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GLEICHHEIT/3056: NRW-Wahlergebnis - Vorbereitung einer Regierung der großen Konfrontation


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

NRW-Wahlergebnis:
Vorbereitung einer Regierung der großen Konfrontation

Von Ulrich Rippert
11. Mai 2010


Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen ist von einem auffallenden Widerspruch gekennzeichnet. Viele Wähler nutzten den Stimmzettel, um die unsoziale Politik der schwarz-gelben Regierung auf Landes- und Bundesebene abzustrafen. Doch das Ergebnis der Wahl wird nun genutzt, um eine Regierung an die Macht zu bringen, die noch weitaus schärfere Sozialkürzungen durchsetzen wird als die bisherige.

Die Wahl am vergangenen Sonntag war die erste Landtagswahl seit der Bundestagswahl im vergangenen September und war daher allgemein als Stimmungstest für die Merkel-Koalition mit der FDP eingeschätzt worden. Die Ablehnung der CDU-FDP-Regierung hätte deutlicher kaum ausfallen könne. Gegenüber der Landtagswahl vor fünf Jahren verlor die CDU 10,2 Prozent der Stimmen und erzielte mit 34,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in NRW überhaupt.

Die FDP erzielte 6,7 Prozent der Stimmen und konnte damit nicht mehr als ihr schwaches Ergebnis vor fünf Jahren erreichen. Gemessen an den 14,9 Prozent, die sie bei der Bundestagswahl vor gut einem halben Jahr erreicht hatte, verlor sie 8,2 Prozent. Dazu kommt noch, dass die Wahlbeteiligung auf einen historischen Tiefstand von 59,3 Prozent absackte. Mehr als vierzig Prozent der Wahlberechtigten drückten ihre Ablehnung der Regierungspolitik durch Wahlenthaltung aus.

Die Wahl stand im Zeichen der rapiden Verschärfung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Regierung hatte sich im vergangenen Jahr bemüht, das wahre Ausmaß der Krise zu vertuschen und die geplanten sozialen Grausamkeiten auf die Zeit nach der NRW-Wahl zu verschieben. Mit Hilfe von Konjunkturprogrammen, mehrmaliger Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und Abwrackprämie versuchte sie den Eindruck zu erwecken, das Schlimmste sei überstanden. In vielen Kommentaren wurde behauptet, die deutsche Wirtschaft habe die internationale Krise "überraschend gut" überstanden.

Die Ereignisse in Griechenland widerlegten allerdings diese Propaganda. In den vergangenen Wochen wurde klar, dass die brutalen Sparmaßnahmen gegen die griechische Bevölkerung den Auftakt zu einem Generalangriff auf die Arbeiterklasse in ganz Europa bilden. Parallel zur NRW-Wahl jagten sich am vergangenen Sonntag die Krisensitzungen in Berlin und Brüssel. Im Eilverfahren wurde ein "gigantischer Rettungsplan zur Abwehr einer Schuldenkrise in der Eurozone" (Die Zeit) im Umfang von 750 Milliarden Euro verabschiedet.

Dieses zweite Milliarden-Rettungspaket im Interesse der internationalen Banken ist mit massiven Angriffen auf die Löhne, Renten und Sozialstandards in allen europäischen Ländern verbunden. In der Vorbereitung darauf waren einflussreiche Teile der herrschenden Klasse zur Überzeugung gekommen, dass die CDU-FDP-Regierung zu schwach sei, um den geplanten Sozialabbau gegen den zu erwartenden Widerstand durchzusetzen.

Sie nutzten die NRW-Wahl als Hebel, um die Bundespolitik auf die veränderte Situation auszurichten, sie "neu zu justieren", wie es in einigen Kommentaren genannt wurde. Hauptziel dieser politischen Neujustierung war es die SPD und mit ihr die Gewerkschaften wieder stärker in die Regierungsverantwortung einzubinden, wobei neben einer Großen Koalition aus SPD und CDU auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen in Form von Rot-Grün oder auch Schwarz-Grün ins Auge gefasst wurde.

Das war der Grund für ein intensives Eingreifen der Medien in den NRW-Wahlkampf. Die Spitzenkandidatin der SPD, Hannelore Kraft, und die Grünen wurden gezielt aufgebaut und mit positiven Meldungen überhäuft, während gleichzeitig der amtierende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und vor allem die FDP mit Negativschlagzeilen bedacht wurden. Selten zuvor war die Medienmanipulation in einem Wahlkampf so offensichtlich, wie in den vergangenen Wochen an Rhein und Ruhr.

So holte die SPD, die Anfang des Jahres in den Wählerumfragen weit abgeschlagen hinter der CDU zurückgeblieben war, von Woche zu Woche auf und lag am Wahlabend mit 34,5 Prozent nur 6.000 Wählerstimmen hinter der CDU. Hannelore Kraft feierte sich als Wahlsiegerin und in den Medien wurde das "große Comeback der SPD" als politische Sensation gefeiert.

In Wahrheit erzielte die SPD in ihrer einstigen Hochburg das schlechteste Ergebnis seit 1954. Gegenüber der "Katastrophenwahl" vor fünf Jahren, die damals Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als vehemente Ablehnung seiner Agenda-Politik wertete und zum Anlass für die vorzeitige Beendigung der rot-grünen Bundesregierung nahm, verlor die SPD am Sonntag nochmal 2,6 Prozent.

Um das Ergebnis trotzdem schönzureden, wird in einigen Medienberichten der Negativrekord der Bundestagswahl im vergangenen Jahr als Vergleichszahl angeführt. Damals sackte die NRW-SPD auf 28,5 Prozent ab. Doch das macht die Sache nicht besser. In absoluten Zahlen hat die SPD auch gegenüber der Bundestagswahl mehrere Tausend Wähler verloren. Nur aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung liegt der Prozentsatz jetzt höher.

Die Grünen verdoppelten ihren prozentualen Stimmenanteil gegenüber 2005 auf 12,1 Prozent. Doch auch sie erhielten in absoluten Zahlen 5.000 Stimmen weniger als bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst.

Die angebliche Wiedergeburt von Rot-Grün ist eine reine Propagandakampagne der Medien, die von einigen Wirtschaftsverbänden unterstützt wird, weil sie der Auffassung sind, dass die SPD und Grünen weitaus besser als die FDP in der Lage sind, die geplanten Angriffe in Form einer Agenda 2020 durchzusetzen.

Wie wenig Hoffnungen die Arbeiterklasse in die SPD setzt, zeigte sich auch am Abschneiden der Linkspartei. Sie hatte ihren ganzen Wahlkampf auf die Unterstützung der SPD ausgerichtet und wurde nicht müde, die Sozialdemokraten als kleineres Übel darzustellen. Immer und immer wieder bot sich die Linkspartei als Steigbügelhalterin für die SPD an.

Am Wahlabend wurde das nicht honoriert. Gegenüber der Bundestagswahl sackte die Linkspartei von 8,4 auf 5,4 Prozent ab und erhielt 370.000 Stimmen weniger. Selbst gegenüber der Landtagswahl vor fünf Jahren, als PDS und WASG noch getrennt antraten, verlor die Linkspartei knapp 20.000 Stimmen.

Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) nahm nicht mit eigenen Kandidaten an der Wahl teil. Sie hat aber die bankrotte und reaktionäre Politik der Linkspartei entschieden abgelehnt. In einem Kommentar am Vorabend der Wahl schrieben wir:

"Es gibt nichts zu wählen bei den morgigen Wahlen. Es gibt in dieser Wahl nicht eine einzige Partei, die die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertritt. Egal, wie die kommende Regierung in Düsseldorf aussehen wird - schwarz-gelb, rot-grün, Große Koalition, Ampel (schwarz-rot-gelb) oder schwarz-grün -, egal wer auf den Regierungs- und wer auf den Oppositionsbänken sitzen wird, es wird sich um eine Allparteien-Koalition gegen die Bevölkerung handeln. Sie wird einen sozialen Kahlschlag einleiten, der alles bisher Bekannte in den Schatten stellt.

Die Arbeiterklasse muss sich auf große soziale Auseinandersetzungen vorbereiten, die unmittelbar nach der Wahl beginnen werden. Das erfordert den Aufbau der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) als Sektion der Vierten Internationale. Die PSG ist die einzig Partei, die aus den großen Tragöden und Niederlagen der dreißiger Jahre Lehren gezogen hat und für ein internationales, sozialistisches Programm kämpft. Die großen Konzerne und Banken müssen enteignet und die Produktion unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. Nur auf dieser Grundlage kann die Macht der herrschenden Finanzaristokratie gebrochen werden."


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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.05.2010
NRW-Wahlergebnis: Vorbereitung einer Regierung der großen Konfrontation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2010