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GLEICHHEIT/3690: Sozialistische Partei erleidet in Portugal bei Parlamentswahl Niederlage


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Sozialistische Partei erleidet in Portugal bei Parlamentswahl Niederlage

Von Chris Marsden
9. Juni 2011


Die portugiesischen Parlamentswahlen endeten mit einer Niederlage für die regierende Sozialistische Partei (Partido Socialista, PS) von Jose Sócrates und dem Sieg der Mitte-Rechts-Partei Partido Social Democrata (Sozialdemokratische Partei, PSD).

Nach der bisherigen, zu 80 Prozent vollständigen Stimmenauszählung hat die PSD 39 Prozent der Stimmen erhalten, die PS 28 Prozent. Die PSD unter Führung ihres neuen Parteichefs Pedro Passos Coelho wird eine Koalition mit der ebenfalls rechten Partido Popular (PP, Volkspartei) eingehen, die zwölf Prozent der Stimmen erhielt.

Die PSD erhält 105 der 230 Sitze im portugiesischen Parlament, die PP 24, und die SP nur noch 73. Diese Verteilung wird sich auch nicht bedeutend ändern wenn am 15. Juni die Stimmen aus dem Ausland ausgezählt sind, wobei es um vier Sitze geht; diese gehen normalerweise an die PS und die PSD. Eine Koalition aus PSD und PP würde den beiden Parteien, die zuletzt von 2002-05 als Koalition regierten, eine absolute Mehrheit von 129 Sitzen geben.

Sócrates und die PS wurden für die Sparmaßnahmen abgestraft, die sie auf Forderung der globalen Märkte und der "Troika" - der Europäischen Union, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank - durchgesetzt hatten. Im Ausgleich dafür erhielten sie Hilfsgelder von 78 Milliarden Euro - die den europäischen und internationalen Banken zufließen, bei denen Portugal verschuldet ist.

Wie unbeliebt die PS ist, zeigt sich am besten an der gesunkenen Wahlbeteiligung. 41,1 Prozent der Wahlberechtigten blieben der Parlamentswahl fern, ein neuer Rekord nach 40,3 Prozent im September 2009. Damit sind die Nicht-Wähler stärker als PS und PSD zusammen. Aber da keine Alternative zur Verfügung stand, um der Wut der arbeitenden Massen Ausdruck zu verleihen, gingen nahezu unweigerlich die Rechten als Sieger hervor.

Die gesamte Wahl hatte den Charakter einer Verschwörung gegen die portugiesische Arbeiterklasse.

Die Wahl fand statt, weil die Minderheitsregierung von Sócrates versuchte, weitere Sparmaßnahmen durchzusetzen, um die Forderungen der Troika nach Ausgabenkürzungen in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den Jahren 2012 und 2013 erfüllen zu können. Diesmal allerdings verweigerte die PSD, anders als zuvor, ihre Zustimmung zu den Maßnahmen der PS, und stellte den Antrag auf ein Misstrauensvotum, das die Regierung zu Fall brachte.

Die PSD tat dies im Interesse der portugiesischen und europäischen Bourgeoisie. Ihr Ziel war es zum einen, eine in der Entwicklung befindliche militante Bewegung der Arbeiterklasse abzuwürgen, die auch Massenstreiks und Demonstrationen organisiert hatte; und zum anderen die politische Initiative den Wirtschaftsinteressen zu überlassen.

Bei dieser um zwei Jahre vorgezogenen Wahl führten alle Parteien ihre Wahlkämpfe auf der Grundlage des Versprechens, sich an die von der Troika diktierten Bedingungen zu halten.

Die PSD ging dabei am weitesten. Sie versprach, dass sie die Sparmaßnahmen der scheidenden Regierung noch verschärfen werde.

PSD-Chef Coelho ist ein Unternehmer und hatte noch nie ein Regierungsamt. Seine politische Karriere begann in der Kommunistischen Jugendliga, dann trat er der Sozialdemokratischen Liga bei.

In einem Artikel im Wall Street Journal vom 30. Mai mit dem Titel "Unser Plan zur Rettung Portugals" schilderte Coelho den internationalen Geldgebern seine Motive und seine politische Agenda.

Er erklärte: "Wir haben nicht gegen die neuen Sparmaßnahmen gestimmt weil sie uns zu weit, sondern weil sie nicht weit genug gehen. Sie richten sich nicht gegen Portugals wirtschaftliches Hauptproblem: Sicherzustellen, dass Wachstum einhergeht mit Haushaltsdisziplin."

Coelho beklagte, dass "jedes Mal, wenn wir uns auf eine gemeinsame Aktion einigen, um die Staatseinnahmen zu erhöhen, die Steuererhöhungen schnell durchgesetzt werden, die Ausgabenkürzungen und wachstumsfördernden Reformen aber systematisch hinausgezögert werden - es waren zu viele Steuererhöhungen und zu wenig Kostensenkung."

Nach der Wahl wandte sich Coelho nicht der Wählerschaft zu, sondern direkt an seine wahren Auftraggeber - "die, die uns aus dem Ausland zusehen." Er versprach ihnen, "dass Portugal in Zukunft keine Last mehr sein wird... Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um uns an die Vereinbarungen zu halten, die zwischen Portugal, der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds zur Wiedererlangung des Vertrauens der Märkte geschlossen wurden."

Die Bedingungen für den Bailout sehen unter anderem Steuererhöhungen, ein Einfrieren der Beamtenpensionen und eine Reduzierung der Unterstützung für Arbeitslose, sowie deren Bezugsdauer vor. Aber Coelho will noch tiefergehende Ausgabenkürzungen und eine weitreichende Privatisierungskampagne durchführen, bei der unter anderem die staatliche Bank Caixa Geral de Depositos SA teilprivatisiert werden soll.

Das ist genau das, was die Bourgeoisie hören will. Der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso, ein ehemaliger Maoist und Premierminister der PSD nannte die Wahl "entscheidend"

Die New York Times bescheinigte der neuen Regierung ein "starkes Mandat, um ein hartes Sparprogramm durchsetzen zu können."

Das Wahlergebnis in Portugal ist Teil einer Serie von Niederlagen früher als "links" geltender Parteien, die sich durch ganz Europa zieht. Das liegt daran, dass sie unwiderruflich mit brutalen Sparprogrammen und einer langen Reihe von Angriffen auf die Arbeiterklasse identifiziert werden. Selbst in Ländern in denen Sozialdemokraten an der Macht sind, wie in Griechenland und Spanien, sehen diese sich mit Massenprotesten gegen ihre sklavische Umsetzung der Diktate von IWF und EU konfrontiert.

Portugal setzt auch den Trend fort, dass sich stalinistische und kleinbürgerliche Parteien, die sich selbst als Sozialisten bezeichnen, durch ihre Unterstützung der sozialdemokratischen und Gewerkschaftsbürokratien diskreditieren.

Die Koalition aus der Kommunistischen Partei Portugals (KPP) und den Grünen erzielte 7,9 Prozent der Stimmen, wodurch sie 16 Sitze erhält, der Linke Block erhielt 5,2 Prozent der Stimmen und acht Sitze. Die KPP erhielt fast dieselbe Anzahl von Stimmen wie in der letzten Wahl, der Anteil des Linken Blocks halbierte sich von 10,7 Prozent im Jahr 2009.

Im Wahlprogramm des Linken Blocks wurde klargestellt, dass er sich als Anhängsel der PS sieht und konzentrierte sich auf die Forderung nach Bildung einer "Linksregierung" um "die Wirtschaft des Landes zu verteidigen."

Generalsekretär Francisco Loucã fügte noch hinzu, dass es "ohne die PS keine Linke gibt".

Seine wirtschaftlichen Forderungen entsprachen seiner Orientierung, und konzentrierten sich auf die "Schaffung neuer Fristen, neuer Zinssätze und die Einhaltung von vernünftigen Bedingungen."

Der Linke Block befindet sich in Verhandlungen mit der KPP zur Bildung einer Einheitsfront. Die Stalinisten beschreiben diese als "patriotische linke politische Alternative, um den Weg für wirtschaftliche Entwicklung, sozialen Fortschritt und die Bekräftigung nationaler Interessen freizumachen."

Vor der Wahl versicherte die KPP, dass "ihr Zustandekommen die Bildung einer patriotischen linken Regierung erfordert", basierend auf "politischen Kräften und Gruppen, Demokraten und unabhängigen Persönlichkeiten, die sich mit einer patriotischen, linken Politik identifizieren, unterstützt von Massenorganisationen und Bewegungen von Anti-Monopol-Gruppen."

In der Praxis heißt das, die KPP und der Linke Block werden die PS weiterhin aus der Opposition unterstützen.

Portugal ist auch weiterhin ein soziales Pulverfass. Die Arbeitslosenquote steigt auf 12,6 Prozent, so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr, und wird bis nächstes Jahr bei 13 Prozent angekommen sein. Weitere schmerzhafte Einschnitte werden dies noch verschlimmern. Es wurde bereits erwartet, dass die Wirtschaft dieses Jahr aufgrund von Ausgabenkürzungen um zwei Prozent schrumpfen wird, und nochmals zwei Prozent im nächsten Jahr. Da alle parlamentarischen Wege für Protest verschlossen sind, müssen die Bestrebungen, den Widerstand durch politische Manöver zu unterdrücken, mit offenem Klassenkampf beantwortet werden.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 09.06.2011
Sozialistische Partei erleidet in Portugal bei Parlamentswahl Niederlage
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2011