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GLEICHHEIT/3241: Nahost-Gespräche in USA - Eine Verschwörung gegen die Palästinenser


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Nahost-Gespräche in USA: Eine Verschwörung gegen die Palästinenser

Von Chris Marsden
3. September 2010


Die Gespräche vom Donnerstag in Washington zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas sind ein Mittel, mit dem die Vereinigten Staaten versuchen, ihre räuberischen Interessen im Nahen Osten durchzusetzen.

Die Obama-Regierung hat Abbas stark unter Druck gesetzt, an den Verhandlungen teilzunehmen und zumindest faktisch den Standpunkt der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) aufzugeben, dass es Gespräche nur geben könne, wenn der israelische Siedlungsbau eingestellt werde.

Ein zehnmonatiger Baustopp auf der Westbank läuft am 26. September aus und Netanjahu hat seiner Partei und den Koalitionspartnern seiner Regierung versichert, dass er nicht erneuert wird. Die Palästinenser drohten, es werde keine Verhandlungen geben, wenn dies passiere und baten Washington um Unterstützung.

Das Nahost Quartett - die USA, Europäische Union, Vereinten Nationen und Russland - lehnt den Siedlungsbau formell ab. Aber die USA stellten Israel keine Bedingungen und betonten vielmehr, dass die Gespräche "ohne Vorbedingungen" stattfinden müssten, wie Israel es verlangt.

Der Chef der Verhandlungsdelegation der Palästinensischen Befreiungsorganisation, Mean Raschid Erekat wurde von der israelischen Zeitung Ha'aretz direkt gefragt, ob die Palästinenser unter Druck gesetzt worden seien, ihre Forderung nach einer Verlängerung des israelischen Baustopps aufzugeben. Er antwortete ausweichend, dass er das nicht "als Druck bezeichnen würde".

Er machte klar, dass die PA sich nicht einfach amerikanischen Diktaten unterwerfen und die Frage ganz fallen lassen könne: "Einfache Palästinenser sehen die Siedlungsaktivitäten auf palästinensischem Gebiet weitergehen und fragen sich, ob es den Israelis mit den Verhandlungen ernst ist und ob sie uns dieses Land wirklich zurückgeben wollen, damit wir unseren eigenen Staat bauen können... Deswegen können wir nicht verhandeln, wenn sie weiterbauen."

Aber auch so machen sich die palästinensischen Massen Sorgen, dass ihnen nichts angeboten wird, was nicht vorher von der herrschenden Elite Israels abgesegnet ist.

Eine Propagandaoffensive verbreitet die Version, dass Israel bei den Gesprächen substantielle Zugeständnisse anbiete. Verteidigungsminister Ehud Barak wurde an die Front geschickt, um in einem Interview mit Ha'aretz zu streuen, dass er und Netanjahu das Prinzip "Zwei Staaten für zwei Länder" unterstützten.

Aber er bekräftigte gleichzeitig die Forderung, dass eine Lösung die Schaffung "eines Staates mit einer soliden jüdischen Mehrheit für Generationen" und auf der anderen Seite eines "demilitarisierten palästinensischen Staates" beinhalten müsse. Ein Abkommen müsse "die großen Siedlungsblöcke in unserer Hand lassen, und isolierte Siedlungen in die Siedlungsblocks oder Israel selbst einschließen oder umsiedeln". Es könne kein Rückkehrrecht für Palästinenser nach Israel geben, sondern nur in den palästinensischen Staat.

Zur Frage von Jerusalem sagte er: "Westjerusalem und zwölf jüdische Stadtteile mit 200.000 Einwohnern müssen zu uns gehören. Die arabischen Stadtteile mit etwa einer Viertelmillion Einwohnern gehören ihnen. Für die Altstadt, den Ölberg und die Davidstadt muss es Sonderregelungen geben."

Diese Formel, die von "Stadtteilen" spricht, bedeutet nicht die Anerkennung Ostjerusalems als Hauptstadt eines palästinensischen Staates. Wichtiger noch ist, dass sie die Vereinnahmung eines großen Teiles des besten Landes der Westbank durch die Siedlungsprogramme legitimieren würde. Es ermöglicht nicht die Bildung "eines politisch, ökonomisch und territorial lebensfähigen Staates", wie Barak behauptet. Sie würde den Palästinensern die Kontrolle über nur 20 Prozent des Gebietes lassen, das das historische Palästina umfasst hat.

Netanjahu war in der Vergangenheit noch unverblümter als Barak und bestand darauf, dass Jerusalem die ungeteilte jüdische Hauptstadt bleiben werde, und dass Israel verteidigungsfähige Grenzen behalten müsse und dafür eine israelische Präsenz an der Ostgrenze eines künftigen palästinensischen Staates benötige.

Danny Dayan, Mitglied des Yesha Rates, einer führenden Organisation der Siedlerbewegung, war gleichzeitig mit Netanjahu in Washington, um Einfluss auf jüdische Führer und Kongressabgeordnete zu nehmen und sie von der Notwendigkeit zu überzeugen, israelische Siedlungen noch weiter in palästinensisches Territorium hinein auszudehnen.

Unter diesen Umständen bestätigt Abbas' Anwesenheit in Washington nur seine Rolle als williges Werkzeug der USA. Er ist von Washingtons Unterstützung abhängig, damit die reichen palästinensischen Herrscher ihn und seine Entourage weiter an der Macht halten und gegen die unruhige und feindselige palästinensische Bevölkerung schützen.

Ägypten und Jordanien, die nicht-israelischen Grenznachbarn eines eventuellen palästinensischen Staates, spielen ebenfalls ihre Rolle in dieser politischen Verschwörung, bei der die USA die Fäden ziehen. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak und Jordaniens König Abdullah nahmen gestern an den von Präsident Obama geleiteten Vorgesprächen teil. Außenministerin Hillary Clinton sprach am Dienstag mit dem ägyptischen Außenminister Ahmed Abu Gheit und ihrem jordanischen Amtskollegen Nasser Judah.

Die USA drängen auch auf Friedensgespräche zwischen Israel, Syrien und dem Libanon. Der US-Nahost-Sondergesandte George Mitchell erklärte: "Wir bemühen uns weiter, Israel und Syrien zu Diskussionen und Verhandlungen zu bewegen, die zu Frieden zwischen ihnen und auch zwischen Israel und dem Libanon führen."

Laut Hurriyet Daily News erklärte der ägyptische Außenminister Gheit, Syrien sei zu Gesprächen mit Israel bereit und habe kein Interesse, die Nahost-Friedensbemühungen zum Scheitern zu bringen. Die Zeitung schrieb: "'Ich glaube nicht, dass die syrischen Brüder irgendetwas behindern', sagte er zur unabhängigen ägyptischen Tageszeitung Al-Mari Al-Yom. 'Die syrischen Brüder beherbergen zwar einige Organisationen und führende Politiker, die dieses Programm (direkter Gespräche) ablehnen, aber ich weiß, dass Syrien zu direkten Verhandlungen mit Israel bereit ist.'"

Die islamistische Hamas, die den Gaza-Streifen regiert, lehnt die Gespräche ab. Am Dienstag tötete ihr bewaffneter Arm vier Israelis, darunter eine schwangere Frau, nahe der Siedlung Kirjat Arba, in der Nähe von Hebron auf der Westbank. Netanjahu reagierte darauf mit der Warnung: "Wir werden die Mörder finden, wir werden ihre Auftraggeber bestrafen. Unsere Sicherheitskräfte werden ohne diplomatische Rücksichtnahme vorgehen", d.h. auch innerhalb der palästinensischen Westbank.

Das wäre gar nicht nötig, weil die palästinensischen Sicherheitskräfte in einer riesigen Operation Dutzende Hamas-Mitglieder verhafteten und ganze Dörfer bei Hebron abriegelten. Hamas erklärt, die Autonomiebehörde habe Razzien in Häusern von 250 Hamas-Mitgliedern in der Gegend durchgeführt. Der Yesha-Rat kündigte an, aus Protest gegen den Angriff die Bautätigkeit auf der Westbank wieder aufzunehmen.

Trotz der Hamas-Aktivitäten gehen die Verhandlungen mit Washington hinter den Kulissen weiter. Hamas-Führer Khaled Meshaal bestätigte einem Blogger in der Huffington Post, dass seine Leute seit einiger Zeit mit den USA in indirektem Kontakt stünden. "Wir wissen, dass einige nicht amerikanische Kontaktpersonen, die wir treffen, der Regierung berichten... Wir sind daran interessiert, die Amerikaner und den Westen zu treffen, aber wir betteln nicht um diese Treffen und wir haben es nicht eilig."

Am Tag des Angriffs von Hebron erklärte Mitchell, dass die USA Syrien einbeziehen möchten. Er fügte hinzu, dass Hamas "in diesem unmittelbaren Prozess keine Rolle spielt", aber "wir begrüßen die volle Beteiligung von Hamas und aller relevanten Parteien, sobald sie grundlegenden demokratischen Prinzipien gerecht werden."

Die Initiative für die Gespräche und die Bereitschaft, mit bisher strikt ausgegrenzten Staaten und Bewegungen, darunter der Hamas, zu sprechen, ist der Versuch, den Iran zu isolieren und Amerikas Kontrolle über den Nahen Osten und seine Ölreichtümer zu sichern.

Obamas Stabschef Rahm Emanuel sagte in einem Interview: "Es gibt hier jetzt drei große Schachfiguren und in jedem Fall sind wir in aussichtsreicher Position." Er fügte hinzu: "Sieg erzeugt Sieg und nichts ist erfolgreicher als der Erfolg."

Martin S. Indyk, Ex-Botschafter der USA in Israel und jetzt Direktor für Außenpolitik bei der Brookings Institution, fügte hinzu: "Es würde wohl zu weit gehen zu behaupten, dass Fortschritt im Friedensprozess das Patt im Irak auflösen, oder die Iraner zwingen würde, ihr Atomprogramm aufzugeben. Aber ich glaube, dass ein Erfolg dazu beitragen würde, den Iran zu isolieren und ihm seinen Anspruch auf die Führungsrolle in der Region streitig zu machen."

Der Sprecher des Außenministeriums, Philip J. Crowley sagte: "Der Irak hat in der Vergangenheit versucht und der Iran versucht heute, den Nahost-Konflikt für seine Interessen zu nutzen. Ein Friedensabkommen "würde eine viel stärkere Integration und konstruktive Rolle der Region möglich machen."

Es fehlen alle Bedingungen für einen wirklichen "Fortschritt" bei den Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern. Aber die Illusion substanzieller Gespräche spielt eine zentrale Rolle dabei, die arabischen Regimes hinter Washingtons Pläne für ein aggressives Vorgehen gegen den Iran zu bringen, bis hin zu einem Militärschlag.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 03.09.2010
Nahost-Gespräche in USA: Eine Verschwörung gegen die Palästinenser
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2010