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GLEICHHEIT/2969: Europäische Finanzminister uneins über Bailout für Griechenland


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Europäische Finanzminister uneins über Bailout für Griechenland

Von Stefan Steinberg
17. März 2010
aus dem Englischen (16. März 2010)


Die europäischen Finanzminister treffen sich am 15. und 16. März in Brüssel, um ein Bailout-Paket für Griechenland zu diskutieren. Über die Frage, wie mit der Haushaltskrise des Landes umzugehen sei, klaffen die politischen Standpunkte der europäischen Partner immer noch weit auseinander.

Pro forma leugnen führende Finanzminister immer noch, dass auf dem Treffen überhaupt über Notkredite entschieden werden solle.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte der Bild Zeitung am Sonntag: "Es gibt keinen Grund, Entscheidungen über Finanzhilfen zu treffen." Die französische Finanzministerin Christine Lagarde machte ebenfalls klar, dass sie gegen eine Ankündigung in dieser Woche sei. "Ich erwarte keinesfalls eine Entscheidung über Finanzhilfen, oder dass ein Knopf gedrückt, oder dass wir beschließen, welcher Knopf im Fall zu drücken wäre, denn das wäre völlig voreilig", sagte Lagarde zu Reportern.

Die Reaktion Schäubles und Lagardes passt zu der Haltung, die die europäischen Regierungen bisher zur griechischen Haushaltskrise eingenommen haben. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, als ob keine Hilfsmaßnahmen für das notleidende Griechenland geplant seien. Damit wollen sie den größtmöglichen Druck auf die griechische Regierung ausüben. Diese soll in ihren Sparbemühungen, die mit zwei Kürzungspaketen begonnen haben, auf keinen Fall nachlassen.

Obwohl sie ungern öffentlich zugeben, dass ein Bailout geplant ist, arbeiten Finanzexperten fieberhaft an einem Rettungspaket. In den Medien wird ein Hilfspaket in Höhe von zwanzig Mrd. Euro kolportiert.

EU-Währungskommissar Olli Rehn fasste die Problematik der Situation am Vorabend der zweitägigen Konferenz in Brüssel zusammen: "Wenn Griechenland scheitert, und wenn wir scheitern, dann wird das die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union ernsthaft und vielleicht dauerhaft beschädigt. Der Euro ist nicht nur eine technische Währungsfrage, sondern ein zentrales politisches Projekt der Europäischen Union." Rehn betonte weiter, dass jede Finanzhilfe an Griechenland mit der Auflage weiterer Sparmaßnahmen verbunden sei.

Führende europäische Finanzleute und Banker fürchten, dass Griechenland seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Griechenland muss 2010 ungefähr 54 Mrd. Euro refinanzieren, 20 Mrd. Euro davon im April und Mai. Die griechische Regierung konnte Anfang des Monats fünf Mrd. Euro an frischem Geld aufnehmen, musste dafür allerdings einen sehr hohen Zinssatz zahlen.

Die fünf Mrd. Euro an Krediten, die im März aufgenommen wurden, übersteigen die 4,8 Mrd. Euro, die dem griechischen Finanzministerium aus den Einsparungen zufließen, die die Regierung am 3. März verabschiedet hat.

Mehrere Finanzexperten warnen, dass die bis jetzt beschlossenen Sparmaßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die Schulden des Landes bei den Banken zu begleichen. Andere Stimmen warnen, dass die beschlossenen Sparmaßnahmen sich als kontraproduktiv erweisen könnten. Die beiden Programme werden zu einer fühlbaren Senkung der Löhne und der Renten führen und erhöhen die Steuern auf wichtige Gebrauchsgüter und Benzin. Diese Maßnahmen schwächen die Inlandsnachfrage und verschlechtern die Chancen für eine Erholung der griechischen Wirtschaft.

Die Vorschläge, der griechischen Regierung zu helfen, haben in politischen und Finanzkreisen Europas eine hitzige Debatte über den richtigen Weg losgetreten. Große Länder wie Deutschland und Frankreich haben hohe Investitionen im griechischen Bankensektor und sind nicht bereit, das Land in die Zahlungsunfähigkeit gleiten zu lassen. Gleichzeitig haben sie aber unterschiedliche Philosophien über die Vorgehensweise im Umgang mit der griechischen Krise. Speziell Deutschland besteht auf strikter Haushaltsdisziplin.

Die harte Position der deutschen Regierung wurde vor einer Woche deutlich, als sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble für die Bildung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) aussprach. Ein solcher Fond würde es führenden europäischen Ländern mit Deutschland an der Spitze erlauben, sich über die nationale Souveränität einzelner Länder hinwegzusetzen und drastische Sparprogramme zu verordnen, ähnlich denen, die der Internationale Währungsfond häufig verhängt, nur ohne Einmischung der Vereinigten Staaten. Letztere üben im IWF maßgeblichen Einfluss aus. Schäuble erklärte, der EWF könnte nicht mehr rechtzeitig eingerichtet werden, um in der Griechenlandkrise wirksam zu werden, sondern sei nötig, um mit zukünftigen neuen Krisen umzugehen.

In einem Artikel in der Financial Times am vergangenen Donnerstag sprach sich Schäuble unter der Überschrift "Warum die europäische Währungsunion vor ihrer größten Krise steht" für strikteste Haushaltsdisziplin aus, um den Forderungen der international operierenden deutschen Banken zu entsprechen. "Es gibt nur einen Weg: Alle Mitglieder der Eurozone müssen sich so schnell wie möglich wieder an den Stabilitäts- und Wachstumspakt halten." Er unterstreiche diese Botschaft, weil er den Eindruck habe, dass globale Finanzmärkte da eine viel klarere Sprache sprächen als viele Politiker.

Sodann skizzierte Schäuble einige der drakonischen Vollmachten, die der Europäische Währungsfond nach seiner Vorstellung haben sollte. Jedes Hilfsangebot, schreibt er, muss "an strikte Bedingungen gebunden sein und einen hohen Preis haben...,damit Hilfe nur in unvermeidlichen Notfällen in Anspruch genommen wird, die eine Gefahr für die Finanzstabilität des gesamten Euro-Raumes darstellen. Um das noch deutlicher zu machen, muss das Stimmrecht eines nicht kooperativen Mitgliedsstaates in der Eurogruppe ausgesetzt werden. Hilfen müssen die Ultima Ratio sein."

Schon jetzt ist Griechenland der striktesten Haushaltskontrolle und politischen Aufsicht in der Geschichte der Europäischen Union unterworfen. Jede Entscheidung des griechischen Parlaments in Finanz- und Haushaltsfragen muss von EU-Bürokraten in Brüssel überprüft und genehmigt werden. Jetzt schlägt Schäuble vor, die Parlamente von Ländern mit Finanzproblemen jeglicher Kontrolle über ihre eigene Finanzpolitik zu berauben.

Als ob die Verletzung der nationalen Souveränität durch die Brüsseler Bürokratie nicht genug wäre, tritt Schäuble auch noch für die Verhängung von Strafgeldern gegen Länder ein, die ihre Schulden beim EWF nicht rechtzeitig zurückzahlen, für die Suspendierung des Stimmrechts von Ländern, die europäische Wirtschafts- und Währungsregeln verletzen und selbst für den Ausschluss von Ländern der Eurozone, die die Regeln verletzen.

Schäubles Rundumschlag gegen nationale Souveränität und anerkannte demokratische Normen verschlug sogar manch einem Kolumnisten die Sprache. Wolfgang Münchau nannte in der Financial Times vom Montag Schäubles Vorschlag und besonders das Recht der Eurozone, ein Mitglied auszuschließen "unglaublich extrem".

In Deutschland wurde Schäubles Idee günstiger aufgenommen. Im Tagesspiegel überschrieb ein Professor für Wirtschaftspolitik an der Bundeswehrhochschule in Hamburg einen Artikel zu dem Thema mit den Worten: "Griechenland sollte Eurozone verlassen".

Schäubles Vorschlag für einen Europäischen Währungsfond, der als Instrument der führenden europäischen Volkswirtschaften eine stärkere Kontrolle über die Finanzen und Haushalte des Kontinents ausüben würde, macht deutlich, dass eine solche Einrichtung diktatorische Vollmachten besitzen würde. Im Interesse der internationalen Hochfinanz könnte sie schmerzhafte Kürzungsprogramme durchsetzen.

Sein Vorschlag stößt unter Politikern und Finanzexperten Europas auf beträchtlichen Widerstand. Die deutsche Wirtschaftspolitik, die mit Haushaltsdisziplin, einer expandierenden Exportindustrie und einem großen Niedriglohnsektor verbunden ist, gerät unter Beschuss. So forderte die französische Außenministerin die deutsche Regierung auf, die Binnennachfrage zu stimulieren.

Andere EU-Länder argumentieren, Deutschland habe die größte Wirtschaft und den höchsten Außenhandelsüberschuss. Es solle Bereitschaft zeigen, das Portemonnaie zu öffnen und anderen europäischen Ländern zu helfen. Schäubles Plan für einen EWF mit Deutschland am Steuer soll solche Kritik zurückweisen. Aber in Zeiten zunehmenden Handelskriegs und internationaler Spannungen mit den Vereinigten Staaten macht Schäubles Vorschlag nur die tiefen Meinungsunterschiede in Europa selbst deutlich.

Siehe auch:
EU-Vertreter verlangen von Griechenland
noch mehr Kürzungen (16. Februar 2010)

Finanzkapital und griechische Schuldenkrise
(9. März 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 17.03.2010
Europäische Finanzminister uneins über Bailout für Griechenland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2010