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GLEICHHEIT/2974: Rettungsplan für Griechenland entzweit Europa


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Rettungsplan für Griechenland entzweit Europa

Von Stefan Steinberg
20. März 2010
aus dem Englischen (19. März 2010)


Die griechische Regierung bereitet sich darauf vor, den Internationalen Währungsfond (IWF) in den nächsten Wochen um finanzielle Unterstützung zu bitten, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Dies ist die Konsequenz aus dem Treffen der europäischen Finanzminister in Brüssel anfangs der Woche. Es gelang ihnen nicht, sich auf einen konkreten Plan für die finanzielle Unterstützung Griechenlands zu einigen. Das Haupthindernis bei dem Treffen in Brüssel war die harte Haltung Deutschlands.

Am Donnerstag sagte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou vor dem Europaparlament, die Zinssätze, die Griechenland internationalen Investoren für neue Staatsanleihen bieten müsse, seien nicht akzeptabel. Seine Regierung habe dem IWF ihre prekäre Lage geschildert. Papandreou sagte, die überhöhten Zinssätze vernichteten sämtliche Einsparungen durch die harten Spargrogramme der Regierung.

Griechenland muss dieses Jahr Schulden von etwa 54 Milliarden Euro refinanzieren. 22 Milliarden Euro werden im April und Mai fällig. Anfang des Monats konnte Griechenland Anleihen über fünf Milliarden Euro platzieren, musste dafür aber 6,3 Prozent Zinsen bieten.

Das sind volle drei Prozentpunkte mehr als der durchschnittliche Zinssatz deutscher Staatsanleihen. Ein griechischer Finanzexperte erklärte, die hohen Zinsen, die die internationalen Investoren verlangten, seien der Grund, warum Griechenland zögere, weitere Staatsanleihen zu verkaufen. "Eines ist sicher", sagte er. "Wir werden uns nicht noch einmal mit diesen barbarischen Zinssätzen an die Märkte wenden, denn das ist das Rezept für den Bankrott."

Die Kredite über fünf Milliarden Euro, die die griechische Regierung im März aufgenommen hat, sind höher als die Einsparungen, die das Finanzministerium mit dem zusätzlichen Sparpaket vom 3. März über 4,8 Milliarden Euro erzielt.

Papandreou äußerte sich frustriert darüber, dass die Europäische Union kein Hilfspaket für Griechenland geschnürt habe. Er erklärte, die von der EU geforderten Sparmaßnahmen seien genauso streng wie die Auflagen des IWF. "Er [der IWF] würde nicht mehr fordern", sagt er. "Wir haben jetzt die Nachteile, die ein IWF-Kredit bedeuten würde", ohne die Vorteile zu genießen, klagte Papandreou.

Griechische Politiker erklärten, sie räumten der Europäischen Union noch eine letzte Chance ein, bei ihrem Gipfel nächste Woche eine Lösung zu finden. Aber nach Einschätzung einer Regierungsquelle "sieht es nicht gut aus". Der Sprecher fügte hinzu: "Wenn der EU-Gipfel am 25. März keine eindeutige Unterstützung beschließt, werden wir entscheiden müssen, wohin wir uns dann wenden. Es gibt mehrere Szenarien, aber die wahrscheinlichste ist der IWF."

Die deutsche Regierung bekräftigte inzwischen ihre Ablehnung eines EU-Bailout. Das Finanzministerium erklärte ausdrücklich, Griechenland könne vom Gipfel der EU-Regierungschefs am 25. März kein detailliertes Finanzpaket erwarten. Am Mittwoch warnte Kanzlerin Angela Merkel Deutschlands EU-Partner vor "voreiligen Entscheidungen" über ein Rettungspaket für Griechenland.

Ein anderes Ereignis zeigt ebenfalls die verhärtete Haltung Deutschlands. Merkel sagte am Mittwoch im Bundestag, sie unterstütze die Idee ihres Finanzministers, Länder notfalls aus der Eurozone auszuschließen, wenn sie die Haushaltskriterien der EU ständig verletzten.

Finanzminister Wolfgang Schäuble brachte diese Frage kürzlich auf, als es um den Vorschlag zur Gründung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) ging. Ein EWF hätte weitgehende Vollmachten, hochverschuldeten Ländern der Eurozone drakonische Bedingungen zu diktieren.

In ihrer Rede vor dem Bundestag forderte Merkel ein Abkommen, das es als "letztes Mittel" erlauben würde, ein Land aus der Eurozone auszuschließen, wenn es wieder und wieder die Bedingungen nicht erfülle. Sie nannte Griechenland zwar nicht beim Namen, aber es war klar, was sie meinte. Aus Athen schoss Ministerpräsident Papandreou zurück, es gebe "Null Chance", dass Griechenland die Eurozone verlasse.

Schäubles und Merkels Idee stieß auch beim Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, auf deutliche Ablehnung. Er sagte dem französischen Magazin Le Point, die Vorstellung, ein Mitglied der Eurozone auszuschließen, sei "absurd".

Am Mittwochabend ließen führende Politiker aus Merkels CDU erkennen, dass Deutschland die Einschaltung des IWF, wenn auch mit Bedauern, akzeptieren könnte. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Michael Meister, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg: "Niemand außer dem IWF verfügt über die notwendigen Instrumente."

Meister gestand zu, dass seine Fraktion den IWF-Bailout eines Landes der Eurozone bislang eindeutig abgelehnt habe. Genauso entschieden lehne sie jedoch einen Rettungsplan der EU für Athen ab.

Im Lichte dessen, dass es Jahre dauern würde, einen Europäischen Währungsfond als Alternative zum IWF zu schaffen, und dass die Idee selbst in politischen und Wirtschaftskreisen in Europa auf beträchtliche Ablehnung stößt, scheint sich Berlin mit dem Gedanken einer Intervention des IWF in der Griechenlandkrise abzufinden.

Die Merkel-Regierung muss sich auch damit konfrontieren, dass die Ablehnung gegen eine Intervention des von den USA dominierten IWF in der Eurozone bröckelt. Am Mittwoch erklärten drei der sechzehn Länder der Eurozone - Finnland, die Niederlande und Italien -, sie seien dafür, den IWF zu konsultieren, wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr refinanzieren könne.

Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass Griechenland nach dem Besuch Papandreous in Washington damit droht, sich an den IWF zu wenden. Papandreou hatte sich mit Präsident Obama, Außenministerin Hillary Clinton, Finanzminister Geithner und führenden Kongressabgeordneten und Wirtschaftsführern getroffen. Während die USA sich öffentlich aus der Griechenlandkrise und ihren Folgen für die Europäische Union heraus halten, besteht kein Zweifel, dass amerikanische Vertreter Papandreou im Vertrauen versichert haben, dass sie eine Intervention des IWF unterstützen würden.

Das wäre ein beispielloses Eingreifen der USA in die inneren Angelegenheiten der EU, was besonders Deutschland immer zu verhindern versucht hat. Der Konflikt um das Eingreifen des IWF in die Griechenlandkrise ist ein weiterer Ausdruck der wachsenden Spannungen zwischen Washington und Berlin.

Die Äußerungen von Meister und anderen werden nicht dazu beitragen, die Konflikte innerhalb der Europäischen Union und zwischen führenden europäischen Ländern und den USA über den Umgang mit der Griechenland-Krise abzubauen. Das Wall Street Journal zitierte am Donnerstag einen hohen griechischen Vertreter mit den Worten: "Der Konflikt mit Deutschland verschärft sich, anstatt sich zu entspannen. Unsere Regierung kommt immer mehr zu der Auffassung, dass der IWF die einzige Lösung ist."

Die Spannungen in der politischen Elite Europas beschränken sich nicht auf Griechenland. In ganz Europa bereiten Länder Sparprogramme vor, um die riesigen Defizite zu bereinigen, die durch die Rettungsaktionen für die jeweiligen Banken aufgehäuft worden sind. Martin Wolf weist in einer Kolumne in der Financial Times diese Woche darauf hin, dass Griechenland nicht das eigentliche Problem der Eurozone sei. Wolf schreibt: "Nicht die griechischen Finanzen bedrohen die Stabilität der Eurozone. Das ist nur eine Bagatelle. Die wirkliche Bedrohung sind die Staatsfinanzen der großen Länder."

Mit dem neuen Stadium der Finanzkrise treten nationaler Antagonismen und Eigennutz in den Fordergrund. Vor kurzem vertrat die französische Finanzministerin Christine Lagarde die Meinung, Deutschlands Exportüberschüsse seien teilweise für die Krise verantwortlich, und die deutsche Weigerung, die Binnennachfrage zu stimulieren, erschwere die Genesung anderer Länder.

Deutsche Politiker und die deutschen Medien wiesen die französische Kritik schroff zurück. Kanzlerin Merkel beendete ihre Rede im Bundestag am Mittwoch mit dem Versprechen: "Deutschland wird seine Exportstärke nicht aufgeben."

Auch gehen die Meinungen über die Regulierung bestimmter Spekulationsformen auseinander, was ebenfalls zu den Verstimmungen mit den USA und zwischen den europäischen Ländern beiträgt. Als Deutschland und Frankreich die Regulierung von Derivatehandel und Hedge Fonds befürworteten, erhob US-Finanzminister Geithner Einspruch.

Geithner erklärte in einem Brief an den europäischen Kommissar für den Binnenmarkt, die vorgeschlagenen Beschränkungen für Private Equity und Hedge Fonds würden "amerikanische Firmen diskriminieren und ihnen den Zugang zum europäischen Markt verwehren". Großbritannien, auch ein Zentrum für Hedge Fonds und Derivatehandel, hat sich hinter die USA gestellt.

Die Finanzregulierung stand Anfang der Woche auf der Tagesordnung der Finanzminister. Aber nach der Intervention der Briten kam es zu keinen konkreten Vereinbarungen. Premierminister Gordon Brown nahm Kontakt zum spanischen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero auf und informierte ihn, dass Großbritannien nicht bereit sei, den Vorschlag Deutschlands und Frankreichs zu akzeptieren. In letzter Minute nahm die spanische EU-Präsidentschaft das Thema der Regulierung der Hedge Fonds von der Tagesordnung.

Siehe auch:
Europäische Finanzminister uneins über Bailout für
Griechenland (17. März 2010)

USA und Europa treiben auf Handelskrieg zu
(13. März 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.03.2010
Rettungsplan für Griechenland entzweit Europa
http://wsws.org/de/2010/mar2010/grie-m20.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010