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GLEICHHEIT/2951: Griechenland - Papandreou gibt schärfere Kürzungen bekannt


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Griechenland: Papandreou gibt schärfere Kürzungen bekannt

Von Stefan Steinberg
5. März 2010
aus dem Englischen (4. März 2010)


Unter dem intensiven Druck der internationalen Banken und der Europäischen Union (EU) hat sich die griechische Regierung von Premierminister Giorgos Papandreou von der sozialdemokratischen PASOK auf ein zweites Paket von Steuererhöhungen und Ausgabensenkungen in Höhe von 4,8 Mrd. Euro verständigt. Um die jüngsten Sparmaßnahmen seiner Regierung zu rechtfertigen, verglich Papandreou die Wirtschaftskrise in Griechenland mit einer "Kriegssituation".

"Diese Entscheidungen sind für das Überleben unseres Landes und der Wirtschaft notwendig", erklärte Papandreou gegenüber Journalisten. "Griechenland muss sich aus dem Sog der Spekulanten und von seinem schlechten Ruf befreien, damit es weiter atmen und weiter kämpfen kann."

Papandreou kam im Oktober vergangenen Jahres an die Regierung, weil er sich auf eine breite Empörung über die rechte Sparpolitik der konservativen Vorgängerregierung von Kostas Karamanlis stützte. Jetzt, nach nicht einmal sechs Monaten im Amt, hat Papandreou die weitreichendsten Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse beschlossen.

Die Maßnahmen der Regierung vom Mittwoch umfassen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent, eine zehnprozentige Senkung der Löhne im öffentlichen Sektor, Steuererhöhungen für Benzin, Tabak und Alkohol, ein Einfrieren der Renten und die Kürzung der Zulagen der Staatsdiener.

Diese Maßnahmen werden sich besonders verheerend für Niedrigverdiener, Arbeitslose, Familien und Rentner auswirken.

Jose Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission sagte zu dem neuen griechischen Sparpaket, es beweise, dass die griechische Regierung entschlossen sei, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen", um ihr Defizit zu senken.

Nach wochenlangem stetigen Sinken des Werts des Euros stieg er am Mittwoch nach Verkündung der neuen Maßnahmen wieder gegenüber dem Dollar. Auch führende Finanzhäuser signalisierten vorsichtige Zustimmung zu den Kürzungsplänen. Die Kreditrating Agentur Standard & Poors ließ verlauten, dass die Märkte die Schuldensituation Griechenlands übermäßig pessimistisch eingeschätzt hätten.

Auf der anderen Seite gaben die Aktienpreise an der griechischen Börse leicht nach, weil Unsicherheiten über die Folgen der Kürzungspläne für die Wirtschaft bestehen.

Die neue Kürzungsrunde der Papandreou-Regierung ist das Resultat einer konzertierten Kampagne von EU, Banken und europäischen Regierungen unter der Führung von Deutschland. Sie übten Druck auf Athen aus, zügig zusätzliche Kürzungsschritte zu beschließen.

Am Montag hatte EU Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn nach Gesprächen in Athen erklärt, dass Griechenland "vor einem entscheidenden Moment seiner Geschichte steht. Kein Mitglied der Eurozone kann dauerhaft über seine Verhältnisse leben." In privaten Gesprächen kritisierte Rehn, dass die Regierung sich nicht schneller bewege, um die Finanzmärkte von der Bereitschaft Griechenlands zu überzeugen, sein Defizit zurückzufahren und seine Schulden zu begleichen.

In Berlin wurden Rehns Äußerungen umgehend begrüßt. "Der Ball liegt jetzt in Griechenlands Feld", erklärte ein deutscher Regierungssprecher.

Kanzlerin Angela Merkel berief für Dienstagabend eine Kabinettssitzung ein, um sich für den Notfall die Zustimmung zu einem möglichen Rettungspaket für Griechenland geben zu lassen. Offiziell streitet die deutsche Regierung zwar heftig ab, dass sie eingreifen werde, um Griechenland aus der Patsche zu helfen, aber europäische Minister und Banker verhandeln schon seit einiger Zeit intensiv hinter verschlossenen Türen über genau so einen Notfallplan.

Europäische und deutsche Politiker sind besorgt, dass die Maßnahmen der Papandreou-Regierung nicht ausreichen könnten, um den Bankrott zu vermeiden. Sie fürchten, dass eine Zahlungsunfähigkeit der griechischen Regierung der Auftakt zu Staatsbankrotten weiterer gefährdeter europäischer Staaten werden könnte. Eine solche Entwicklung würde nicht nur die Gemeinschaftswährung, den Euro, bedrohen, sondern die EU selbst.

Auf der anderen Seite zögern die EU und Deutschland, ein Rettungsprogramm öffentlich bekannt zu geben, weil sie fürchten, dass das den Druck von der griechischen Regierung nehmen würde, die drakonischen Kürzungen auch konsequent durchzusetzen. Außerdem wäre nach den massiven Rettungsprogrammen für die europäischen Banken ein Bailout für die griechischen Schulden bei den europäischen und deutschen Wählern äußerst unpopulär. Deswegen führt die Bundesregierung die Gespräche zur Vorbereitung eines solchen Rettungspakets abseits des Scheinwerferlichts.

Einem führenden Finanzanalysten zufolge hat das Kürzungsprogramm der griechischen Regierung "den Märkten Auftrieb gegeben, weil sie vermuten lassen, dass Griechenland mit dem Kürzen des Defizits tatsächlich Ernst macht. Auch hilft das den anderen Ländern der Eurozone, Finanzhilfen zu gewähren, weil sie vor ihre eigenen Steuerzahler treten und sagen können, dass Athen den Forderungen der EU nachgekommen sei."

Gleichzeitig gibt es große Meinungsverschiedenheiten über den Zuschnitt eines Rettungsplans, besonders über die Frage, ob er von der EU und den europäischen Ländern allein geschultert oder ob der Internationale Währungsfond (IWF) einbezogen werden sollte, in dem die USA großen Einfluss haben.

Bis zum Dienstag gab es noch keine endgültige Entscheidung, aber eine rein europäische Rettungsaktion ist der Financial Times zufolge das wahrscheinlichere Szenarium.

Merkel begrüßte am Mittwoch ausdrücklich die Kürzungen Papandreous, der am Freitag zu weiteren Gesprächen mit der deutschen Regierung nach Berlin reisen wird.

Während die Märkte und die EU die jüngste Runde der Kürzungen in Athen begrüßten, stimmen Finanzexperten überein, dass sie nur der Auftakt für weit brutalere Haushaltskürzungen in der Zukunft sein können.

Papandreou könnte solche Kürzungen nicht ohne die politische Unterstützung der griechischen Gewerkschaften wagen. Nach dem Generalstreik am Mittwoch letzter Woche haben die Führer der zwei wichtigsten griechischen Gewerkschaftsverbände klar gemacht, dass sie bereit sind, "die Schmerzen zu teilen". Die Gewerkschaften sorgen dafür, dass die Arbeiter immer wieder in kurzen Streiks Dampf ablassen und sind gleichzeitig bestrebt, jegliche Opposition gegen die Politik Papandreous in nationalistische Kanäle abzulenken.

In einem Interview mit der WSWS betonte Stathis Anestis, Sprecher des Gewerkschaftsverbandes GSSE letzte Woche, dass "die Gewerkschaftsverbände und die angeschlossenen Gewerkschaften die Wahl dieser Regierung unterstützt haben". Er fügte hinzu: "Wir legen es nicht darauf an zu streiken."

Vasileios Xenakis, internationaler Sekretär der Gewerkschaft der Staatsbediensteten ADEDY, nannte die jüngsten Kürzungen "unausgewogen" und warnte vor sozialen Problemen, wenn die Gewerkschaften nicht an den Verhandlungen beteiligt würden.

Mit anderen Worten weisen Xenakis und die griechischen Gewerkschaften die Kürzungen nicht zurück, sondern sie bieten ihre Dienste bei der Umsetzung an, um in der gesellschaftlichen Opposition Konfusion zu verbreiten.

Siehe auch:
EU diktiert griechisches Sparpaket
(18. Februar 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.03.2010
Griechenland: Papandreou gibt schärfere Kürzungen bekannt
http://wsws.org/de/2010/mar2010/grie-m05.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2010