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GLEICHHEIT/2954: Niederlande - Rassist Geert Wilders legt bei Kommunalwahlen zu


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Niederlande: Rassist Geert Wilders legt bei Kommunalwahlen zu

Von Dietmar Henning
6. März 2010


Geert Wilders und seine "Partei für die Freiheit" (Partij voor de Vrijheid, PVV) sind am Mittwoch gestärkt aus den niederländischen Kommunalwahlen hervorgegangen. In der Trabantenstadt Almere bei Amsterdam wurde die PVV mit 21,6 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, in Den Haag landete sie hinter den Sozialdemokraten (PvdA) auf Platz zwei. Die PVV war nur in diesen beiden Städten zur Wahl angetreten.

Wilders hatte die PVV 2006 gegründet und dabei teilweise an die Tradition des 2002 ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn angeknüpft. Ähnlich wie der 2004 ermordete Regisseur Theo van Gogh hatte er ursprünglich durch einen antiislamischen Film für Schlagzeilen gesorgt. Unter dem Titel "Fitna", ein arabisches Wort, das wörtlich übersetzt "Streit" oder "Uneinigkeit" bedeutet, unterstellt der Film, der Koran führe direkt zum Terrorismus. Er ist derart hetzerisch, dass Wilders ein Prozess wegen Volksverhetzung bevorsteht.

Im Wahlkampf verknüpfte Wilders hasserfüllte Angriffe gegen islamische Einwanderer mit sozialen Versprechen und der Verteidigung von Schwulenrechten. Zu seinen Forderungen gehören ein Bauverbot für Minarette sowie hohe Geldstrafen für Kopftuchträgerinnen. Einwanderer beschimpft er grundsätzlich als "Terroristen". Er hetzt gegen die "Islamisierung des Landes" und gegen "kriminellen Abschaum: Terroristen aus Marokko und den Antillen". Bei einem Wahlkampfauftritt in Almere forderte er, dieses "starrsinnige Ärgernis" sollte in Container außerhalb des Stadtgebiets gezwungen werden.

Diese rassistischen Ausfälle kombiniert Wilders mit Angriffen auf die Sozialpolitik der Regierung, vor allem der Sozialdemokraten, und der Forderung nach Abzug der niederländischen Truppen aus Afghanistan. Die Regierung Balkenende, eine Koalition des Christlich-demokratischen Appells (CDA), der Sozialdemokraten (PvdA) und der kleinen Christenunion (CU), bezeichnet er als "Kabinett der hohen Steuern und der hohen Bonuszahlungen für Banker". Ihren Plan, das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre heraufzusetzen, lehnt er ab und fordert eine Senkung von Steuern und Abgaben für die Bevölkerung.

Die Kommunalwahl galt allgemein als Testlauf für die vorgezogene Parlamentswahl vom 9. Juni. Diese waren angesetzt worden, nachdem die Regierungskoalition über die Frage des Afghanistan-Einsatzes zerbrochen war. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Kommunalwahlergebnisse meldete Wilders mit den Worten: "Heute Almere und Den Haag, morgen die ganzen Niederlande", seinen Anspruch auf ein Ministeramt in der zukünftigen Regierung an.

Regierungschef Balkenende (CDA) schloss auf einer Pressekonferenz ein Zusammengehen mit dem rassistischen Politiker nicht grundsätzlich aus. Auch große Teile der Medien halten eine Regierungsbeteiligung Wilders' für möglich oder sogar für wünschenswert. In Deutschland forderte die Süddeutsche Zeitung, Wilders müsse in die nächste Regierung "eingebunden" werden, damit er sich selbst "entzaubere". Und dies, obwohl er, wie die Zeitung selbst zugibt, "außer Islamhass kaum etwas zu bieten" hat.

Hinzu kommt, dass Wilders' Wahlerfolg keineswegs so beeindruckend ist, wie ihn die Medien darstellen. Selbst in ihrer Hochburg Almere stimmte bei einer Wahlbeteiligung von 56 Prozent nur jeder achte Wahlberechtigte für die PVV. Und ob dieses Ergebnis auf das ganze Land übertragen werden kann, ist äußerst fraglich. Bei der Europawahl 2009 hatte die PVV in Almere sogar 27 Prozent der Stimmen erhalten. Die Wahlbeteiligung lag damals allerdings nur bei 30 Prozent.

Almere ist eine typische Trabantenstadt. Mitte der 1970er Jahre waren die ersten Bewohner aus Amsterdam auf das dem Meer abgetrotzte Land gezogen. Mittlerweile zählt die Stadt fast 190.00 Einwohner, keine andere in den Niederlanden wächst schneller. In 20 Jahren sollen bereits 350.000 Menschen dort wohnen und leben. Die Bewohner kommen aus 140 Ländern, der Anteil von Einwohnern mit Migrationshintergrund ist aber eher niedriger als in anderen Städten. Dafür ist die Armut höher als anderswo. 15 Prozent der Einwohner leben am Existenzminimum und sind von Lebensmittelhilfen abhängig. Bei der Schuldenberatung rangiert die Stadt auf Rang 3.

Obwohl die Kriminalitätsrate niedriger ist als anderswo, geht die PVV mit dieser Frage auf Stimmenfang. "Relativ gesehen ist dies eine sichere Stadt", muss Toon van Dijk, zweiter Mann der PVV in Almere, bestätigen. "Aber das wollen wir auch gerne so behalten", schiebt er nach. In der Stadt leben viele potentielle Wähler der PVV. "Ihre Wähler sind weiß, männlich, eher nicht akademisch gebildet - aber sie fühlen sich der Mittelschicht gehörig", zitiert die Frankfurter Rundschau den Soziologen Frits Spangenberg.

Wilders Erfolg bei den Kommunalwahlen hat vor allem zwei Gründe: Erstens die tiefe Kluft zwischen sämtlichen etablierten Parteien und der Masse der Bevölkerung, in die die PVV mit einer Mischung aus gezielt geschürten Ängsten und sozialer Demagogie vorgedrungen ist. Und zweitens ist die PVV eine Schöpfung der Medien, die von Teilen der herrschenden Elite gezielt gefördert und aufgebaut wird.

Größte Verlierer der Kommunalwahl waren Balkenendes CDA, die sozialdemokratische PvdA sowie die Sozialistische Partei (SP), die bei der letzten Wahl als linke Alternative zur PvdA aufgetreten war.

Rechnet man das Kommunalwahlergebnis auf die Parlamentswahlen um, bliebe die CDA zwar stärkste Partei, behielte aber nur 29 ihrer derzeit 41 Sitze im 150-köpfigen Parlament. Die PvdA fiele von 33 auf 27 Sitze. Wilders PVV wäre mit 24 Sitzen drittstärkste Partei. Derzeit ist sie nur mit 9 Abgeordneten im Parlament vertreten. Die rechtsliberale VVD, die lange Zeit mit dem CDA die Regierung stellte und aus der Geert Wilders ursprünglich stammt, wäre mit unverändert 21 Sitzen viertstärkste Kraft. Die Sozialistische Partei, derzeit mit 25 Sitzen drittstärkste Kraft, käme nur noch auf 11 Sitze.

Die Verluste von CDA und PvdA sind das direkte Ergebns ihrer rechten Politik - der sozialen Kürzungen bei gleichzeitigen Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen, der Politik gegen Immigranten und des Afghanistan-Einsatzes des niederländischen Militärs.

Die Beteiligung am Afghanistan-Krieg ist in der niederländischen Bevölkerung zutiefst unpopulär. Die Mehrheit spricht sich für einen sofortigen Rückzug der Truppen aus. Ein Untersuchungsbericht der so genannten Davids-Kommission ist zum Schluss gelangt, dass der Irakkrieg nach internationalem Recht illegal war. Der Druck war schließlich so groß, dass sich die PvdA nicht mehr zu einer weiteren Verlängerung des Afghanistanmandats in der Lage sah, was zum vorzeitigen Ende der Regierung führte.

In der Sozialpolitik stutzen seit Jahrzehnten alle Regierungen - unabhängig ob von den Christ- oder den Sozialdemokraten geführt - mit massiven Kürzungen den Sozialstaat zurecht. Das so genannte "Polder-Modell" bedeutete seit den 1980er Jahren massive Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften wurden die öffentlichen Ausgaben schrittweise gekürzt, Löhne eingefroren und Arbeitsplätze vernichtet. Allein in diesem Jahr sollten 90 Millionen Euro in der Bildung und im Gesundheitssystem eingespart werden.

Auf der anderen Seite fand an der Spitze der Gesellschaft eine hemmungslose Bereicherung statt. Die großen Unternehmen und Reichen zahlen kaum noch Steuern, dafür umso höhere Boni an ihre Manager. Die soziale Ungleichheit wächst kontinuierlich. Im Zuge der internationalen Wirtschaftskrise hat auch die Koalition aus CDA und PvdA den Banken großzügige Milliardengeschenke zukommen lassen.

Bei der letzten Parlamentswahl hatte vor allem die Sozialistische Partei von der Unzufriedenheit profitiert. Aus einer unbedeutenden maoistischen Gruppe hervorgegangen, gewann sie Mitte und Ende der 1990er Jahre wegen ihrer verbalen Opposition gegen die sozialen Angriffe an Unterstützung. Sie wurde zum Sammelbecken für alle möglichen kleinbürgerlichen Organisationen und Individuen: religiöse Weltverbesserer, Gewerkschafter, Feministen, Attac-Mitglieder, ex-Radikale, usw. Bei den Parlamentswahlen 2006 konnte sie ihre Stimmen fast verdreifachen und 25 Sitze gewinnen.

Doch die SP hatte keine Antwort auf die Krise. Sie lehnte eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse ab und verstand sich vor allem als linkes Feigenblatt für die Gewerkschaften und die Regierung von PvdA und CDA. Je stärker die soziale Polarisierung wuchs, desto bereitwilliger rückte sie an die Regierung heran. Innerhalb der SP wurde offen darüber diskutiert, nicht nur mit der PvdA, sondern auch mit dem CDA Koalitionen zu schließen. Keine Partei, auch nicht die Wilders', sollte von vornherein ausgeschlossen werden, sagte etwa die Fraktionsvorsitzende Agnes Kant.

Der Nationalismus war von Beginn an zentraler Bestandteil der vormals maoistischen Partei. Schon 1983 forderte die SP in einem Beitrag "Gastarbeit und Kapital", dass "Gastarbeiter" sich in die niederländische Gesellschaft und Kultur integrieren müssten. Sie verlangte, dass sie "einen wertvollen Beitrag in dem Kampf leisten, den die Arbeiter gegen das kapitalistische System werden führen müssen". Jeder, der dazu nicht bereit sei, solle das Land verlassen.

Als die Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und nach der Ermordung Pim Fortuyns eine allgemeine Pogromstimmung gegen Moslems schürte, brachte die SP im Parlament einen Gesetzentwurf ein, der islamische Geistliche verpflichten sollte, einen Kurs zur Integration in die niederländische Kultur zu absolvieren; andernfalls sollten sie ihren legalen Status verlieren.

Mit anderen Worten, die SP stand in der Sozial-, Kriegs- und Ausländerpolitik im Lager des politischen Establishments. Dafür ist sie nun in den Kommunalwahlen abgestraft worden. Sie verlor ihre Wahlunterstützung genauso schnell wie sie diese gewonnen hatte.

Neben der Wilders-Partei konnte vor allem die kleine linksliberale Partei D 66 davon profitieren, die ihren aktuellen Wahlkampf gegen Wilders und die PVV ausgerichtet hatte. Kann sie ihr Kommunalwahlergebnis bei den Parlamentswahlen wiederholen, verfünffacht sie ihre Sitze von derzeit drei auf 15.

Wilders' Partei ist weitgehend eine Kreation der Medien. Sie wird gezielt von Teilen des Establishments aufgebaut. Sie hat keine Mitglieder. Geert Wilders bestimmt allein die Politik, die Kandidaten und die Arbeit mit der Presse. "Ihr einziger Zweck ist, als Plattform für Geert Wilders und sein Markenzeichen, anti-islamischer, populistischer Nationalismus, zu dienen", schreibt die Website Dutch News. Die strikte Konzentration auf die Person Wilders' soll verhindern, dass die rechtspopulistische rassistische Organisation auseinanderbricht, wie dies mit der Liste Pim Fortuyn geschehen war. Der Staat lässt sich Wilders' politische Aktivitäten einiges Kosten. Er lebt an einem unbekannten Ort und wird rund um die Uhr von Polizei geschützt.

Auch die ausländerfeindlichen und anti-islamischen Stimmungen, auf die sich Wilders stützt, werden gezielt von führenden politischen Kreisen geschürt. Um die sozialen Spannungen aufzufangen, setzen CDA und PvdA seit langem bewusst auf Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. 2002 hatte Balkenende die Liste Pim Fortuyn (LPF) in die Regierung aufgenommen, die ähnlich wie die PVV gegen die Islamisierung der Niederlande und gegen "Kriminelle" aus Nordafrika und den karibischen Inseln hetzte.

Die LPF brach zwar bald im Streit um Partei- und Regierungsposten auseinander, aber das Ergebnis war ein starker Rechtsschwenk der gesamten offiziellen Politik. Der Sozialdemokrat Bos forderte in den Parlamentswahlen 2004 eine harte Gangart gegen alle Immigranten, die sich nicht in die niederländische Gesellschaft einfügen wollten. Wer den obligatorischen Sprachkurs nicht erfolgreich absolviere, müsse bestraft werden, etwa durch Kürzung der Sozialbeihilfe.

Inzwischen werden Asylbewerber nur noch aufgenommen, wenn sie 6.600 Euro für einen Sprach- und Integrationskurs aufbringen. Das Recht, Familienmitglieder und Ehefrauen mitzubringen, wurde ebenfalls stark eingeschränkt. Immigranten werden von speziellen militärischen Abteilungen abgeschoben.

Pim Fortyun war lange Zeit Mitglied des CDA, später der rechtsliberalen VVD, bevor er seine eigene Partei gründete. Dasselbe gilt für Wilders, der lange Jahre der VVD angehörte, bevor er 2006 seine eigene Partei gründete.

Wilders Wahlerfolg in Almere ist das Ergebnis eines sorgfältig ausgearbeiteten Plans, bei dem Wilders selbst, die anderen politischen Parteien und die Medien mitspielten. Es sollte ein Signal gesetzt werden. Wilders sagte denn auch, der Sieg in Almere sei das "Sprungbrett zum Erfolg" und er wolle am 9. Juni bei den Parlamentswahlen stärkste Kraft werden.

Die niederländischen Arbeiter und die Jugend sollten gewarnt sein. Die herrschende Klasse baut Wilders und seine PVV auf, um das in den letzten Jahren entstandene politische Vakuum auszufüllen und gewaltige Angriffe auf die gesamte Arbeiterklasse durchzusetzen.

Siehe auch:
Holländische Regierung scheitert an Afghanistaneinsatz
(23. Februar 2010)

Die Große Koalition in den Niederlanden und die Rolle
der Sozialistischen Partei (25. Januar 2007)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.03.2010
Niederlande: Rassist Geert Wilders legt bei Kommunalwahlen zu
http://wsws.org/de/2010/mar2010/holl-m06.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2010