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GLEICHHEIT/3384: Aung San Suu Kyi und die Demokratie in Burma


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Aung San Suu Kyi und die Demokratie in Burma

Von K. Ratnayake
1. Dezember 2010


Als die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi am 14. November in Burma freigelassen wurde, nahmen die Medien dies zum Anlass, sie einmal mehr als "Ikone der Demokratie" zu feiern. Spekulationen über mögliche "Reformen" und Schritte zur "Demokratie" in dem Land machten die Runde.

Suu Kyi hat allerdings rasch klar gemacht, dass sie nicht die Absicht hat, die burmesische Junta herauszufordern. Stattdessen strebt sie - mit Unterstützung besonders der USA - eine Vereinbarung mit den Generalen an. Suu Kyi hat angedeutet, dass sie bereit sei, ihre bisherige Haltung aufzugeben: Sie will sich dafür einsetzen, die Lockerung oder Aufhebung amerikanischer und europäischer Sanktionen zu bewirken, wenn die Generale im Gegenzug zu Zugeständnissen bereit sind. Die offizielle Begründung dafür lautet, damit werde dem burmesischen Volk geholfen.

Diese politischen Manöver Suu Kyis haben nichts mit einem Engagement für demokratische Grundrechte zu tun, und es geht auch nicht um eine Verbesserung der schlimmen Lebensverhältnisse der burmesischen Massen. Suu Kyis Bereitschaft, mit der Junta zu verhandeln, hängt mit einer taktischen Wende der Obama-Regierung seit September 2009 zusammen. Washington verhält sich gegenüber den burmesischen Generalen jetzt nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche: Entweder gibt es verbesserte wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen, wenn eine Übereinkunft mit Suu Kyi erzeilt wird, oder, wenn das nicht geschieht, greifen die USA zu schärferen Maßnahmen, z.B. Anklagen gegen Juntaführer wegen der Verletzung von Menschenrechten.

Obamas Politik gegenüber Burma ist Teil einer aggressiven Strategie in ganz Asien, den Einfluss von Washingtons Rivalen China zurückzudrängen. Obama und seine Gesandten entfalten hektische diplomatische Aktivitäten, um bestehende Militärallianzen, zum Beispiel mit Japan und Südkorea, zu beleben und engere strategische Beziehungen zu Ländern wie Indien zu schmieden. In dem Zusammenhang sollen enge Partner Chinas, wie z.B. Burma, aus Pekings Einflusssphäre herausgebrochen werden.

Amerikanische Forderungen nach "Demokratie" in Burma sind eine nützliche Fassade, hinter der Gespräche mit dem diktatorischen Regime geführt werden können. Obama hat Suu Kyis Freilassung als Vorbedingung für bessere Beziehungen verlangt, nicht weil sie eine "Kämpferin für die Freiheit" ist, sondern weil sie Teile der burmesischen Bourgeoisie repräsentiert, die stärker zum Westen orientiert sind und bereit sind, Burma in ein Billiglohnland für transnationale Unternehmen zu verwandeln.

Suu Kyi ist auch ein nützliches Sicherheitsventil für die tiefe Feindschaft der breiten arbeitenden Massen gegen das unterdrückerische Junta-Regime. Sie hat in der Vergangenheit Oppositionsbewegungen gegen das Militär benutzt, um Konzessionen zu erreichen, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass die Proteste nicht zu einer Bedrohung der kapitalistischen Herrschaft wurden. Genau diese Rolle spielten Suu Kyi und ihre Partei in den tumultartigen Ereignissen vom August-September 1988.

Studentenproteste gegen das Regime Anfang 1988 zogen immer weitere Kreise der Bevölkerung an. Viele hatten die Nase voll, weil es keine demokratischen Rechte gibt, weil der Lebensstandard miserabel und die Polizeiunterdrückung allgegenwärtig ist. Die Demonstrationen weiteten sich dramatisch aus, als Juntachef, General Ne Win, im Juli zurücktrat und von Sein Lwin ersetzt wurde, einem berüchtigten Hardliner. Im Vorfeld einer großen nationalen Demonstration am 8. August kam es zu zahlreichen kleineren Protesten, Nachbarschafts- und Streikkomitees wurden gegründet und die Forderung nach einem Generalstreik erhoben.

Die Junta ließ am 8. August bei den großen Demonstrationen in die Menge feuern, wobei Hunderte Demonstranten ums Leben kamen. Aber der Generalstreik fand trotzdem statt, und auch die Demonstrationen gingen weiter. An Arbeitsniederlegungen in Rangun und Mandalay nahmen Regierungsangestellte, Ölarbeiter, Docker und viele andere teil. Sie brachten den Verkehr und das Wirtschaftsleben zum Stillstand. In Rangun wurden ganze Stadtteile von oppositionellen Komitees kontrolliert. Auf dem Land kam es zu Demonstrationen der Bauern.

Mehr als einen Monat lang war die Junta paralysiert. Am 12. August trat Lwin ohne Erklärung zurück und wurde von Maung Maung ersetzt, einem zivilen Anhänger der Junta, der sich versöhnlerisch gab. Er hob das Kriegsrecht auf und bot ein Referendum über ein Mehrparteiensystem an. Soldaten und Polizisten gingen zurückhaltender vor, was noch mehr Menschen ermutigte, sich für die Opposition zu engagieren. Hunderttausende nahmen am 22. August an landesweiten Protesten teil.

Erst am 26. August griffen Suu Kyi und andere bürgerliche Oppositionsvertreter ein. Sie versuchten, die Massenbewegung unter den Arbeitern zu bremsen, die die Junta an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatte. In einer Rede vor etwa einer halben Million Menschen an diesem Tag forderte Suu Kyi sie auf, "zu vergessen, was geschehen ist". Sie forderte die Demonstranten auf, "nicht ihre Zuneigung zur Armee zu verlieren" und ihre Ziele mit "friedlichen Mitteln" zu verfolgen.

Suu Kyis Intervention verschaffte der Junta die entscheidende Atempause, die sie brauchte. Sie wies zwar das Referendum Maungs zurück, schürte aber die tödliche Illusion, dass die Forderungen der arbeitenden Bevölkerung durch eine Wahl erfüllt werden könnten. Unmittelbar bis zur Niederschlagung der Bewegung durch das Militär am 18. September forderten Oppositionsführer die Menschen auf, "geduldig" zu sein. Sie erklärten, sie seien sicher, dass Maung die Macht an eine Übergangsregierung übergeben und freie Wahlen zulassen werde.

Stattdessen entließ Genral Saw Maung die Regierung, bildete einen Staatsrechts- und Restaurationsrat (SLRC), verhängte das Kriegsrecht und befahl den Truppen, die Proteste niederzuschlagen. Mindestens 3.000 Menschen wurden allein in Rangun getötet, und viele weitere fanden in Mandalay und anderen Regionen den Tod. Tausende wurden verhaftet. Andere flohen ins Ausland oder aufs Land.

Suu Kyi veruteilte die Repressionen, forderte die Menschen aber auf, auf die versprochenen Wahlen zu warten. Bei der Wahl 1990 errang ihre National League for Democracy (NLD) zwar einen Erdrutschsieg, aber die Junta, die das Land inzwischen wieder fest im Griff hatte, setzte sich darüber hinweg. Suu Kyi wurde unter Hausarrest gestellt, führende Mitglieder der NLD wurden verhaftet. Sanktionen der USA und Europas ignorierte die Junta.

2007 spielten Suu Kyi und die NLD eine ähnliche Rolle, als große Demonstrationen gegen die Junta ausbrachen, die ursprünglich von protestierenden Mönchen ausgingen. Von Anfang an betonte Suu Kyi, dass die Bewegung die Generale nicht in Frage stellen dürfe. "Es sollte keine Mobilisierung zum Sturz des Militärregimes geben. Das würde die Furcht der Menschen vor einer militärischen Antwort vergrößern und viele davon abhalten, sich der Bewegung anzuschließen", sagte sie.

Aus den Unruhen von 1988 zog Suu Kyi die Schlussfolgerung, dass die Proteste zu weit gingen, dass sie die Unterdrückung durch die Armee provozierten und deshalb so nicht wiederholt werden dürften. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Oppositionsbewegung bleib unter dem Einfluss von Persönlichkeiten wie Suu Kyi, die sie genau an dem Punkt zurückhielten, an dem die Generale am schwächsten waren. Die Arbeiterklasse hatte die entscheidende Rolle gespielt, die Junta auf die Knie zu zwingen, aber es mangelte ihr an einer Führung, die die NLD hätte herausfordern und den Versuch unternehmen können, eine Arbeiter- und Bauernregierung mit einem sozialistischen Programm zu gründen.

Die Ereignisse von 1988 bis 1990 sind eine Bestätigung von Leo Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution, die davon ausgeht, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung alle Teile der Bourgeoisie organisch unfähig sind, den demokratischen Bestrebungen und sozialen Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung gerecht zu werden. Nur die Arbeiterklasse an der Spitze der Armen in der Stadt und auf dem Land kann diese Aufgaben als Teil des breiteren Kampfs für den Sozialismus in Südasien und international erfüllen.

Das ist die revolutionäre Perspektive des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Wir fordern Arbeiter und Jugendliche auf, unsere Geschichte und unser Programm sorgfältig zu studieren und die Aufgabe in Angriff zu nehmen, eine Sektion der trotzkistischen Bewegung in Burma aufzubauen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.12.2010
Aung San Suu Kyi und die Demokratie in Burma
http://www.wsws.org/de/2010/dez2010/burm-d01.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010