

Die wirkliche Gefahr für unsere Zukunft sind die Subventionen an die Konzerne und das künstliche Hinauszögern des Endes der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Denn noch ist völlig unklar, wer die Kosten dafür letztlich bezahlen soll, denn die Folgekosten durch Klimaveränderung werden nicht nur unsere Enkel spüren, sondern noch viele Generationen nach ihnen. Und die Kosten der Endlagerung der Brennstäbe sind unabsehbar, sie müssen für 250.000 Jahre bezahlt werden.

Bei der Gelegenheit schlägt der Autor vor, auch die Verkehrswende und die Agrarwende in den nächsten Jahren zu organisieren und 2030 damit fertig zu sein. Dabei argumentiert er auch mit den Kosten: Je schneller die Wende gelingt, desto weniger Folgekosten hat das Industriezeitalter für uns alle. Und je schneller die Wende hier gelingt, desto mehr andere Länder werden ebenfalls vom Ehrgeiz gepackt, weil auch sie die Gewinne der Wende einfahren wollen. Island und Portugal haben ihre Industrie übrigens schon auf Erneuerbare umgestellt, mit bemerkenswerten Wahlerfolgen für die, die es organisiert haben. Dabei plädiert der Autor immer wieder gegen den Netzausbau. Er will ein intelligentes Netz, das Stromerzeugung und Stromverbrauch steuern kann, aber möglichst wenig Energietransporte. Er ist auch dafür, die Solarenergie stärker auszubauen als bisher, denn sie kann auf Dächern installiert werden und verbraucht keine Flächen. Außerdem ist die Energie dann bei der Erzeugung schon dort, wo sie auch gebraucht wird.

Ein überzeugendes Plädoyer, das auch die Warnungen der Kohleanhänger widerlegt und entzaubert.


Axel Berg: Energiewende. Einfach durchsetzen. Roadmap für die nächsten 10 Jahre. ockom Verlag, München 2019, 284 Seiten, 24 Euro.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 375, Dezember 2019, Seite 58
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2020

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