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GEHEIM/292: Hilfe zur Selbsthilfe - Verhaltenstipps bei Polizei und Verfassungsschutz


GEHEIM Nr. 3/2011 - 24. Oktober 2011

Hilfe zur Selbsthilfe
Was tun, wenn es brennt? Ruhe bewahren!
Verhaltenstipps bei Polizei und Verfassungsschutz


Eine wertvolle Broschüre der Organisation "Rote Hilfe". Mit dem Damoklesschwert des nach wie vor gültigen KPD-Verbots aus dem Jahr 1956 im Rücken erleben wir einen rasanten Ausbau der Repressionsinstrumente des BRD-Staates. Diese richten sich nicht nur gegen aktuelle Widerstände, sondern zielen auch vorbeugend gegen jene, die von der herrschenden Krise, angesichts des von ihr zu verantwortenden rasanten Abbaus sozialer und demokratischer Rechte, von Ausbeutung und Armut, von systemimmanenter Barbarei erwartet werden. Die von der Organisation "Rote Hilfe e.V. (Postfach 3255, 37022 Göttingen, URL: www.rote-hilfe.de, Mail: bundesvorstand@rote-hilfe.de, Tel.: 0551-7708008, Fax: 0551-7708009) unter dem Titel "Was tun, wenn 's brennt, Ausgabe 2011" gibt wertvolle Tipps für alle, die von staatlicher Repression direkt betroffen werden oder werden können. Sicherlich, eine grundsätzliche Analyse des Charakters des BRD-Systems fehlt; auch behandelt die Broschüre der "Roten Hilfe" nicht alle Aspekte, Möglichkeiten sowie Techniken staatlicher Repression, zuweilen sind auch sprachliche Aspekte gewöhnungsbedürftig, aber dennoch gibt sie wichtige Basistipps für notwendige Verhaltensweisen zum Beispiel bei Demos, Hausdurchsuchungen oder Verhaftungen. Weiter unten haben wir einige kurze Auszüge nachgedruckt, um bei unseren Lesern Interesse an der Broschüre zu wecken.

DIE GEHEIM-REDAKTION


Mit Festnahmen bei Demonstrationen und anderen Aktionen, mit Beschlagnahme von Flugblättern, Zeitungen usw., mit Hausdurchsuchungen, Strafbefehlen und Prozessen muss heute jede/r rechnen, die/der aktiv politisch tätig ist, gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpft, egal ob als AntifaschistIn, AKW-GegnerIn, AntimilitaristIn, Kommunistin oder AnarchistIn.

Mit immer neuen Gesetzen wird selbst das Wenige, was der kapitalistische Staat an Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit und Demonstrationsrecht gewährt, ständig eingeschränkt. Die staatliche Repression nimmt noch lange nicht deswegen ab, weil die Linke immer schwächer wird - im Gegenteil, weil die staatlichen Stellen mit wenig organisierter Gegenwehr rechnen (müssen), können sie sich Kriminalisierungsversuche erlauben, die in Zeiten starker Massenbewegungen nicht durchsetzbar wären. Ihre Einschüchterungsversuche und Kriminalisierungsstrategien greifen grundsätzlich nur in dem Maße, wie es uns nicht gelingt, unsere Vereinzelung aufzuheben und uns gemeinschaftlich zu organisieren. (...)


Auf der Wache

Gegenüber der Polizei bist Du nur verpflichtet, Angaben zu Deiner Person zu machen, das sind ausschließlich:

- Name, Vorname, ggf. Geburtsname
- (Melde-)Adresse
- allgem. Berufsbezeichnung
(z.B. "Student", "Angestellte")
- Geburtsdatum und Ort
- Familienstand (z.B. "ledig")
- Staatsangehörigkeit

(auch diese Angaben kannst Du natürlich verweigern, nur lieferst Du ihnen damit einen billigen Vorwand, Dich zu fotografieren, Dir Fingerabdrücke abzunehmen und Dich bis zu 12 Stunden festzuhalten - was sie aber, wenn sie wollen, ohnehin machen können. Ansonsten ist die Verweigerung der Personalien nur eine Ordnungswidrigkeit und kostet Dich ein paar Hunderter Bußgeld). Und das war's dann aber auch maximal! Keinen Ton mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma, Wetter...; einfach: gar nix!

Nach der Festnahme hast Du das Recht, zwei Telefonate zu führen. Am besten rufst du den Ermittlungsausschuss, bzw. eine/n Anwältin/Anwalt an. Wenn dir - was häufig passiert - der Anruf verweigert wird, nerv die PolizistInnen so lange, bis sie Dich telefonieren lassen, droh mit einer Anzeige. Minderjährige haben nicht nur das Recht, mit einer/m Anwältin/Anwalt zu sprechen, sondern zusätzlich mit Angehörigen. Dabei läuft das Telefonat zunächst oft über die PolizistInnen, die wissen wollen, ob du tatsächlich einen Rechtsbeistand bzw. Angehörige anrufst und erst danach den Hörer an dich weitergeben. Gerade gegenüber Minderjährigen benutzen sie das gerne auch als zusätzliche Schikane, um die Eltern zu schockieren.

Bei Verletzungen solltest du einen Arzt verlangen und von diesem ein Attest fordern. Nach der Freilassung suche einen weiteren Arzt deines Vertrauens auf und lasse ein zweites Attest anfertigen.

Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung verlangen. Bei erkennungsdienstlicher Behandlung (Fotos, Fingerabdrücke) Widerspruch einlegen und protokollieren lassen. Selbst aber nichts unterschreiben!


Im Verhör

Lass Dich nicht einwickeln. Lass Dich weder von Brutalos einschüchtern, noch von verständnisvollen Onkel-Typen weichlabern. Glaube nicht, die Beamtinnen austricksen zu können. Jede Situation ist günstiger, um sich was Schlaues zu überlegen, als die, wenn Du auf der Wache sitzt, und alles - wirklich alles - ist auch nach Absprache mit GenossInnen und AnwältIn noch möglich, auch wenn Dir die PolizistInnen erzählen, dass es besser für Dich wäre, jetzt sofort Aussagen zu machen: das ist gelogen! Auch keine "harmlosen" Plaudereien "außerhalb" des Verhörs, z.B. beim Warten auf dem Flur o. Ä., keine "politischen Diskussionen" mit den Wachteln: Jedes Wort nach Deiner Festnahme ist eine Aussage!

Auch wenn Du meinst, Dir werden Sachen vorgeworfen, mit denen Du gar nix zu tun hast, möglicherweise auch Sachen, die Du nie tun würdest - halte bitte trotzdem die Klappe. Was Dich entlastet, kann jemand anderen belasten, hat von zwei Verdächtigen eine/r ein Alibi, bleibt eine/r übrig. Auch Informationen darüber, was Du nicht getan hast, helfen dem Staatsschutz, ein Gesamtbild gegen Dich und andere zu konstruieren.


Hausdurchsuchungen

Nicht ungewöhnlich sind im Zusammenhang mit größeren Aktionen oder nach Festnahmen oder im Rahmen offensiver staatlicher Razzien Hausdurchsuchungen. Auf die eigentlich notwendige richterliche Durchsuchungsanordnung wird oft wegen behaupteter "Gefahr im Verzug" verzichtet. Hausdurchsuchungen gehören zu den gemeinsten Übergriffen des Staatsapparats: neben dem vordergründigen Ziel, etwas zu finden, mit dem sie Dir was anhängen können, ist das Eindringen in Deine Wohnung auch immer ein Versuch, Dich zu demütigen, zu demoralisieren und "Allmacht" über Dich zu demonstrieren. Dem kannst Du am besten widerstehen, wenn Du einen ruhigen Kopf bewahrst! Wenn sie Dich morgens geweckt haben, werde erst mal richtig wach, setz Dir einen Kaffee auf, geh erst mal aufs Klo...

Wenn sie erst einmal in Deiner Wohnung stehen, kannst Du die Durchsuchung nicht mehr verhindern. Aber Du kannst einiges tun, damit sie nicht zur Katastrophe wird:

Das Wichtigste: Keine Aussage, kein Wort von Dir, z.B. zu dem Vorwurf, aufgrund dessen die Durchsuchung stattfindet. Du solltest ja ohnehin nie mehrere Exemplare von "brisanten" Flugblättern im Haus haben (Dir könnte "Verbreitung" vorgeworfen werden), vor Demos oder größeren Ereignissen, z.B. Revolutionen, räumst Du Deine Bude ohnehin gründlich auf (auch das Piece und die Quittung vom letzten Versicherungsbetrug!) - falls sie trotzdem was "Belastendes" bei Dir finden: kein Wort von Dir dazu! Auch nicht: "Das gehört mir nicht" o. Ä., einfach gar nix!


Verfassungsschutz

Auch und gerade wenn Ihr ein Strafverfahren am Hals habt, kann es sein, dass die "freundlichen Herren" vom "Verfassungsschutz" (VS) versuchen, Dich als Spitzel anzuwerben (angeblich können sie für eine Einstellung oder milde Strafen sorgen, aber dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage und erst recht keine Garantie).

Der VS hat keinerlei gesetzliche Handhabe, Dich zu einem Gespräch mit ihm zu zwingen. Deshalb gilt: Lass Dich auf kein Gespräch ein! Gib keinerlei Auskünfte! Schick sie weg, lass sie stehen, schmeiß sie aus Deiner Wohnung, mache Anwesende auf sie aufmerksam!

Fertige sofort ein Gedächtnisprotokoll und eine Personenbeschreibung an! Geh zur nächsten Rechtshilfegruppe und mach den Anquatschversuch öffentlich, die Erfahrung hat gezeigt, dass dies die einzige Möglichkeit ist, den Ärger endgültig los zu werden!"

ROTE HILFE


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Quelle:
GEHEIM Nr. 3/2011, 24. Oktober 2011, Seite 9-10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2011