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GLEICHHEIT/3239: Obamas Irak-Rede geprägt von Feigheit und Täuschungsmanövern


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obamas Irak-Rede geprägt von Feigheit und Täuschungsmanövern

Von Bill Van Auken
2. September 2010


Präsident Obamas landesweit im Fernsehen übertragene Rede aus dem Oval Office des Weißen Hauses strotzte vor Feigheit und Unaufrichtigkeit. Sie war unaufrichtig gegenüber der Bevölkerung der Vereinigten Staaten und der ganzen Welt in der Art, wie sie den kriminellen Krieg gegen den Irak charakterisierte. Und er war feige, wie er vor dem Militär kroch.

Die Ansprache konnte bei den Zuschauern nur Abscheu und Verachtung hervorrufen. Obama, der seine Präsidentschaft in hohem Maße der breiten Anti-Kriegs-Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung verdankt, nutzte die Rede, um den Krieg zu glorifizieren.

Die erschreckendste Passage kam gegen Ende seiner neunzehnminütigen Rede, als Obama erklärte: "Unsere Truppen sind der Stahl in unserem Staatsschiff", und fügte hinzu: "Auch wenn unsere Nation durch raue Gewässer segelt, geben sie uns Vertrauen, dass wir Kurs halten."

Allein wegen dieser Erklärung sollte man Obamas miserable Rede in Erinnerung behalten, nicht wegen all der Zweideutigkeiten über Truppenabzug. Das waren Worte, die einer vom Militär beherrschten Bananenrepublik oder einem faschistischen Staat zu Gesicht gestanden hätten. Das Militär - nicht die Verfassung, nicht der Wille des Volkes oder die angeblich demokratischen Institutionen - sind der "Stahl" im "Staatsschiff". Vermutlich sind die demokratischen Rechte der Bevölkerung Ballast, der bei Bedarf über Bord geworfen werden kann.

Der Anlass der Rede war der künstlich von der Obama-Regierung festgelegte Termin für das "Ende unseres Kampfeinsatzes im Irak", wie der Präsident es nannte. Dies ist nur eine der zahllosen Lügen, die er in seine kurzen Bemerkungen packte.

50.000 Kampftruppen bleiben im Irak. Auch wenn sie in "Übergangskräfte" umbenannt worden sind, deren Aufgabe angeblich lediglich in der "Ausbildung" und der "Beratung" der irakischen Sicherheitskräfte bestehe, hat sich ihr Auftrag in Wirklichkeit nicht verändert.

Nur eine Woche nachdem die Medien den Abzug eines einzigen Stryker-Bataillons zu einem "Meilenstein" hochstilisierten, der den Abzug der letzten Kampftruppen signalisiere, wurden 5.000 Soldaten des 3. gepanzerten Kavallerieregiments, einer Kampfeinheit, aus Fort Hood in Texas zurück in das besetzte Land geschickt.

Washington hat keinerlei Absicht, seine militärische Präsenz im Irak aufzugeben. Es werden weiterhin feste Kasernen gebaut und die Regierung ist entschlossen, die ursprünglichen Kriegsziele, die die Bush-Regierung im März 2003 mit dem Krieg verband, zu erreichen: die Errichtung der amerikanischen Hegemonie am ölreichen Persischen Golf.

Obamas Rede war unzusammenhängend und kriecherisch. Der Präsident versuchte sich unzutreffender Weise damit zu schmücken, er habe sein Wahlkampfversprechen zum Irak erfüllt. Als Kandidat hatte er versprochen, alle US-Kampftruppen innerhalb von sechzehn Monaten nach seiner Amtsübernahme abzuziehen. Am Ende übernahm er einfach den Zeitplan und die Planungen des Pentagon und der Bush-Regierung für einen Teilabzug und ließ 50.000 Kampftruppen vor Ort.

Der Demokratische Präsident fühlte sich veranlasst, unter dem Mantel der Würdigung "unserer Truppen" den gesamten Charakter des Kriegs grundlegend falsch darzustellen und schönzureden. Er stellte eines der schwärzesten Kapitel der amerikanischen Geschichte als eine Art heroisches Unternehmen dar.

"Vieles hat sich verändert", seit Bush den Krieg vor siebeneinhalb Jahren begann, erklärte Obama. "Ein Krieg zur Entwaffnung eines Staates wurde zu einem Kampf gegen eine Aufstandsbewegung", in dem die amerikanischen Truppen "sich von Haus zu Haus vorkämpften, um dem Irak eine bessere Zukunft zu ermöglichen".

Die Rede machte den Eindruck, als richte sich der Präsident an eine Nation, die unter kollektivem Gedächtnisschwund leidet. Glaubt er wirklich, dass sich niemand erinnert, dass der Krieg auf der Grundlage von Lügen begonnen wurde? Der amerikanischen Bevölkerung wurde erzählt, eine Invasion des Irak sei notwendig, weil die Regierung Saddam Husseins "Massenvernichtungswaffen" entwickelt habe und kurz davor stehe, sie al-Qaida zur Verfügung zu stellen, um "Atompilze" über amerikanischen Städten zu zünden.

Es gab keine "Massenvernichtungswaffen", und es gab auch keine Verbindungen des irakischen Regimes zu al-Qaida. Das alles waren Erfindungen einer Regierung, die entschlossen war, einen Aggressionskrieg im Interesse des US-Imperialismus zu führen.

Diese Lügen wurden sämtlich entlarvt und verstärkten die breite Feindschaft gegen den Krieg in der amerikanischen Bevölkerung. Das soll jetzt alles vergessen und als bedeutungslose Details abgetan werden.

Die Iraker werden von Obama als glückliche Empfänger von amerikanischer Selbstaufopferung und Heroismus hingestellt, durch die ihnen "die Chance auf eine neue Zukunft" gewährt werde.

Man käme kaum auf die Idee, dass über eine Million Iraker infolge dieses nicht provozierten amerikanischen Kriegs ihr Leben verloren haben, dass ca. vier Millionen gewaltsam aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben und entweder ins Exil gezwungen wurden oder Flüchtlinge im eigenen Land sind. Jede Institution und jeder wesentliche Bestandteil der gesellschaftlichen Infrastruktur wurde von der amerikanischen Invasion zerstört, die einen regelrechten Soziozid gegen das Land entfesselte - den Mord an einer ganzen Gesellschaft. Der zerstörerische US-Militarismus hat ein zerschmettertes Land von Witwen, Obdachlosen, Arbeitslosen und Verwundeten hinterlassen.

Durch hemmungslose Gewalt gegen das irakische Volk gelang es den US-Besatzern zwar, den Widerstand vorübergehend zurückzudrängen, aber übriggeblieben sind eine nicht lebensfähige Gesellschaft und ein nicht lebensfähiges politisches System, das von religiösen Spaltungen zerrissen und von andauernder amerikanischer Präsenz überschattet ist.

Zu den Übelkeit erregenden Teilen von Obamas Rede gehören auch die Passagen, in denen er seinem Vorgänger George W. Bush ohne Not Lob zollt. Er gab zwar an, dass sie "über den Krieg unterschiedlicher Meinung" waren - worin diese Meinungsunterschiede bestanden, erklärt er allerdings nicht -, aber Obama betonte, dass "niemand Präsident Bushs Unterstützung für unsere Truppen, seine Vaterlandsliebe und seine Sorge um unsre Sicherheit in Zweifel ziehen kann". Dies beweise, fuhr er fort, dass es "Patrioten gab, die für diesen Krieg waren, und Patrioten, die gegen ihn waren. Und wir alle sind vereint in der Anerkennung unserer Soldaten und Soldatinnen."

Bush hat einen Krieg vom Zaun gebrochen, der nach internationalem Recht illegal war. Er und die anderen führenden Figuren seiner Regierung - Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Condoleezza Rice - haben die amerikanische Bevölkerung in ein Kriegsverbrechen hineingezogen, für das die Nazis in Nürnberg angeklagt und verurteilt wurden: die Planung und Führung eines Aggressionskriegs.

Obama teilte seinem Publikum mit, dass er am Nachmittag mit Bush gesprochen habe, wohl um diesem Kriegsverbrecher, der in Den Haag vor Gericht gehört, seine Solidarität zu versichern.

Unvermeidlich folgten aus diesem ultimativen Verbrechen zahllose weitere Verbrechen. Die amerikanischen "Soldatinnen und Soldaten", deren Ehre ständig beschworen wird, um Massenmord zu rechtfertigen, wurden zu Teilnehmern an schrecklichen Verbrechen gemacht.

Die Menschen in den Vereinigten Staaten und weltweit waren abgestoßen von den Bildern, die aus Abu Ghraib bekannt wurden. Aber die Obama-Regierung hat vor Gericht interveniert, um zu verhindern, dass Beweise für weitere noch unsagbarere kriminelle Taten bekannt werden.

Die Soldaten sind selbst Opfer dieses Kriegs. Fast 4.500 haben ihr Leben verloren. 35.000 wurden verwundet. Hunderttausende haben infolge dieses schmutzigen Kolonialkriegs psychologische Traumata erlitten.

"Die Größe unserer Demokratie besteht in unserer Fähigkeit, unsere Gegensätze zu überwinden, aus unseren Erfahrungen zu lernen und die vor uns liegenden Herausforderungen in Angriff zu nehmen", fuhr Obama fort. Welch eine Travestie!

Das Ansehen der amerikanischen Demokratie beruhte auf Verfassungsprinzipien und Rechten, die von der Bush-Regierung im Namen eines "globalen Kriegs gegen den Terror" zerfetzt wurden. Die Obama-Regierung hat sich diese Angriffe auf demokratische Rechte zu eigen gemacht und verteidigt das Ausspionieren der eigenen Bevölkerung, außergerichtliche Überstellungen, Inhaftierung ohne Verfahren oder Urteil. Sie maßt sich sogar das Recht an, US-Bürger zu Terrorverdächtigen zu erklären und ihre außergerichtliche Exekution zu befehlen.

Der verschlungene Pfad seiner Rede führte Obama vom Irak nach Afghanistan. Hier, behauptete er, hätten wir einen Krieg, der von "Amerikanern aus dem gesamten politischen Spektrum" unterstützt werden könne, weil er angeblich gegen al-Qaida geführt werde, die "uns nach wie vor angreifen will".

Er erklärte, dass der "Rückzug aus dem Irak" mehr Kräfte für diesen Krieg freigemacht habe, was "zur Liquidierung oder Gefangennahme von fast einem Dutzend al-Qaida-Führern in aller Welt geführt" habe.

Was das mit der Verdreifachung der amerikanischen Truppen in Afghanistan seit Obamas Amtsantritt zu tun hat, wurde nicht erklärt. Amerikanischen militärischen und Geheimdienstquellen zufolge gibt es in ganz Afghanistan weniger als einhundert al-Qaida Mitglieder. Dagegen ist das Land inzwischen von fast 100.000 amerikanischen und weiteren 40.000 Soldaten anderer Nato-Länder besetzt.

Dann bestätigte Obama, dass US-Truppen "in Afghanistan kämpfen, um die Taliban zu schwächen". Er machte sich allerdings nicht die Mühe zu erklären, was das mit der "Ergreifung" von al-Qaida-Mitgliedern in aller Welt zu tun hat. In Wirklichkeit kämpfen amerikanische Truppen in Afghanistan gegen Afghanen, die sich ausländischer Besatzung widersetzen. Das Ziel ist nicht der Kampf gegen den "Terror", sondern die Herstellung der amerikanischen Vorherrschaft in Zentralasien mit seiner geostrategischen Bedeutung und seinen großen Energiereserven.

Schließlich erkannte Obama dann noch an, dass der Irakkrieg dazu beigetragen habe, die USA an den Rand des Bankrotts zu führen. Er tat so, als ob der Abzug aus dem Irak irgendwie Ausdruck der Entschlossenheit seiner Regierung sei, ihre Aufmerksamkeit der Lösung der Krise der 26 Millionen Amerikaner zuzuwenden, die entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt sind.

"Heute ist unsere dringendste Aufgabe, die Wirtschaft wieder zum Laufen und Millionen Amerikaner wieder in Arbeit zu bringen", sagte er. "Um unsere Mittelklasse zu stärken, müssen wir allen unseren Kindern die Bildung geben, die sie verdienen, und allen Arbeitern, die Fertigkeiten, die sie benötigen, um in einer globalen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben."

Das ist eine weitere Lüge. Während die Regierung Billionen Dollar für die Rettung der Wall Street ausgegeben hat, hat sie wiederholt deutlich gemacht, dass sie keinen Finger krumm machen wird, um Arbeitsplätze für die Arbeitslosen zu schaffen. Was die Bildung angeht, kürzt die Bundesregierung weiter die Ausgaben und sorgt für die Entlassung von Lehrern und die Schließung von Schulen.

Jenseits der doppelzüngigen Wortwahl unterstreicht die Rede eines: Die Entscheidungen im Irak und in Afghanistan sind von der Militärführung diktiert und von Obamas Weißem Haus getreulich umgesetzt worden. Diese Regierung hat keine unabhängige Politik, geschweige denn Überzeugungen. Sie macht die Politik, die andernorts ausgearbeitet wird: an der Wall Street und im Pentagon. Sie vertritt die Finanzaristokratie auf Kosten der amerikanischen Bevölkerung.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 02.09.2010
Obamas Irak-Rede geprägt von Feigheit und Täuschungsmanövern
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2010